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FRAUEN/604: Afrika - Schmutzige Schultoiletten und Intoleranz, Mädchen kommen nicht zum Unterricht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2015

Afrika: Schmutzige Schultoiletten und Intoleranz - Mädchen kommen nicht zum Unterricht


Bild: © Angela Sevin, CC 2.0 via Wikimedia Commons

Schule in Kenia
Bild: © Angela Sevin, CC 2.0 via Wikimedia Commons

BERLIN (IPS) - Viele Mädchen in Entwicklungsländern fühlen sich gezwungen, die Schule ausfallen zu lassen, wenn sie ihre Periode haben. Ihnen stehen weder die nötigen Hygieneartikel noch saubere Schultoiletten zur Verfügung. Zudem haben sie in den schlecht beleuchteten Latrinen sexuelle Übergriffe zu befürchten.

Die britische Wissenschaftlerin Sarah Jewitt von der Universität Nottingham merkt in einem Beitrag für den Informationsdienst 'The Conversation Africa' an, dass die Vereinten Nationen richtig gehandelt haben, als sie die Menstruationshygiene in den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) berücksichtigten. Unter Artikel 6.2 der SDGs verpflichtet sich die Weltorganisation dazu, insbesondere Frauen und Mädchen gleichberechtigten Zugang zu angemessener Sanitärversorgung und Hygiene zu garantieren.


Unterricht schwänzen aus Scham

Jewitt und ihre Kollegin Harriet Ryley sprachen mit Schülerinnen und Lehrerinnen an neun Schulen in der drittgrößten kenianischen Stadt Kisumu, um herauszufinden, warum so viele Mädchen während der Menstruation in der Schule fehlen. Viele von ihnen gaben zu, lieber zu Hause oder in der Krankenstation der Schule zu bleiben, wenn sie Bauchkrämpfe hätten. Eine Lehrerin berichtete, dass Mädchen, die Monatsbinden zur Verfügung hätten, zum Unterricht kämen. Die anderen schämten sich und blieben weg.

Vor allem Mädchen aus armen Familien haben kaum Zugang zu solchen Hygieneartikeln. Eine Packung kostet umgerechnet etwa 0,79 bis 1,45 US-Dollar. Angesichts des durchschnittlichen Einkommens in Kenia von rund einem Dollar täglich können sich viele Familien Monatsbinden nicht leisten. Viele Mädchen benutzen stattdessen Lumpen und Tücher, oftmals ohne Unterwäsche, die ein Verrutschen verhindern könnte.

Mehrere Schülerinnen erklärten, sie wagten es nicht, während der Periode in den Pause draußen zu spielen. Eine von ihnen gab sogar an, aus Scham den ganzen Tag im Klassenzimmer sitzen zu bleiben. Andere meldeten sich in den Tagen nicht auf Fragen im Unterricht, weil sie beim Antworten aufstehen müssen. Sie wollen nicht riskieren, dass die Mitschüler möglicherweise ihre verschmutzte Schuluniform sehen.

Auf diesen Uniformen, die meistens aus hellem Stoff bestehen, sind bereits die kleinsten Flecken deutlich zu sehen. Viele Mädchen gestanden im Gespräch mit den beiden Wissenschaftlerinnen, dass sie Angst hätten, von anderen ausgelacht zu werden. In den Pausen sei es kaum möglich, die Kleidung auszuziehen und die Flecken auszuwaschen, erzählten sie.


Weder Wasser noch Seife in Schullatrinen

Ein Großteil der Schülerinnen besitzt keine zweite Uniform zum Wechseln. Zudem sind in den meisten Schulen die Latrinen nicht beleuchtet und haben keine Türen. Seife ist nicht vorhanden, und Wasser muss von weit her geholt werden. Die Mädchen erklärten, angesichts dieser schwierigen Umstände während der Menstruation lieber zu Hause zu bleiben, wo sie sich in privaten Räumen waschen könnten.

Schülerinnen, die angemessene Hygieneartikel benutzen können, kommen regelmäßiger zur Schule. Einige berichteten jedoch, diese Artikel von älteren Männern bekommen zu haben, die als Gegenleistung Sex verlangten. Auch in anderen Städten Kenias müssen Mädchen diese Erfahrung machen. Einige werden schwanger oder infizieren sich mit HIV/Aids.

Andere gaben an, sobald ihre Periode einsetze von den Eltern unter Druck gesetzt zu werden, damit sie nicht mehr zum Unterricht gehen. Stattdessen sollen sie im Haushalt helfen oder heiraten - aus Angst davor, dass die Töchter auf dem Schulweg Opfer sexueller Übergriffe würden. Mehrere Schülerinnen beschrieben Situationen, in denen sich Jungen auf den Toiletten versteckten, um sie zu belästigen oder sogar zu vergewaltigen.

Um die Missstände in Kisumu zu beheben, schlagen die Autorinnen der Studie eine bessere Beleuchtung der Latrinen vor sowie die Bereitstellung von Wäscheleinen zum Trocknen wiederverwendbarer Hygieneartikel und Schmerzmitteln gegen Bauchkrämpfe. In den Klassen sollten die Schüler zudem Fragen der Lehrer auch im Sitzen beantworten und Mädchen auch außerhalb der Pausen Toiletten aufsuchen dürfen. Zudem wird in der Studie angeregt, Schuluniformen aus dunkleren Stoffen zu schneidern oder den Uniformzwang ganz aufzuheben.

Nicht nur in Kisumu und in anderen Teilen Kenias haben Schülerinnen mit derartigen Problemen zu kämpfen. Wie mehrere Untersuchungen belegen, sind auch in anderen Teilen Subsahara-Afrikas die Sanitäranlagen nicht angemessen. (Ende/IPS/ck/13.10.2015)


Links:

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0016718514001638
http://www.popcouncil.org/uploads/pdfs/councilarticles/sfp/SFP292Mensch.pdf
http://cdr.lib.unc.edu/indexablecontent/uuid:5889da04-b412-4236-aab7-0e50793275f7

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2015

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