Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → TICKER

AL-ARAKIB/003: Bewohner von Al-Arakib vertrieben, um Platz für Bäume zu schaffen (Salem-News.com)


Salem-News.com - 17. Januar 2011

Bewohner von Al-Arakib vertrieben, um Platz für Bäume zu schaffen


Es handelt sich hier schlicht und einfach um ethnische Säuberung. Sie vertreiben Menschen, zerstören ihre Bleibe und versuchen, jeden Hinweis auf ihre Existenz auszulöschen.

(AL-ARAKIB, Besetztes Palästina) - Am Sonntag, den 16. Januar 2011, verwüstete die israelische Landverwaltungsbehörde (ILA) begleitet von massiver Polizeipräsens das Beduinendorf Al-Arakib zum 9. Mal seit seiner kompletten Zerstörung im Juli 2010. Bei der Zerstörung des Ortes setzten die Polizeikräfte umfangreich massive Gewalt ein, unter anderem Schaumgummigeschosse (eine Polizeimethode zur Auflösung von Menschenansammlungen), die elf der Anwohner verletzten, einen von ihnen am Auge.

Es hat diesmal den Anschein, als habe die ILA beschlossen, die Bewohner ein für allemal zu vertreiben. Das bestätigt sich durch die Erklärungen von Shlomo Zeiser, dem für Inspektionen zuständigen ILA-Beamten, in einem Interview mit der Nachrichtenwebsite "Walla": "Zusätzlich zu den aktuellen Arbeiten, haben wir den Schutt der vorangegangenen Abrisse beseitigt, der eine Gefahr für die Umwelt und ein Sicherheitsrisiko darstellte. Gleichzeitig haben wir angefangen, den Platz für die Pflanzung vorzubereiten, die das Land dort schützen soll."

Während der Zerstörungsaktion verhaftete die Polizei eine Reihe von Anwohnern, die gegen die Zerstörung ihrer Behausungen protestierten. Die ILA-Bediensteten begannen, parallel zum Abriß die Überreste der vergangenen acht Zerstörungsaktionen fortzuschaffen und leiteten die Bauarbeiten zur Begradigung des Bodens ein, der für die Anpflanzung von Bäumen vorbereitet werden sollte. Aktivisten, die heute Morgen (Montag, der 17.) in das Dorf kamen, um die Ereignisse zu beobachten und zu dokumentieren, wurden von Polizeikräften aufgehalten und einer von ihnen, Professor Gadi Algazi, Historiker an der Universität Tel Aviv und Aktivist der Hithabrut-Tarabut-Bewegung [1], wurde von der Polizei festgenommen.

Den Ort Al-Arakib gibt es seit 80 Jahren. Anfang der 1950er Jahre forderte der neue israelische Staat die Bewohner unter dem Versprechen, man würde ihnen nach sechs Monaten die Rückkehr erlauben, auf, ihr Dorf vorübergehend zu verlassen. Dieses Versprechen wurde nie erfüllt. Anfang der 1990er Jahre beschlossen die Dorfbewohner und ihre Nachkommen, auf ihr Land zurückzukehren und das Versprechen, das ihnen gemacht worden war, durchzusetzen. Seitdem versucht sie die israelische Regierung mit unterschiedlichen Mitteln wieder zu vertreiben. Einer der verwerflichsten Versuche bestand in der Entsendung von Flugzeugen, von denen aus die Weizenfelder der Bewohner mit einer Schicht giftiger Unkrautvernichtungsmittel bedeckt wurden. Nachdem das Oberste Gericht entschieden hatte, daß diese Methode eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellt, gab die Regierung diese Verfahrensweise auf und begann Traktoren einzusetzen, um die jungen Weizensprößlinge herauszureißen. Als den Behörden klarwurde, daß die Bewohner von Al-Arakib unerschütterlich an ihrem Grund und Boden festhalten und nicht aufgeben würden, schickte die Regierung Hunderte schwerbewaffneter Polizisten sowie Bulldozer zur Zerstörung des Ortes und gewaltsamen Vertreibung der Bewohner. Die erste Zerstörungsaktion, bei der eine dichtbesiedelte Ortschaft einschließlich der Wohnhäuser, Scheunen, Obstgärten und Ställe verwüstet wurde, fand am 27. Juli 2010 statt.

Die Bewohner kehrten zurück und bauten sich Unterkünfte, und die Behörden kamen wieder und zerstörten diese achtmal. Nach der zweiten Zerstörungsaktion wurde Sheikh Siyakh Al-Turi, der Anführer des Dorfes, des Ortes verwiesen, und die Rückkehr auf das Dorfgebiet wurde ihm untersagt. Al-Turi war gezwungen, sich auf dem Friedhof des Ortes einzurichten. Von diesem Friedhof aus schickte er den Einwohnern Israels eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung [2], in der er erklärte, warum es sich bei den Beduinen nicht um Eindringlinge handelt, und die Regierung aufrief, die Zerstörung einzustellen.

Die aktuellen Zerstörungen geschehen nicht zufällig. Sie sind Teil des 30-Tage-Plans [3], des Plans zur 'Befreiung' der Negev von seinen beduinischen Bewohnern. Auch die letzte Zerstörungsaktion ist Teil dieses Plans. Was derzeit in Al-Arakib geschieht, ist nichts Neues in der Geschichte des Staates Israel. Das Land von seinen ursprünglichen Bewohnern sowie von allen Überresten ihrer strukturellen Existenz, ihres Ackerlandes, der Bäume und von allem weiteren zu 'säubern' und es dann mit Bäumen zu bedecken, ist eine Praxis, die auch an vielen anderen Plätzen in Israel zum Einsatz kam. Nach dem Krieg 1967 wurden zum Beispiel die arabischen Orte Yalo und Imwaas in der Region Latrun vollkommen zerstört und die Bäume des "Canada Parks" auf ihren Ruinen gepflanzt. Und in Dutzenden anderen Fällen ging es genauso vor sich. Und nun sieht es so aus, als versuche der Staat, jede Spur, die auf die Existenz der Bewohner von Al-Arakib hinweist, auszulöschen, und jegliche Verbindung, die sie zu diesem Ort haben, zu leugnen.

Genau in diesem Moment hat man die Dorfbewohner auf dem örtlichen Friedhof versammelt, von dem aus man den Ort überblickt, auf dem gleichen Friedhof, den sie seit 80 Jahren benutzen. Man hat ihnen verboten, sich dem, was von ihrem Dorf geblieben ist, zu nähern. Vom Friedhof aus können sie die Bulldozer und die anderen schweren Maschinen beobachten, die ihr Dorf unermüdlich einebnen und jedes Überbleibsel der menschlichen Geschichte dieses Ortes auslöschen. Angestellte des Jüdischen Nationalfonds (Keren Kayemet Le'Israel) bereiten bereits den Boden zum Pflanzen vor, und wenn wir sie nicht aufhalten, bevor es zu spät ist, wird das Dorfgebiet von Donnerstag an mit grünen Setzlingen übersäht sein - in Erwartung des Tu BiShvat, des Festes der Bäume.

Wir können nicht zulassen, daß das geschieht. Es handelt sich hier schlicht und einfach um ethnische Säuberung. Sie vertreiben Menschen, zerstören ihre Bleibe und versuchen, jeden Hinweis auf ihre Existenz auszulöschen. Es ist ein Versuch, die Geschichte des Zionismus neu zu schreiben und nachträglich den zionistischen Wahlspruch zu bestätigen: "Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land." Aber das Land war bewohnt. Die Bewohner von Al-Arakib sind lebendes Zeugnis dafür, und vielleicht sind die Behörden aus diesem Grund so entschlossen und brutal in ihren Versuchen, sie von ihrem eigenen Land zu vertreiben.


[1] http://www.tarabut.info/he/home/ (hebräisch)
http://www.tarabut.info/en/home/ (englisch)

[2] http://www.tarabut.info/en/articles/article/sheikh-sayah-speaks/

[3] http://www.tarabut.info/en/articles/article/Campaign-behind-demolitions/


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Übersetzung aus dem Englischen:
Redaktion Schattenblick

Link zum englischen Original:
www.salem-news.com, 17.01.2011
http://www.salem-news.com/articles/january172011/al-araqib.php


*


http://www.ipetitions.com/petition/al-arakib/

Petition

Wir, die Unterzeichnenden erklären uns solidarisch mit den beduinisch-palästinensischen Bewohnern des Dorfes Al-Arakib in Südpalästina (innerhalb der sogenannten "grünen Linie" und unter israelischer Hoheit).

Wir stehen zu dem Recht des beduinisch-palästinensischen Volkes, auf seinem angestammten Land zu leben, in seinen eigenhändig erbauten Häusern, frei von Unterdrückung und Gewalt. Wir stehen auch zu dem Anrecht dieser Dorfbewohner auf die vollständige Infrastruktur und alle Annehmlichkeiten, die dem Bürger eines modernen Landes zustehen.

Während der vergangenen sechs Monate wurde dieses Dorf - das ursprünglich im Jahr 1948 abgerissen und in den 1990er Jahren wieder aufgebaut worden war - von den israelischen Behörden wiederholte Male zerstört. Der israelische Staat setzte schwere Maschinen und ein massives, schwerbewaffnetes Polizeiaufgebot ein, um den örtlichen Widerstand zu brechen und das Dorf dem Erdboden gleich zu machen. Dabei wäre noch zu erwähnen, daß Al-Arakib bereits vor seiner Zerstörung nicht einmal mit den grundlegendsten Annehmlichkeiten und einer Infrastruktur versorgt wurde, wie einer modernen Kläranlage, festen Straßen sowie fließendem Wasser oder Strom.

Aber der schlimmste Angriff - der achte seit Juli 2010 - ereignete sich am 16. Januar 2011. Massive israelische Polizeieinheiten fielen in Al-Arakib ein, attackierten die lokale Bevölkerung mit Gummigeschossen und Schlagstöcken, rissen die dürftigen Häuser des Ortes ab und ebneten das Land ein. Sie ließen die Dorfbewohner ohne Dach über dem Kopf inmitten der Wüste, schutzlos den Elementen ausgeliefert, zurück.

Die israelische Regierung will für die nahe Zukunft einen Wald auf dem Grund und Boden von Al-Arakib pflanzen, auf lange Sicht jedoch plant die Staatsmaschinerie den Bau einer umzäunten Elite-Siedlung namens Hiran auf dem umstrittenen Gebiet. Hiran wird ein teures, von US-Millionär Ronald Lauder finanziertes Bauprojekt, und nur religiöse Juden erhalten dort das Wohnrecht. Es handelt sich hier um einen reinen Akt rassistischer Gewalt gegen eine angestammte Bevölkerung.

Wir fordern, daß das Dorf Al-Arakib anerkannt wird, daß man seine Häuser auf Regierungskosten wieder aufbaut und daß man es zum Wohl seiner beduinisch-palästinenischen Bewohner mit einer angemessenen Infrastruktur versorgt!

http://www.ipetitions.com/petition/al-arakib/


weitere Informationen:
http://www.tarabut.info/en/articles/article/Open-letter-to-the-JNF/
http://www.tarabut.info/en/articles/article/Campaign-behind-demolitions/
http://www.tarabut.info/en/articles/article/Third-destruction-of-al-Arakib/
http://www.tarabut.info/en//articles/article/sheikh-sayah-speaks/
http://www.tarabut.info/en/articles/article/al-arakib-demolished/
http://www.tarabut.info/en/articles/article/al-arakib-9th-demolition/



Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Kontakt für weitere Informationen:
Hithabrut - Tarabut
P.O.B 39724
Tel Aviv 61397
Israel
E-Mail: tarabut@gmail.com

Übersetzung aus dem Englischen: Redaktion Schattenblick

Englisches Original des Petitionstextes: http://www.ipetitions.com/petition/al-arakib/

Grüne Linie:
Demarkationslinie, die im Waffenstillstandsabkommen Israels mit seinen Nachbarstaaten 1949 festgelegt wurde. Sie bezeichnet zudem die Linie zwischen Israel und den während des Sechstagekrieges eroberten Gebieten, einschließlich Gaza und Westbank (entspricht nicht der offiziellen Grenze Israels).


*


Quelle:
www.salem-news.com, 17.01.2011
P.O. Box 5238
Salem, Oregon 97304
mit freundlicher Genehmigung der Salem-News.com-Redaktion
sowie:
Hithabrut-Tarabut, 17.01.2011
Al-Arakib Petition
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2011