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FRAUEN/445: Afghanistan - Gewalt gegen Frauen dramatisch gestiegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2012

Afghanistan: Gewalt gegen Frauen dramatisch gestiegen - Menschenrechtskommission schlägt Alarm

von Kreshma Fakhri



Kabul, 7. Dezember (IPS/Killid*) - In Afghanistan nimmt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen immer weiter zu. Behörden und Menschenrechtsorganisationen verbuchen nicht nur einen Anstieg der Verbrechenszahlen, sondern auch der Brutalität, mit der die Täter gegen ihre Opfer vorgehen.

Die Afghanische Menschenrechtskommission (AIHRC) schätzt, dass die Gewalt gegen Frauen im zweiten Halbjahr 2012 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 22 Prozent angestiegen ist.

AIHRC-Kommissarin Soraya Sobhrang zufolge fanden die Morde an Frauen, die sich einer Entführung widersetzten, in den "weniger sicheren" Provinzen des zentralasiatischen Landes statt. In 80 Prozent der Fälle, in denen die Gewaltopfer überlebt hätten, habe es sich um Teenager gehandelt.

Das afghanische Frauenministerium spricht von insgesamt 471 Gewaltverbrechen an Frauen seit Anfang des Jahres. Die meisten Opfer hätten Selbstmord begangen, sich angezündet oder seien geflohen. Dazu meint Fawzia Amini, Direktorin der Rechtsabteilung des Ministeriums, dass in mehr als der Hälfte der Fälle, in denen Frauen ermordet wurden oder Selbstmord begangen hätten, innerfamiliäre Gewalt die Ursache war.


Mangelnde öffentliche Sicherheit fördert Übergriffe

Die AIHRC-Mitarbeiterin Parwin Rahimi macht für den gravierenden Anstieg der geschlechtsbedingten Gewalt die mangelnde Sicherheit im Lande verantwortlich. "Wenn jeder im Land eine Waffe besitzt und Kriminelle von den Mächtigen, den bewaffneten Gruppen oder einem Kommandeur Unterstützung erhalten, werden die Verbrechen gegen Frauen weiter steigen."

Obwohl das afghanische Recht äußerst harte Strafen für diejenigen vorsieht, die Frauen angreifen, erwirken Täter mit politischen Kontakten immer wieder eine Strafmilderung oder einen Freispruch. "Wir erleben, wie viele durch einen Präsidentenerlass auf freien Fuß kommen. Solange die Einhaltung der Gesetze nicht überwacht wird, ufert die Gewalt gegen Frauen immer weiter aus."

Am 12. Oktober wurden die mutmaßlichen Mörder von Mah Gul festgenommen. Die Frau aus der nordwestlichen Provinz Herat war verblutet, nachdem man ihr die Halsschlagader durchtrennt hatte. Mah Guls Familie zufolge wurde sie von ihrem Mann und dessen Angehörigen umgebracht, weil sie sich dagegen gewehrt habe, in die Prostitution gezwungen zu werden.

Guls Schicksal ist kein Einzelfall. Vor einigen Monaten wurde die 20-jährige Kulsoom brutal im Haus ihrer Eltern ermordet, weil sie gegen die Pläne ihres Mannes protestiert hatte, die gemeinsame Tochter zu verkaufen.


In einen Stall gesperrt und gefoltert

Im vergangenen Monat berichteten die Zeitungen von der 'Freilassung' einer Frau aus einem 'Familiengefängnis'. Das Opfer sei in einer behelfsmäßigen Zelle in einem alten Stall im Dorf Kasho in der nordöstlichen Provinz Badakhshan festgehalten worden, von der ersten Frau ihres Mannes geschlagen und von ihrem Mann selbst vergewaltigt und gefoltert worden.

Sahar Gul aus dem Bezirk Darayem war an einen Mann in der nordöstlichen Provinz Baghlan zwangsverheiratet worden. Ihre Schwiegermutter zwang sie zur Prostitution, bis sie Anfang des Jahres von der Polizei befreit werden konnte. Am 27. Juni köpften bewaffnete Männer die 13-jährige Shazia, weil sie gegen ihre Entführung Widerstand leistete. Drei Verdächtige wurden daraufhin festgenommen.

Am 19. November stimmte Afghanistans Präsident Hamid Karsai der Hinrichtung von 16 Häftlingen zu, die unter anderem wegen Vergewaltigung, Mord und Entführung verurteilt worden waren. Die Gefangenen wurden inzwischen gehenkt. (Ende/IPS/ck/2012)


* Killid ist ein unabhängiges Non-Profit-Medienprojekt der afghanischen Entwicklungsorganisation 'Development & Humanitarian Services for Afghanistan' (DHSA) und IPS-Kooperationspartner.


Links:

http://www.aihrc.org.af/
http://tkg.af/english/
http://www.ipsnews.net/2012/12/violence-against-afghan-women-on-the-rise/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2012