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KIND/091: Kambodscha - Kinder zu Küchenchefs, ein Rezept gegen die Obdachlosigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. August 2013

Kambodscha: Kinder zu Küchenchefs - Ein Rezept gegen die Obdachlosigkeit

von Simba Shani Kamaria Russeau


Bild: © Simba Shani Kamaria Russeau/IPS

Im Romdeng-Restaurant
Bild: © Simba Shani Kamaria Russeau/IPS

Phnom Penh, 19. August (IPS) - Samlain Chey war vier, als seine Eltern starben und er obdachlos wurde. Viele Jahre lebte er auf den Straßen in der Nähe des Königspalastes in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Dann traf er einen Sozialarbeiter von 'Mith Samlanh' ('Freunde'). Inzwischen ist er 22 Jahre alt, hat eine Ausbildung zum Koch absolviert und bringt Straßenkindern bei, traditionelle Khmer-Gerichte zu kochen.

Die Hilfsorganisation Mith Samlanh geht innovative Wege, um junge Obdachlose gesellschaftlich, beruflich und kulturell zu integrieren. Sie holt Kinder und Jugendliche von der Straße und bildet sie in ihren Lehrküchen 'Romdeng' und 'Freunde' zu Köchen aus. Abgesehen davon, dass die beiden Einrichtungen die Armen der Stadt verköstigen, leisten sie auch einen lokal und international anerkannten Beitrag zur neuen und traditionellen Khmer-Küche.

Als die Mith Samlanh-Mitarbeiter sich Samlains annahmen, war er 15 Jahre alt. "Man gab mir ein Dach über dem Kopf und brachte mir bei, traditionelle Khmer-Gerichte zuzubereiten", erzählt er im IPS- Gespräch. "Schon nach einem Monat wusste ich, dass ich Koch werden und mein eigenes Restaurant eröffnen wollte."


Promotorenprojekt

Nach der dreijährigen Ausbildung erhielt Samlain das Angebot, anderen Straßenkindern das Kochen beizubringen. Er war begeistert. "Für junge Menschen ist das Leben auf der Straße sehr hart. Sie haben nie genug zu essen, es gibt keine Sicherheit, und sie beginnen, Drogen zu nehmen. Und niemand kümmert sich um ihre Zukunft", weiß er aus eigener Erfahrung. "Ich bin sehr glücklich, dass ich hier arbeiten kann", sagt Samlain. "Ich erzähle den Lehrlingen meine Geschichte und gebe ihnen damit das Gefühl, dass es sich lohnt, weiterzumachen."

44,3 Prozent der 15 Millionen Kambodschaner sind unter 18 Jahre alt. Nach amtlichen Zahlen leben 35 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze von 45 US-Cent pro Kopf und Tag. Das Weltkinderhilfswerk UNICEF gibt die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die auf den Straßen von Phnom Penh arbeiten, mit bis zu 20.000 an.

Die 17-jährige Bopha gehörte einst dazu. Mit 14 Jahren trug sie zum Einkommen ihrer achtköpfigen Familie bei, die auf der Straße Kuchen verkauft. "Unser Leben war nicht einfach. Es gab Zeiten, da fehlte uns das Geld, um Essen zu kaufen. Und an Schule war gar nicht zu denken."

Auch für Bopha wurde alles anders, als sie von Mith Samlanh 'entdeckt' wurde. Wieder war es ein Sozialarbeiter, der mit dem Teeanger ins Gespräch kam. "Er fragte mich, ob ich Interesse an Computerkenntnissen hätte und gerne lernen würde, wie man traditionell kocht", berichtet sie IPS. Nach anfänglichem Zögern - sie wollte ihre Familie nicht im Stich lassen - nahm sie das Angebot schließlich an.

In Kambodscha ist es schwer, Arbeit zu finden. Die Wirtschaft des Landes kann die jährlich 400.000 Menschen, die auf den Arbeitsmarkt strömen, nicht aufnehmen. Dem Arbeitsministerium zufolge emigrieren jährlich zwischen 200.000 und 300.000 junge Kambodschaner in Ermangelung von Ausbildungs- und Berufsangeboten, um dann im Ausland als ungelernte Kraft einen Job im Niedriglohnsektor zu finden.

"Straßenkinder haben ihr Recht auf Bildung verloren", meint Menghourng Ngo, Sprecher des Freunde-Restaurants. "Wir bieten Drei- bis 14-Jährigen eine Perspektive, indem wir sie für die Integration ins öffentliche Schulsystem vorb[e]reiten. Da die 15- bis 24-Jährigen mehr an einem Einstieg ins Berufsleben interessiert sind, bieten wir ihnen in unserem Zentrum Ausbildungsmöglichkeiten an."


Stolz auf die eigene Kultur

Die Schulungskurse sind darauf ausgerichtet, den jungen Menschen Selbstvertrauen, Hygiene- und gastronomische Kenntnisse zu vermitteln", sagt er. "Später helfen wir ihnen bei der Jobsuche. Wir sind Khmer. Es geht uns deshalb auch darum, diesen jungen Menschen zu zeigen, dass sie stolz auf ihre Kultur sein können."

Die vielen jungen Leute mit ihren vielfältigen Problemen werden inzwischen von der Politik umworben. Immerhin stellen Kambodschaner unter 25 Jahre fast die Hälfte der Wahlberechtigten. Die Forderung, Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu ergreifen, hat Kambodschas Nationaler Rettungspartei (CNRP) viel Zuspruch verschafft. Dass Ministerpräsident Hun Sen bei den letzten Wahlen 22 Prozent der Stimmen verloren hat, ist als Botschaft an die regierende Partei verstanden worden, mehr für die jungen Leute im Lande zu tun.

"Ich träume davon, dass es meiner Familie einmal besser gehen wird. Irgendwann möchte ich ein eigenes Haus und ein Geschäft haben und internationales Interesse an der Khmer-Küche wecken", sagt Bopha. "Seit ich zu Mith Samlanh gekommen bin, blicke ich zuversichtlicher in die Zukunft. Ich verfüge jetzt über die Fähigkeiten, meine Träume wahr werden zu lassen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.mithsamlanh.org/
http://www.ipsnews.net/2013/08/one-recipe-for-the-homeless/

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IPS-Tagesdienst vom 19. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2013