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INTERNATIONAL/150: Mexiko - sexueller Missbrauch durch Kirchenvertreter ungesühnt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Juli 2013

Mexiko: Sexueller Missbrauch durch Kirchenvertreter ungesühnt - Staat soll vor UN-Kinderrechtskomitee Rechenschaft ablegen

Von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 26. Juli 2013 (IPS) - Menschenrechtsorganisationen in Mexiko werfen den Behörden vor, nichts gegen pädophile Priester, Ordensangehörige und Kirchenmitarbeiter zu unternehmen. Das sei ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention und somit ein Fall für das UN-Kinderrechtskomitee.

Der UN-Ausschuss ist für die Überwachung der Einhaltung des Abkommens von 1989 zuständig. Da er in seiner 62. Sitzungsperiode vom 14. Januar bis 1. Februar die USA für deren Untätigkeit im Umgang mit klerikalen Kinderschändern heftig kritisiert hatte, hoffen die mexikanischen Organisationen, dass nun auch Mexiko zur Rede gestellt werden wird. Dem 18-köpfigen UN-Kinderrechtskomitee gehören auch zwei Lateinamerikaner an: Sara de Jesús Oviedo aus Ecuador und Wanderlino Nogueira Neto aus Brasilien.

"Es existiert ein hohes Maß an Straffreiheit, und es gibt deutliche Hinweise für eine Zusammenarbeit von Behörden und Katholischer Kirche, um eine strafrechtliche Verfolgung der Schuldigen zu verhindern", sagte Juan Martín Pérez vom Netzwerk für Kinderrechte in Mexiko. "Gerade die Beispielfälle zeigen die Allmacht der Kirche. Sie ist so stark, dass sich niemand an sie heran traut", kritisierte der Aktivist. "Doch der Staat ist dazu verpflichtet, für den Schutz der Kinder zu sorgen, ob sie sich nun in der Schule, in der Familie oder in der Kirche aufhalten."


Sexueller Missbrauch durch Priester in Kinderrechtsberichten ausgespart

Die mexikanische Regierung hat im letzten Monat mit mehr als zwei Jahren Verspätung ihren vierten und fünften periodischen Bericht eingereicht. Das Thema sexueller Missbrauch von Kindern durch Kirchenangehörige wurde jedoch völlig ausgespart. "Der Staat bleibt untätig, und die Kirche stellt sich vor ihre Priester und tauscht sie bestenfalls aus, ohne die Auseinandersetzung mit dem Thema zu suchen geschweige denn, sich bei den Opfern zu entschuldigen", betonte Nahieli Ramírez von der Menschenrechtsorganisation 'Ririki Intervención Social'.

Zum Skandal um pädophile Kirchenmitglieder war es zunächst in den USA 2002 gekommen. Dann gingen Opfer in europäischen Ländern wie Deutschland, Irland und Belgien sowie in Lateinamerika, vor allem in Mexiko und Chile, an die Öffentlichkeit.

Nach Angaben der Mexikanischen Bischofskonferenz (CEM) werden in den 145 mexikanischen Priesterseminaren derzeit 5.000 Priesteramtsanwärter ausgebildet. In dem 118 Millionen Menschen zählenden Land, in dem 39 Millionen keine 18 Jahre alt sind, gibt es 15.000 Geistliche.

Mexikos katholische Kirche hat zugesichert, sich an die neuen Vorgaben des Vatikans zu halten, die weitere Übergriffe auf Minderjährige verhindern sollen und striktere Strafen für die Täter vorsehen. Papst Franziskus hatte am 11. Juli bekannt gegeben, dass der Kodex des Kanonischen Rechts zugunsten einer Strafverschärfung in Fällen von Kinderschändung, Kinderpornographie und Prostitution von Minderjährigen reformiert wird. Die Reform soll im September in Kraft treten.

Im April 2012 hatte die CEM Maßnahmen zugestimmt, die sexuellen Übergriffen vorbeugen und sie bekämpfen sollen. Dazu gehören auch Leitlinien für die Auswahl der Priesteramtskandidaten. Sie sollen bei der Beurteilung helfen, ob die Anwärter menschlich, psychologisch und spirituell für die Ausübung des Priesteramts geeignet sind. Damit befolgt die CEM einen Aufruf der Kongregation für die Glaubenslehre des Vatikans, die alle Bistümer weltweit im Mai 2011 angewiesen hatte, Vorgaben im Umgang mit solchen Übergriffen zu entwickeln.

Das UN-Kinderrechtskomitee hat sich bereits "zutiefst besorgt" über Informationen über das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und Leiter religiöser Organisationen und Institutionen gezeigt und die Untätigkeit von staatlicher Seite, den Fällen adäquat nachzugehen und die Täter zu bestrafen.


Vatikan zu detaillierten Informationen aufgefordert

Auch der Vatikan wird einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. So hat das Komitee dem Heiligen Stuhl eine Frist bis November gesetzt, Fragen über die Maßnahmen zu beantworten, mit denen man gegen die schuldigen Kirchenangehörigen vorzugehen gedenke. Mit Blick auf die 65. Sitzungsperiode vom 13. bis 31. Januar hat das UN-Revisionskomitee den Vatikan aufgefordert, "detailliert" über sexuelle Übergriffe von Mitgliedern des Klerus und über Maßnahmen, Untersuchungen und rechtliche Schritte gegen die Täter und Hilfeleistungen für die Opfer zu informieren.

Wie schon 2005 in ihrem Schattenbericht für das Komitee werfen die mexikanischen Kinderrechtler der katholischen Hierarchie vor, Informationen geheim- und zurückgehalten und auf diese Weise Opfer daran gehindert zu haben, ihre Peiniger anzuzeigen.

Der mexikanische Senat hatte 2010 einer Bundesgesetzreform zum Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen zugestimmt, um den Tatbestand des Kindesmissbrauchs zu schaffen. Das Gesetz sieht vor, dass religiöse Vereinigungen sexuellen Missbrauch durch Priester zur Anzeige bringen müssen, wollen sie ihre Lizenz nicht verlieren. Doch den Experten zufolge können weder Staat noch Kirche in dieser Hinsicht konkrete Ergebnisse vorlegen.

"Der Staat muss Mechanismen zum Schutz von Kindern schaffen und dafür sorgen, dass die Täter nicht straffrei davonkommen und dass das Zivilrecht dahingehend verändert wird, dass nicht die Aggressoren, sondern die Opfer geschützt werden", forderte Pérez.

Die mexikanischen Menschenrechtsorganisationen arbeiten bereits an ihrem Schattenbericht für das UN-Kinderrechtskomitee, das Mexiko in seiner 69. Sitzungsperiode im Mai und Juni 2015 bewerten wird. Sie werden darin auch auf die Sexualverbrechen von Priestern eingehen.

Das internationale Netzwerk der Überlebenden von Übergriffen von Priestern hat in Mexiko mindestens 65 Geistliche identifiziert, die Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben. Kein einziger von ihnen hat je ein Gefängnis betreten. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:
http://www.derechosinfancia.org.mx/
http://www2.ohchr.org/english/bodies/crc/crcwg69.htm
http://www.ririki.org.mx/
http://www.cem.org.mx/
http://www.snapnetwork.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/activistas-reclaman-justicia-por-pederastia-clerical-en-mexico/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013