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FRAUEN/451: Kenia - Keine Frauen, keine Wahl, Proteste gegen Aufschub von Frauenquote im Parlament (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2012

Kenia: Keine Frauen, keine Wahl - Proteste gegen Aufschub von Frauenquote im Parlament

von Brian Ngugi


Menschenrechtsaktivisten in Nairobi - Bild: © Brian Ngugi/IPS

Menschenrechtsaktivisten in Nairobi
Bild: © Brian Ngugi/IPS

Nairobi, 19. Dezember (IPS) - Menschenrechtsaktivisten in Kenia drohen mit einem Boykott der Wahlen im kommenden März, weil sie die in der Verfassung garantierten Frauenrechte durch den Obersten Gerichtshof des Landes verletzt sehen. Die Richter lehnten die Einführung einer Frauenquote im Parlament ab.

Die Aktivisten kündigten an, die Handlungsfähigkeit der Regierung so lange zu verhindern, bis das Gesetz über die Gleichbehandlung der Geschlechter den Senat und das Abgeordnetenhaus passiert hat. Demnach dürfen Männer höchstens zwei Drittel aller Mandate erhalten. Für Frauen gilt die gleiche Obergrenze.

Rukia Subow, die Vorsitzende der größten kenianischen Frauenorganisation 'Maendeleo Ya Wanawake' sieht das ostafrikanische Land auf direktem Weg in eine Verfassungskrise, wenn die Klauseln der Verfassung von 2010 nicht umgesetzt werden.

Das Oberste Gericht beschloss am 11. Dezember, dass die Verfassungsklausel zum Geschlechterproporz im Parlament zum Zeitpunkt der Wahlen am 4. März 2013 noch nicht eingeführt werden muss. Stattdessen solle sie schrittweise bis August 2015 in Kraft gesetzt werden.

"Wir respektieren das Oberste Gericht, sehen uns aber gezwungen, sein Urteil anzufechten, selbst wenn dies bedeutet, dass wir vor ein Regionalgericht ziehen müssen. Wir werden sicherstellen, dass es im nächsten Jahr kein Parlament geben wird, denn es wäre verfassungswidrig, wenn das Geschlechterprinzip nicht eingeführt würde", sagte Subow. Der Grundsatz müsse mit allen notwendigen Mitteln in die Tat umgesetzt werden.

Da das Oberste Gericht die höchste juristische Instanz in Kenia ist, würde ein Berufungsverfahren am Ostafrikanischen Gerichtshof geführt. Artikel 81 (b) der kenianischen Verfassung schreibt vor, dass "nicht mehr als zwei Drittel der Mitglieder öffentlicher Institutionen, die durch Wahl bestimmt werden, demselben Geschlecht angehören dürfen".

Artikel 78 (8) der Verfassung besagt, dass Gesetze eingeführt werden müssen, die die Einhaltung des oben genannten Grundsatzes gewährleisten. Da das Parlament ein solches Gesetz aber nicht verabschiedet hat, machte Generalstaatsanwalt Githu Muigai beim Obersten Gericht eine Eingabe, um eine Erklärung zu erwirken.


Mehrheit der Richter hält sofortige Quotenregelung für sinnlos

Vier der fünf Richter des Obersten Gerichts entschieden dagegen, dass die Geschlechter-Klausel bereits im kommenden Frühjahr Gültigkeit erhält. Zur Begründung hieß es, die traditionelle Ausgrenzung von Frauen bei Wahlen könnte nicht durch Quoten behoben werden, sondern nur in allmählichen Schritten.

Der fünfte Richter Willy Mutunga sprach sich hingegen für eine Geschlechterquote bei den Wahlen im März aus. Nach Angaben der bekannten kenianischen Frauenrechtsaktivistin Rose Waruhiu, die früher dem Ostafrikanischen Parlament angehörte, ist das Urteil ein Schlag gegen die Gleichstellung von Frauen.

"Die Frauen in Kenia sehen dies als eklatanten und direkten Verstoß gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Die Idee einer verfassungsmäßigen Regierung wird durch das Urteil zur Farce. Dies ist die jüngste Beleidigung kenianischer Frauen, der Frauen in der ganzen Welt und des kenianischen Volkes", kritisierte Waruhiu.

Das Zentrum für Mehrparteien-Demokratie in Kenia riet daraufhin den politischen Parteien des Landes, umgehend vor den Ostafrikanischen Gerichtshof zu ziehen, um die kenianische Regierung dazu zu zwingen, der Gleichbehandlung der Geschlechter in Wahlämtern und anderen öffentlichen Positionen, für die Kandidaten ernannt würden, zu garantieren.

Wie der Vorsitzende des Zentrums, Justin Muturi, erklärte, hat Kenia diesen Grundsatz als einziges Land der Ostafrikanischen Gemeinschaft bisher nicht umgesetzt. "Wir müssen die Kenianer stärker für das Thema sensibilisieren. Ohne Frauen wird es im März 2013 keine Wahlen geben", sagte Muturi.


Warnung vor "Aushöhlung" der Verfassung

Das Oberste Gericht habe verhindert, dass das Verfassungsrecht über eine gerechte Repräsentation von Frauen Gültigkeit erlange. Damit habe das Oberste Gericht selbst gegen die Verfassung verstoßen, kritisierte der Aktivist. Es werde Zeit, dass das Volk, das die Souveränität ausübe, eine weitere "Unterhöhlung der Verfassungsklauseln" verhindere.

Waruhiu sprach bei dem Urteil sogar von "Betrug". "Die Frauen sind dadurch stark zurückgeworfen worden. Was noch wichtiger ist: Es handelt sich um kein Problem von Frauen, sondern um eine Angelegenheit, die unsere Verfassung tief berührt. Auf diese Weise wird der souveräne Wille des Volkes beleidigt", sagte die Politikerin, die Vize-Vorsitzende der Demokratischen Partei Kenias ist.

Die Frauen im Land akzeptierten es nicht, dass die Umsetzung ihrer verfassungsmäßig garantierten Rechte derart vernachlässigt werde, so Waruhiu. "Sie haben für die Unabhängigkeit gekämpft und tragen nach wie vor die größte Bürde beim Aufbau dieser Nation."

Ähnlich äußerte sich Winnie Lichuma, die Vorsitzende der Nationalen Kommission für die Gleichbehandlung der Geschlechter. Die Frauen müssten fordern, dass der Grundsatz sofort und nicht in Etappen umgesetzt wird, meinte sie. Wie Lichuma hervorhob, sind zurzeit nur 9,8 Prozent der Parlamentarier in Kenia weiblich. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://mywokenya.org/
http://www.cmd-kenya.org/
http://www.ipsnews.net/2012/12/no-women-no-elections/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2012