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GENDER/013: Vergewaltigungen in der US-Armee - Militärrecht schützt die Täter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2011

Frauen: Vergewaltigungen in der US-Armee - Militärrecht schützt die Täter

Von Kanya D'Almeida


New York, 21. Februar (IPS) - US-Präsident Barack Obama hatte im letzten Jahr in einer Ansprache an die Kadetten der Militärakademie West Point die bedeutende Rolle betont, die weibliche Militärs für die Sicherheit ihres Landes spielen. Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass den Frauen in Uniform ihre Leistungen für die Sicherheit des Landes nur allzu schlecht gedankt werden. Sie sind doppelt so häufig als andere Frauen sexueller Gewalt ausgesetzt, ohne dass sie Hilfe von ihrem Arbeitgeber erwarten können.

2007 berichtete das Verteidigungsministerium von 2.200 Vergewaltigungen innerhalb der Streitkräfte, 2009 von 3.300 Fällen. Jede dritte Frau, die in der US-amerikanischen Armee Dienst tut, sieht sich im Verlauf ihrer Dienstzeit mindestens ein Mal mit sexueller Gewalt konfrontiert. 37 Prozent der Opfer wurden mehrfach und 14 Prozent gruppenvergewaltigt.

Ebenso erschreckend ist das Klima der Straffreiheit, das diese Verbrechen umgibt. Einer Untersuchung zufolge, die 2010 von dem arabischen Nachrichtenssender Al Dschasira veröffentlicht wurde, werden 50 Prozent der Vergewaltigungsfälle aus Mangel an 'Beweisen' oder Informationen aufgegeben. Zudem kommen die meisten Täter in zehn Prozent der Fälle, die überhaupt strafrechtlich verfolgt werden, mit einem kleinen Bußgeld oder einer Rangdegradierung davon. In 80 Prozent wurden die Angeklagten ehrenhaft aus der Armee entlassen.

Unter Berufung auf das 'Freedom of Information Act' (FOIA) hatten die US-amerikanischen Menschenrechtsorganisationen 'American Civil Liberties Union' (ACLU) und das 'Service Women's Action Network' das Pentagon und die Veteranen-Behörde um Auskunft zu den Vorwürfen ersucht. FOIA verpflichtet staatliche Einrichtungen dazu, der Öffentlichkeit einen größtmöglichen und umfassenden Zugang zu Informationen zu gewährleisten. Da eine Reaktion ausgeblieben war, reichten sie inzwischen Klage gegen die beiden Behörden ein.

Nach Angaben der ACLU-Sprecerin Sandra Park geht es beiden Organisationen darum, das ganze Ausmaß der Verbrechen zu erfassen, die an weiblichen Angehörigen der Streitkräfte verübt werden. "Und wir wollen wissen, wie Verteidigungsministerium und Veteranenbehörde auf sexuelle Übergriffe in ihren Reihen reagieren."


Opferfeindliches System

Doch sorgen zahlreiche Mechanismen innerhalb der Streitkräfte dafür, dass die Opfer sexueller Gewalt in der Armee nicht zu ihrem Recht kommen. So kritisiert die Hilfsorganisation 'Pack Parachute', die sexuell traumatisierte Armeeangehörige betreut, das ganze Verteidigungssystem sei feindlich und archaisch und diene weitgehend den Interessen der Täter. Vergewaltigungsfälle würden häufig ignoriert oder äußerst halbherzig vom Militär recherchiert.

Ein Problem ist, dass Anzeigen von Opfern sexueller Übergriffe innerhalb des Armeesystems den zuständigen Kommandanten als Führungsschwäche angelastet werden. Aus Angst vor einer schlechten Bewertung werden diese Verbrechen deshalb gern unter den Teppich gekehrt. Frauen jedoch, die sich nicht abschütteln lassen, müssen mit ihrer Entlassung oder sogar mit direkten Einschüchterungsmaßnahmen rechnen.

Parachute-Exekutivdirektorin Kira Mountjoy-Pepka kritisiert in diesem Zusammenhang auch die sogenannte Feres-Doktrin. Das Gesetz von 1950 macht es quasi unmöglich, ohne eine schriftliche Zustimmung von höchster militärischer Stelle die Streitkräfte für verschleppte Ermittlungen zu verklagen. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://servicewomen.org
http://www.packparachute.org/
http://www.aclu.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54485

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2011