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MELDUNG/044: David gegen Goliath - Katar und Nepal wollen Präsidenten der Vollversammlung stellen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2011

UN: David gegen Goliath - Katar und Nepal wollen Präsidenten der Vollversammlung stellen

Von Thalif Deen


New York, 11. Februar (IPS) - Die Wahl des Präsidenten der UN-Vollversammlung erfolgt normalerweise per Akklamation, da sich die regionalen Ländergruppen in der Regel im Vorfeld der neuen Sitzungsperiode auf einen gemeinsamen Kandidaten festlegen. Nicht so in diesem Jahr. Sollten sich die asiatischen Staaten bis Ende Februar nicht auf einen von zwei Kandidaten einigen, fällt die Entscheidung erstmals seit 30 Jahren wieder der UN-Vollversammlung zu.

Das höchste politische Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen geht jedes Jahr an einen Kandidaten, der im Rotationsverfahren von den fünf Staatengruppen Asien, Afrika, Lateinamerika/Karibik, Ost-/Westeuropa sowie der sogenannten 'Gruppe der Anderen' bestimmt wird. Der Gruppe der Anderen gehören unter anderem Australien und Neuseeland an. Da die letzten vier Präsidenten aus Mazedonien (2007), Nicaragua (2008), Libyen (2009) und Schweiz (2010) kamen, ist nun Asien wieder an der Reihe, den Präsidenten der UN-Vollversammlung zu stellen.

Dem Präsidenten kommt die Rolle eines unabhängigen neutralen Vermittlers zu. Er ist allerdings nicht entscheidungsbefugt wie etwa der UN-Generalsekretär. Ein Jahr lang vertritt er die Interessen der internationalen Gemeinschaft, wirkt an der Gestaltung der Agenda der UN-Vollversammlung mit und leitet die zweiwöchige Generaldebatte und Sondersitzungen.

Diesmal haben sich gleich zwei Staaten um das hohe Amt der Generalversammlung beworben. Der Nepalese Kul Chandra Gautam diente den Vereinten Nationen bereits als beigeordneter Generalsekretär und Vize-Exekutivdirektor des Weltkinderhilfswerks UNICEF. Derzeit bekleidet er das Amt des Sonderberaters des nepalesischen Regierungschefs.

Sein Herausforderer, Nassir Abdulaziz al-Nasser, ist seit September 1998 ständiger Vertreter Katars bei den Vereinten Nationen. Er ist derzeit Vorsitzender des Vierten UN-Ausschusses für besondere politische Fragen und Entkolonisierung sowie der 130 Länder zählenden Gruppe der 77, der größten Vereinigung der Entwicklungsländer.


Alter UN-Hase gegen wirtschaftliches Powerhaus

"Es ist ein Kampf zwischen David (Gautam) und Goliath (al-Nasser)", meinte dazu ein asiatischer Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte. Für den katarischen Kandidaten spreche allerdings, dass der Wüstenstaat ein wirtschaftliches Powerhouse sei, reich an Öl- und Gasvorkommen. Außerdem sei Katar in allen entscheidenden UN-Ausschüssen und -gremien einschließlich dem Sicherheitsrat, dem Menschenrechtsrat, in der Kommission für nachhaltige Entwicklung und dem Wirtschafts- und Sozialrat präsent.

Nepal wiederum gehört zu den 48 ärmsten Ländern der Welt (LDCs). Dennoch hat sich das Land mit der Entsendung von 80.000 Blauhelmen für 29 UN-Missionen hervorgetan, von denen 62 ihr Leben ließen. Derzeit ist der Himalaja-Staat sechstgrößter Truppenlieferant für die UN-Friedenseinsätze.

Obwohl bereits etliche süd-, südost- und westasiatische Staaten den Präsidenten der UN-Vollversammlung gestellt haben, fiel die Wahl auf einen Südasiaten (Bangladesch) zuletzt 1986. Traditionell kommen mit Ausnahme der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA alle 192 UN-Mitgliedsländer nacheinander zum Zuge. Bisher wurde nur Argentinien - 1948 und 1988 - zweimal gewählt.


Fidschi kündigt Schlichtungsmaßnahmen an

In einem Brief an die 53 asiatischen Staaten hat Fidschi als Vorsitzender der Asiengruppe mehrere Möglichkeiten vorgeschlagen, um doch noch eine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten zu erreichen. So will der Inselstaat noch vor weiteren Beratungen des Konsultativausschusses der Asiengruppe in einem Gespräch mit den beiden Herausforderern den Rückzug eines Kandidaten erwirken.

Sollte diese Option nicht zu dem erwünschten Ergebnis führen, sollen Gautam und al-Nasser am 21. Februar Gelegenheit erhalten, sich vorzustellen. Letzter Einigungstermin wäre der 25. Februar. Geht auch er ungenutzt vorüber, entscheidet die UN-Vollversammlung in September, wer neuer Präsident der UN-Vollversammlung wird.

Auch im letzten Jahr gab es zwei Kandidaten - aus Belgien und der Schweiz - doch einigten sich die Westeuropagruppe und die Gruppe der Anderen rechtzeitig vor Beginn der neuen UN-Sitzungsperiode der UN-Vollversammlung in geheimer Wahl für den Schweizer Joseph Deiss.

Der letzte politische Kampf um das Präsidium, das vor der UN-Vollversammlung ausgetragen worden war, geht auf das Jahr 1981 zurück. Damals kandidierten drei Asiaten: der Iraker Ismat Kittani, der SingapurerTommy Koh und Kwaja Mohammed Kaiser aus Bangladesch. Nachdem es zwei der drei Kandidaten in einer zweiten Runde geheimer Wahlen auf 73 Stimmen gebracht hatten, wurde Kittani schließlich per Los bestimmt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2011