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KONVENTION/005: Neues UN-Frauenschutzabkommen? Aktivistinnen fordern Umsetzung vorhandener Regelwerke (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2014

UN: Noch ein Schutzabkommen für Frauen? - Aktivistinnen fordern Umsetzung vorhandener Regelwerke

von Thalif Deen


Bild: © Ansel Herz/IPS

Protest in einem Zeltlager im haitianischen Port-au-Prince im Januar 2011 gegen die Unsicherheit und schlechten Lebensbedingungen von Frauen
Bild: © Ansel Herz/IPS

New York, 3. November (IPS) - Die UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen, Rashida Manjoo, wirbt angesichts "systematischer, weitverbreiteter und um sich greifender Menschenrechtsverletzungen an Frauen" für ein neues verbindliches UN-Schutzabkommen. Doch Frauenverbände und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) winken ab. Ihrer Meinung nach reichen die vorhandenen Instrumentarien, würden sie endlich umgesetzt.

Manjoo hatte in ihrem Redebeitrag vor der UN-Vollversammlung das Fehlen eines übergreifenden Ansatzes beklagt, der den individuellen, institutionellen und strukturellen Gewaltfaktoren Rechnung trage. Mit einem neuen Abkommen, das von den 193 UN-Mitgliedsländern unterzeichnet und ratifiziert würde, stünde der internationalen Gemeinschaft ein Rahmenwerk zur Verfügung, das auf den Schutz und die Prävention von Gewalt gegen Frauen abziele, sagte die Südafrikanerin im Oktober in New York. Zugleich würden die Staaten ihre Entschlossenheit zur Durchsetzung der Frauenrechte bekräftigen und klarstellen, dass Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung sei, die man nicht tolerieren werde.

Im Prinzip sei die Idee eines stärkeren und spezifischen Rechtsinstruments zu begrüßen, meint dazu Sanam Naraghi-Anderlini, Mitbegründerin des internationalen zivilgesellschaftlichen Aktionsnetzwerks ICAN. Schließich trügen Gesetze und Regulierungen zu einer Veränderung von Meinungen und Verhaltensweisen bei. "Doch wie wir alle wissen, ist das bei weitem nicht genug."


An der Umsetzung arbeiten

Wie Naraghi-Anderlini betont, haben viele Länder - von den USA über etliche europäische Staaten bis hin zu Pakistan - Frauenschutzgesetze verabschiedet. Dennoch sei die Gewalt gegen Frauen in ihren vielen unterschiedlichen Ausdruckformen und Ausprägungen weit verbreitet. "Wir brauchen Mechanismen, die dafür sorgen, dass die geltenden Bestimmungen wirksam eingesetzt werden."

Nach Ansicht von Palitha Kohona, einem ehemaligen Leiter der UN-Vertragsabteilung, wäre einem neuen globalen Abkommen nicht unbedingt ein Erfolg beschieden. Voraussetzung wäre die Rückendeckung der internationalen Gemeinschaft - und zwar nicht nur im Hinblick auf den Vertragstext. Erforderlich wäre auch die Bereitschaft zur Aufnahme internationaler Verhandlungen etwa im Anschluss an eine UN-Resolution.

"Die Befürworter eines solchen Abkommens müssten die internationale Gemeinschaft von der Notwendigkeit eines neuen Vertragswerks überzeugen", erinnert Kohona. Sie müssten glaubwürdig darlegen, dass die vorhandenen Rechtsinstrumente unzureichend seien. Sri Lankas ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen gibt weiter zu bedenken, dass zudem hinreichend bekannt sei, dass ein internationales Instrument allein wenig gegen die Gewalt gegen Frauen ausrichte. Die Menschheit müsse lautstark die Gewalt und insbesondere die geschlechtsbedingte Gewalt verurteilen, "die uns viel zu oft begegnet".

Mavic Cabrera-Balleza, internationale Koordinatorin des 'Global Network of Women Peacebuilders' (GNWP), sieht keinen Bedarf an einer neuen UN-Frauenrechtskonvention. Schließlich gebe es das hart erkämpfte Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und die Allgemeinen Empfehlungen von 1979. "Eine weitere Übereinkunft würde CEDAW, für das so viele Frauen weltweit gekämpft haben und das über eine fast universelle Ratifizierungsdichte verfügt, nur schwächen."

Außerdem verweist sie auf die Vielzahl internationaler Instrumentarien zur Förderung der Frauen- und Geschlechtergerechtigkeit durch die globalen Konferenzen der 1990er Jahre. "Es gibt diese globale Dynamik nicht mehr. Wir werden wohl nie wieder eine Konferenz erleben, die in ihrer Wirkung und Tragweite an die Frauenkonferenz in Peking 1995 herankommt", meint sie. "Die Frauen weltweit sind der Theorien überdrüssig. Wir wollen, dass die vorhandenen Instrumente und Mechanismen endlich greifen."

Wie Naraghi-Anderlini erklärt, lässt sich nicht leugnen, dass es bei den Frauenrechten zu Rückschlägen gekommen ist. Gerade in Gesellschaften mit ausgeprägten patriarchalen Normen bedienten sich konservative Kräfte traditioneller, kultureller und religiöser Normen, um die Rechte von Frauen zu unterminieren.

Ihrer Meinung nach gilt es deshalb sicherzustellen, dass die Stellen, die für die Umsetzung der Bestimmungen und Normen zuständig sind, entsprechend vorbereitet werden. Die Mitarbeiter müssten geschult werden, damit sie weibliche Gewaltopfer vernünftig betreuen könnten. Ebenso wichtig sei es dafür zu sorgen, dass Gesetzeshüter, die Gewaltopfern oder bedrohten Frauen ihre Hilfe verweigerten oder gar selbst den Frauen als Aggressoren begegneten, zur Rechenschaft gezogen würden.


Handlungen einfordern

Auch innovative Ansätze seien gefragt. Die ICAN-Mitbegründerin schlägt vor zu klären, ob die Vereinten Nationen grundsätzlich bereit wären, eine Kampagne für die Sicherheit von Frauen zu unterstützen. So gelte es die Frauengruppen mit der technischen, finanziellen und politischen Unterstützung auszustatten, damit sie Gesetzeshüter und lokale Gemeindeführer erreichen könnten.

"Wären die Sicherheitskräfte dazu bereit, sich schriftlich zu verpflichten, Frauen, die Gewaltfälle anzeigen, zu schützen sowie Zeuginnen/Opfer nicht zu belästigen oder anzugreifen?", fragt Naraghi-Anderlini. Käme es zu einem solchen Gesellschaftsvertrag, wäre es sicherlich leichter, gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen. Wäre dies nicht der Fall oder würde ein solches Abkommen verwässert, müsste dies als Zeugnis dafür aufgefasst werden, dass es mit dem politischen Willen nicht weit her sei, die Frauen zu schützen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/another-womens-treaty-implement-existing-one-say-ngos/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2014