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GENDER/010: Frauen, Frieden, Sicherheit - zehn Jahre UN-Resolution 1325 (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 112, 2/10

Gender Counts
Frauen, Frieden, Sicherheit - zehn Jahre UN-Resolution 1325

Von Rita Schäfer


Am 30. Oktober 2000 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Jedoch ist die Bilanz nach zehn Jahren ernüchternd. Umso wichtiger ist es, den Einschätzungen lokaler Friedensaktivistinnen Gehör zu verschaffen. Schließlich hatte ihre internationale Lobbyarbeit den Impuls für diese Resolution gegeben.


Im Vorfeld des zehnten Jahrestages der UN-Resolution 1325 brachte OWEN, die mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung, in Berlin Friedensaktivistinnen aus dem Kaukasus, dem Balkan, aus Ostafrika und dem Nahen Osten zusammen. Gezielt waren auch einige Männer eingeladen worden, die innovative Programme zur Überwindung kriegerischer und gewaltgeprägter Männlichkeit entwickelt haben und sich in ihren Ländern für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Gemeinsam mit über 120 Teilnehmerlnnen diskutierten sie Ende Marz drei Tage lang über ihre Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Resolution.

Joanna Barelkowska, OWEN-Geschäftsführerin, erklärte die Zielsetzung: "Es geht um die Stärkung von Frauen und Männern in Friedensprozessen sowie die gender-sensible Entwicklung demokratischer Nachkriegsgesellschaften. Wir wollen ein Forum bieten für den Austausch untereinander und für Diskussionen mit politischen Entscheidungsträgern."


Frauen in Friedensprozessen

Die UN-Resolution 1325 verlangt die Mitwirkung von Frauen in Friedensprozessen, ihre stärkere Einbeziehung in Friedensmissionen und die Berücksichtigung von Gender-Aspekten bei allen Maßnahmen zur Friedenskonsolidierung. Konkret betrifft das die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration. Ziel ist es, die geschlechtsspezifische Gewalt in Nachkriegsgesellschaften zu reduzieren, Frauen und Mädchen besser zu schützen und ihre Partizipation an Friedensverhandlungen zu gewährleisten. Diese ehrgeizigen Ziele wurden aber bislang kaum verwirklicht. Das gestand sogar der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in seinen bisherigen Jahresberichten ein.

Ute Scheub vom Frauensicherheitsrat, einem Netzwerk deutscher Friedensexpertinnen, und Mitveranstalterin der Konferenz, kritisierte: "Nur etwa 3% der UN-Militärs, 8% der UN-Polizisten und 30% des zivilen Personals waren im Jahr 2009 Frauen." Zugleich prangerte Ute Scheub den geringen Frauenanteil bei Friedensverhandlungen an: "Nur 7,5% der Verhandler waren weiblich; zu den Unterzeichnern gehörten nicht mal 3% Frauen."


Nationale und internationale Akteure

Seit langem bemängelt der Frauensicherheitsrat, dass erst wenige Länder den Appellen des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan gefolgt sind und nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Resolution 1325 verabschiedet haben. Auch die ugandische Friedensaktivistin Ruth Ojiambo Ochieng gab zu bedenken: "Nationale Aktionspläne können verhindern, dass Entwicklungsgelder von korrupten Eliten in Nachkriegsländern veruntreut werden." Ruth Ojiambo Ochieng weiß, wovon sie spricht. Schließlich leitet sie seit vielen Jahren die Organisation ISIS/WICCI in Kampala, die mit vielfältigen Programmen Frauen in Nachkriegssituationen unterstützt. Dennoch lehnten Vertreter der deutschen Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan weiterhin ab. Sie verwiesen auf zahlreiche Einzelprojekte insbesondere im Gender-Training.

Gegensätzlich waren auch die Einschätzungen zivilgesellschaftlicher und internationaler Akteurinnen zu den sexuellen Übergriffen durch Blauhelmsoldaten. Etliche Vertreterinnen unterschiedlicher Frauenorganisationen verurteilten das Fehlverhalten von UN-Friedenstruppen. Sie kritisierten, dass zwischen 2007 und 2009 450 Fälle dokumentiert wurden. Von denen wurden nur 29 weiter verfolgt und die Dunkelziffer ist weitaus höher. Dem entgegnete Comfort Lamptey, Gender-Beraterin der UN-Abteilung für Friedensmissionen: "Es ist Aufgabe der Frauenorganisationen, in den Entsendeländern für die strafrechtliche Verfolgung dieser Soldaten zu sorgen." Angesichts der Tatsache, dass vor allem Länder wie Pakistan Kontingente für UN-Friedensmissionen stellen und Frauenrechtlerinnen dort bereits massiv angefeindet werden, stieß diese Delegierung der Verantwortung auf großes Unverständnis.


Stärkung lokaler Friedensaktivistinnen

In vielen Ländern werden Friedensaktivistinnen persönlich bedroht. Es passt herrschenden Eliten nicht, dass sie sich für die Aussöhnung zwischen gesellschaftlichen Gruppen einsetzen, die sich zuvor bekämpft haben. Auch ihre Bemühungen, grenzübergreifende Dialoge zwischen verfeindeten Nachbarländern in Gang zu bringen, sorgt vielerorts für Skepsis. Damit sind Friedensstifterinnen im Kaukasus, in Südost-Europa und im Nahen Osten konfrontiert. So veranstaltet die Organisation Al-Tariq unter schwierigen Bedingungen Friedenscamps für palästinensische und israelische Jugendliche. Durch solche Begegnungen wird versucht, der Militarisierung beider Gesellschaften durch gewaltfreie Konfliktiösungen gegenzusteuern. Diesem Ziel widmet sich auch die Organisation New Profile, die sich auf die israelische Gesellschaft konzentriert. Sie strebt eine Überwindung der Militarisierung und des Sexismus an, zumal beide Probleme sich wechselseitig verstärken. Vertreterinnen dieser Organisationen berichteten über ihre Projekte, die auf Einstellungsveränderungen abzielen. Gleichzeitig wiesen sie eindrücklich auf die enormen Probleme hin, die sie tagtäglich bewältigen müssen. Schließlich sind die Geschlechterkonflikte durch die komplizierten und langjährigen politischen Konflikte gewaltsam aufgeladen.

Damit ist auch Flora Macula im Kosovo konfrontiert, die durch ihren öffentlichen Bekanntheitsgrad und ihre internationale Verankerung Rückhalt erfährt. Sie arbeitet für UNIFEM im Kosovo und kooperiert grenzübergreifend mit serbischen Frauenorganisationen. Zudem pflegt sie Kontakte mit Frauenrechtlerinnen in Bosnien-Herzegowina. Flora Macula erklärte: "Viele Frauenorganisationen sind sehr aktiv in der Advocacy-Arbeit. Sie fordern Geschlechtergerechtigkeit, Frauenrechte und Frieden. Sie leisten wichtige Beiträge zu Demokratisierungsprozessen und inter-ethnischen Dialogen." Ihr besonderes Anliegen sind geschlechtergerechte Rechtsreformen und politische Strukturveränderungen. "Wir müssen die politische Repräsentanz von Frauen stärken und dafür sorgen, dass ihre Interessen bei Entwicklungsplanungen berücksichtigt werden", führt Flora Macula aus. Um das zu erreichen, muss der geschlechtsspezifischen Gewalt Einhalt geboten werden. Die Gender-Expertin betont: "Die Gewalt ist ein zentrales Problem, das Frauen aller Ethnien betrifft. Die Überwindung der Gewalt eint Frauen unterschiedlicher Herkunft." Flora Macula unterstreicht, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die Umsetzung der UN-Resolution 1325 auf nationaler Ebene als kritische Beobachter verfolgen sollten. Dafür seien Vernetzungen auf regionaler Ebene notwendig.

Nicht nur in den Nachkriegsländern im Süd-Osten Europas, sondern auch auf anderen Kontinenten sind die dringlichsten Herausforderungen: der Schutz vor Gewalt, die Verwirklichung von Frauen-/Menschenrechten und umfassende Entwicklungsprogramme. Die Konferenz "Gender Counts" bot den Vertreterinnen von Frauenorganisationen die Möglichkeit, sich über ihre Strategien auszutauschen. Zudem diskutierten sie intensiv über die vielschichtigen Strukturprobleme im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1325.


Webtipps:
www.owen-berlin.de
www.ffrauensicherheitsrat.de


Zur Autorin:
Rita Schäfer ist freiberufliche Ethnologin und Buchautorin (Frauen und Kriege in Afrika, (2008); Im Schatten der Apartheid (2008)). Sie unterrichtet derzeit an der Freien Universität Berlin.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 112, 2/2010, S. 24-25
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
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Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2010