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FRAGEN/005: UN-Sonderausschuss Israel - Umgang mit palästinensischen Kindern inakzeptabel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2012

Israel: Umgang mit palästinensischen Kindern 'inakzeptabel' - Chef von UN-Sonderkomitee im Interview

von Thalif Deen


Botschafter Palitha Kohona - Bild: © Paulo Filgueiras/UN

Botschafter Palitha Kohona
Bild: © Paulo Filgueiras/UN

New York, 31. Juli (IPS) - Nach der Rückkehr aus Israel und nach Anhörungen in Amman und Kairo hat ein UN-Sonderausschuss Israel für die Härte im Umgang mit palästinensischen Kinderhäftlingen aufs Schärfste attackiert. Die fortgesetzten Verstöße gegen die Menschenrechte von Palästinensern seien "inakzeptabel", so das dreiköpfige Gremium.

Der Vorsitzende des Sonderausschusses, Palitha Kohona, geißelte vor allem die Art und Weise, wie die israelischen Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche junge Steinewerfer vorgehen. "Die Elternhäuser werden des Nachts umstellt. Die Soldaten werfen Tongranaten in die Häuser, treten die Türen ein, schießen in die Luft und nehmen die Kinder ohne Haftbefehl mit", sagte er im IPS-Interview.

Kohona hat der Region bereits drei offizielle Besuche abgestattet. Verbesserungen kann er nicht erkennen. So hat er von Zeugen erfahren, dass den Kinderhäftlingen der Besuch der Eltern und eines Rechtsvertreters verweigert werde. Zudem würden die Heranwachsenden mit Erwachsenen in eine Zelle gesperrt und selbst Zwölfjährige von israelischen Militärgerichten verurteilt.

Zeugen hatten Kohona ebenfalls berichtet, dass derzeit 192 Kinder hinter Gittern sitzen. 39 von ihnen seien keine 16 Jahre alt, so der ständige Vertreter Sri Lankas bei den Vereinten Nationen. Er prangerte ferner an, dass Israel auch weiterhin Häuser von Palästinensern zerstöre und die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser zugenommen habe.

Das 'UN-Sonderkomitee zur Untersuchung israelischer Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber der besetzten Gebiete beeinträchtigen' war im Dezember 1968 von der UN-Vollversammlung ins Leben gerufen worden. Ihm gehören neben Kohona die ständigen Vertreter Malaysias und Senegals bei den Vereinten Nationen, Dato Hussein Haniff und Fod Seck, an. Es folgen Auszüge aus dem Interview, das IPS mit Kohona führte.

IPS: Wie bewerten Sie den Umgang der israelischen Behörden mit den Palästinensern?

Palitha Kohona: Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Besatzungsmacht ihren international eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den besetzten Territorien nicht nachkommt. Ein Beispiel ist die fortgesetzte Blockade des Gazastreifens, die dafür gesorgt hat, dass 80 Prozent der dort lebenden Palästinenser von internationaler humanitärer Hilfe abhängen.

Die Zähigkeit der Gaza-Bewohner, mit so wenig zu überleben, ist bewundernswert. Das gilt insbesondere in Anbetracht der inadäquaten Gesundheitsversorgung, der harten Bedingungen bei normaler Besatzung, den häufigen Stromunterbrechungen und der Gewalt, die ihren Alltag bestimmt. Die israelische Blockade des Gazastreifens ist illegal.

Israels Sicherheitsbedürfnis ließe sich sicherlich auch ohne diese harschen Maßnahmen befriedigen. Die Blockade ist meiner Ansicht nach als kollektive Bestrafung der 1,6 Millionen Palästinenser gedacht. Sie hat verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen.

IPS: Verstoßen die Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten gegen die Genfer Konventionen zum Umgang mit Gefangenen in Konfliktgebieten?

Kohona: Es gibt viele bekannte Persönlichkeiten, die diese Ansicht vertreten. Der Sonderausschuss teilt die Meinung.

IPS: Hat Israel dem Sonderausschuss jemals erlaubt, Israel zu besuchen, um ihm seine Sicht der Dinge dazulegen?

Kohona: Dem Sonderkomitee wurde weder erlaubt, Israel, noch das besetzte Jordanland und die besetzten Golanhöhen zu besuchen. Israel betreibt eine Politik der Nicht-Zusammenarbeit mit dem Ausschuss.

IPS: Sie haben die Region in ihrer Funktion als Vorsitzender des Sonderkomitees bereits drei Mal besucht. Wie bewerten Sie die Lage in den besetzten Gebieten?

Kohona: Die Lage hat sich in keiner Weise verbessert. Der Gazastreifen exportiert die Hälfte dessen, was er vor der Blockade ausführen konnte. Zudem bremst Israel mit seinem fast kompletten Exportverbot jedes wirtschaftliche Wachstum aus. Arbeitsplätze sind rar. Zwischen 30 und 40 Prozent der Menschen im Gazastreifen sind erwerbslos. Mehr als 1,2 Millionen erhalten Lebensmittelhilfe vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).

Rund 90 Prozent des Wassers im Gazastreifen ist ungenießbar. Der Wirtschaftssektor liegt angesichts der geringen Chancen, neues Equipment für den Export eigener Produkte einzuführen, danieder. Die Arbeitslosenrate bewegt sich bei etwa 31 Prozent, die Armut bei 39 Prozent, wie das UN-Menschenrechtshochkommissariat ermittelt hat.

IPS: Was können die Vereinten Nationen tun, um die Lage der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu verbessen? Oder sind die UN angesichts der israelischen Kompromisslosigkeit machtlos?

Kohona: Die UN-Agenturen spielen eine wichtige Rolle. Sie sorgen dafür, dass sich die schwierige humanitäre Situation nicht weiter zuspitzt. Doch sind sie aufgrund von Finanzierungsengpässen infolge der globalen Finanzkrise unter Druck geraten. Sie brauchen mehr Hilfsgelder von den Gebern. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2012