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INTERNATIONAL/141: Bolivien - Armut in erdgasreicher Region, Bewohner profitieren von Reichtum nicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2013

Bolivien: Armut in erdgasreicher Region - Bewohner profitieren von Reichtum nicht

von Franz Chávez



La Paz, 14. Februar (IPS) - Caraparí liegt mitten im südbolivianischen Departement Tarija, in der sogenannten Chaco-Region. Ein Drittel der Gasexporte des südamerikanischen Landes stammen aus Caraparí. Doch die rund 19.000 Bewohner der Gemeinde haben nichts von dem Gasreichtum: Weder werden sie an den Einnahmen beteiligt, noch haben sie selbst Zugang zu Gas oder Öl.

Die riesigen Gasreserven in Caraparí wurden erst vor 25 Jahren entdeckt. Vor sechs Jahren verstaatlichte die Regierung von Staatspräsident Evo Morales das Gasfeld, das mehr als 1.000 Kilometer südlich der Hauptstadt La Paz im bolivianischen Amazonasgebiet liegt. Seitdem sind die jährlichen Einnahmen aus dem Sektor von 673 Millionen US-Dollar (2005) auf 4,2 Milliarden US-Dollar (2012) geklettert, wie Präsident Morales am 22. Januar im Parlament berichtete.

Bolivien versorgt vor allem die Nachbarländer mit Erdgas: Pro Jahr exportiert das Land rund 30 Millionen Kubikmeter nach Brasilien und sieben Millionen nach Argentinien. Die Bevölkerung von Caraparí hat davon wenig. Um selbst Gas oder Öl kaufen zu können, müssen die Menschen 50 Kilometer nach Yacuiba fahren, einer kleinen Stadt an der Grenze zu Argentinien. Händler verlangen dort bis zu 7,20 Dollar für einen Zehn-Kilogramm-Container Gas, während der offizielle Preis bei 3,20 Dollar liegt.


Generalstreik erzielt Erfolge

Um auf diese unmögliche Situation aufmerksam zu machen, riefen die Gewerkschaften in der letzten Januarwoche zum Generalstreik in Caraparí auf. Die Regierung reagierte prompt: mit dem Versprechen, bis Oktober auch in Caraparí eine Zapfsäule aufzustellen. Die Stadt hat zwar bereits bis zum Jahr 2008 ihre Einnahmen aus dem Gas- und Ölgeschäft von 134.417 US-Dollar auf 1,4 Millionen Dollar erhöht, aber der Lokalregierung ist es gesetzlich untersagt, das Geld für die Aufstellung von Zapfsäulen zu verwenden. "Wir haben keine andere Wahl, als in Yacuiba Öl zu kaufen. Das geht aber nur tagsüber - abends lässt man uns kein Öl transportieren, die Polizei verbietet das", sagt Ermas Pérez, Bürgermeister von Caraparí, gegenüber IPS.

Pérez ist stolz auf die Errungenschaften seiner Stadt. Sie sei die erste in Bolivien gewesen, die in den Schulen kostenloses Frühstück und Mittagessen ausgeteilt habe. Auch die Bildungs- und Gesundheitssysteme seien vorzeigbar. Doch der Bürgermeister wünscht sich noch mehr. Er möchte Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft einführen und in landwirtschaftliche Maschinen investieren.

Der Generalstreik sei kein politischer Akt gewesen, meint der Journalist Elton Lenz. Man habe einfach um einen würdevollen Umgang gebeten: denen Gas zu geben, die in der erdgasreichsten Region Boliviens leben.


Holz statt Gas

"Es heißt, dass wir das größte Pro-Kopf-Einkommen Boliviens vorweisen können, aber wir haben hier auch große Armut. Viele Menschen müssen ihre Öfen mit Holz befeuern, weil sie nicht an Flüssiggas herankommen", sagt Lenz. Im Mai 2012 sei eine Lieferung nach Caraparí gebracht worden, doch nur 160 Familien hätten davon profitiert.

Der Ökonom Julio Alvarado kritisiert, dass die Verstaatlichung des Ölgeschäfts in Bolivien keine großen Veränderungen mit sich gebracht habe. "Wir exportieren den Rohstoff und lassen ihn von anderen veredeln." Der Bevölkerung gehe es heute teilweise schlechter als vorher. Das Bruttoinlandsprodukt sei im vergangenen Jahr um fünf Prozent gewachsen. Doch das Geld werde weder genutzt, um die Entwicklung des Landes voranzutreiben, noch um die Produktivkräfte zu stärken.

"Die Sozialpolitik wird vollkommen vernachlässigt", sagt der Journalist Lenz. "Die Politik investiert in Zement, aber nicht in Sozialprogramme." In Caraparí und Umgebung koste ein Viertel Liter Limonade 1,20 US-Dollar und eine Schüssel Suppe zwei Dollar. In der Hauptstadt La Paz liegen die Preise bei weniger als der Hälfte. (Ende/IPS/jt/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/02/in-the-land-of-gas-the-residents-have-none/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2013