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FRAUEN/611: Syriens Aktivistinnen (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 134, 4/15

Syriens Aktivistinnen

Widerstandsstrategien in einer Konfliktzone

von Angelika Derfler


Während die aktuelle Berichterstattung die traumatischen und gefährlichen Fluchterlebnisse der nach Europa kommenden Syrer_innen beleuchtet, gibt es noch immer viele, die in Syrien geblieben sind. Auch Frauen, die sich in selbst organisierten Projekten für die Einhaltung von Menschenrechten und vor allem für Frauenrechte einsetzen. Angelika Derfler beschreibt im Folgenden Widerstandsstrategien von syrischen Feministinnen.


Syrerinnen waren von Beginn an ein wichtiger Teil der Revolution. Sie sind auf die Straße gegangen, um für Demokratie und Freiheit zu kämpfen. Als viele Männer vom Regime verhaftet wurden, haben deren Frauen, Töchter und Schwestern für ihre Freilassung demonstriert. Als die Revolution blutiger und gewaltsamer wurde, haben Frauen andere Möglichkeiten des politischen Protests gefunden.


Verfolgte Aktivistinnen

Syrische Feministinnen wie die Journalistin Rula Asad und die Bloggerin Razan Ghazzawi setzen sich durch ihre politischen Aktivitäten Verfolgungen aus und riskieren ihr Leben in einem autoritären Regime und Land, das sich im (Bürger-)Krieg befindet. Ghazzawi, die in Syrien unter ihrem eigenen Namen in sozialen Netzwerken und ihrem Blog regimekritische Beiträge schrieb, wurde mehrmals verhaftet. Inzwischen leben beide Frauen im Exil in Europa, ihre Aktivitäten im Widerstand gegen das Bashar-al-Assad-Regime haben sie nicht aufgegeben.

Weniger Glück hatte Razan Zaitouneh, politische Aktivistin und Menschenrechtsanwältin, die sich innerhalb Syriens für Frauenrechte und Rechte von politischen Gefangenen einsetzte. 2013 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und zwei weiteren Aktivist_innen des Violation Documentation Centers in Syria von bewaffneten Männern entführt. Ihre Familie weiß bis heute nichts über ihren Verbleib, obwohl der Hashtag #FreeRazan breite Aufmerksamkeit erregt hat. In Europa wurde sie durch die Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit 2011 bekannt.


"No Peace, No Democracy Without Us"

Es stechen aber nicht nur einzelne Aktivistinnen hervor - 2012 wurde ein Frauennetzwerk gegründet, das seit 2014 unter dem Namen Syrian Women's Forum for Peace bekannt ist. Das Forum besteht aus Gruppen in unterschiedlichen Regionen, die beispielsweise Workshops zu "Women and Leadership" organisieren, die den ersten syrischen Radiosender für und von Frauen - Radio Souriat FM - unterstützen, die Wände gemeinsam bunt bemalen, um zu zeigen, dass Syrien wieder aufgebaut werden und lebensfroh sein kann und Frauen dabei eine entscheidende Rolle einnehmen wollen.

Die Online-Aktivist_innen von Estayqazat zeigen, in ihren teilweise animierten Kurzfilmen syrische Feminist_innen und Aktivist_innen nicht nur im Kontext des Krieges. Mit den "Trilogy of Voice"-Videos machen sie auf die sexuelle Unterdrückung von Frauen aufmerksam, zeigen aber auch die Geschichte einer Mutter, die aufgrund ihrer Beteiligung an Demonstrationen verhaftet worden war.

Syrische Frauen sind nicht nur Opfer des Krieges, sondern kreativ in ihrem Bestreben, Veränderungen zu bewirken. Eine wichtige Forderung der syrischen Frauenorganisationen und Aktivistinnen: Frauen müssen in jegliche Friedensgespräche und -verhandlungen miteinbezogen werden.


Webtipps:
http://www.syriauntold.com/en
http://www.syriadeeply.org
http://razanghazzawi.org
http://www.syrianwomenforumforpeace.com
https://www.facebook.com/RadioSouriat
https://www.facebook.com/estayqazat


Zur Autorin: Angelika Derfler studiert Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Zurzeit macht sie ein Praktikum bei der Frauen*solidarität. Sie lebt in Wien.

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 134, 4/2015, S. 22
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2016

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