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MELDUNG/079: Burma - Endlich UN-Hilfe für ethnische Flüchtlinge, Kachin von Armee attackiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2011

Burma: Endlich UN-Hilfe für ethnische Flüchtlinge - Kachin von Armee attackiert

von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 19. Dezember (IPS) - Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch von Kämpfen zwischen der Armee und Separatisten der Kachin-Ethnie im Norden Burmas kommt allmählich internationale Hilfe bei den mehr als 30.000 Menschen an, die durch die Gewalt in die Flucht getrieben wurden.

Die erste von den Vereinten Nationen koordinierte Hilfsaktion wurde am 13. Dezember in der Stadt Laiza durchgeführt, die in einer von der Rebellenbewegung 'Kachin Independence Army' (KIA) kontrollierten Bergregion liegt. Sowohl das Militär als auch die KIA hatten dem Konvoi die Durchfahrt auf einer Straße erlaubt.

"Dies ist der Beginn der UN-Unterstützung für Laiza", sagte Zafrin Chowdhury, eine Sprecherin des Weltkinderhilfswerks UNICEF. "Die Vereinten Nationen hoffen, dass zusätzliche Lieferungen zu den besonders hilfsbedürftigen Menschen in und um Laiza durchgelassen werden."

Viele Flüchtlinge leben in Wäldern, wo sie sich im Winter in ihren provisorischen Bambushütten nur ungenügend gegen schlechtes Wetter schützen können.


Lange Bitten um internationale Hilfe

Die meisten Hilfstransporte werden von der 'Kachin Independence Organisation', dem politischen Arm der KIA, koordiniert. "Wir können nun auf mehr internationale Unterstützung hoffen, die wir so dringend brauchen", sagte La Rip, Direktor der 'Kachin Development Group' (KDG). "Seit Juni bitten wir um internationale Hilfe. Jetzt haben wir endlich Antwort erhalten."

Zum ersten Mal erhielten drei UN-Organisationen, darunter UNICEF, Zugang zu einem Gebiet in Burma nahe der Grenze zu China. Menschenrechtsgruppen und Hilfsorganisationen in Burma und in anderen Ländern hatten zuvor vor einer drohenden humanitären Krise gewarnt.

"Hier bietet sich uns ein verzweifelter Anblick", erklärte Lynn Yoshikawa von der in Washington ansässigen Organisation 'Refugees International'. Sie war zwei Wochen lang in einer Region im Kachin-Staat unterwegs gewesen, wo in der Nähe Kämpfe stattfanden. Yoshikawa warnte davor, dass die Zahl der Vertriebenen weiter steigen und auch künftig zu wenig Hilfe verfügbar sein könnte.

Politischen Beobachtern zufolge hat sich die Lage der Zivilbevölkerung drastisch verschlimmert, seitdem die neue quasi-zivile Regierung eine Isolationspolitik gegenüber den ethnischen Minderheiten betreibt. Wie aus diplomatischen Kreisen in Rangun zu erfahren war, kam die Staatengemeinschaft deshalb davon ab, ihre Hilfe an lokale Organisationen weiterzuleiten und zog es vor, mit den UN-Organisationen zu kooperieren.

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich dadurch, dass die internationalen Konvois China passieren müssen. China hat zwar einige Lieferungen durchgelassen, hält aber die Kanalisierung internationaler Hilfe durch sein Territorium für problematisch, wie Yoshikawa betonte.

Vertreibungen sind in Burma, das unter der ehemaligen Militärdiktatur in Myanmar umbenannt wurde, kein neues Problem. Bewaffnete Konflikte in ethnischen Gebieten nahe der Grenze zu Thailand haben in den vergangenen Jahrzehnten fast 500.000 Menschen zur Flucht gezwungen. Internationale Hilfe kam nur dann bei den Betroffenen an, wenn sie vor Ort durch die Vereinten Nationen weitergeleitet werden konnte.


Reformer-Image des Staatspräsidenten geschädigt

Die jüngsten Gefechte zwischen der burmesischen Armee und den Kachin-Kämpfern haben Zweifel an dem Reformwillen des burmesischen Staatspräsidenten Thein Sein geweckt. Seit seinem Amtsantritt im März hat er politische Maßnahmen ergriffen, um mit der fast 50-jährigen Militärdiktatur abzuschließen. Während die neue Regierung mit drei Volksgruppen über einen Frieden verhandelt, ist ein bewaffneter Konflikt mit den Kachin ausgebrochen.

"Die burmesische Armee geht seit Anfang Juni gegen uns vor. Sie hat damit ein Waffenstillstandsabkommen verletzt, das wir im Februar 1994 mit der Regierung geschlossen haben", sagte Oberst James Lum Dau von der KIA. "Sie wollen uns vernichten."

Obwohl Thein Sein am 12. Dezember angeordnet hatte, dass die Armee ihre Kämpfe gegen die KIA beenden soll, hat das Militär die Offensive noch nicht eingestellt. "Die Gefechte gehen weiter, wir hören Gewehrfeuer und Explosionen", berichtete La Rip.

Die jüngsten Feindseligkeiten in dem seit 1961 fortschreitenden Konflikt gehen auf Bemühungen der ehemaligen Militärjunta im vergangenen Jahr zurück, die ethnischen Kämpfer als Grenzposten unter die Kontrolle der Armee zu bringen. Die KIA weigerte sich und wurde fortan von Thein Seins Vorgänger General Than Shwe bekämpft.


Systematische Vergewaltigung von Frauen

Menschenrechtsgruppen werfen der burmesischen Armee massive Übergriffe auf Zivilisten vor. "Zwischen Juni und September haben Truppen Lebensmittel der Zivilbevölkerung erbeutet, wahllos in Dörfern um sich geschossen, deren Bewohner bedroht und Zivilisten zum Minensuchen gezwungen", berichtete die US-Organisation Ärzte für Menschenrechte.

Die Frauenorganisation der Kachin bezichtigt die Streitkräfte, die Soldaten zur systematischen Vergewaltigung von Frauen und Mädchen aufgefordert zu haben, wie aus einem Anfang Dezember verbreiteten Report hervorgeht. Auch weibliche Angehörige der Ethnien Shan und Karen wurden unterschiedlichen Berichten zufolge während des jahrzehntelangen Konfliktes gezielt sexuell missbraucht. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.unicef.org/infobycountry/myanmar.html
http://www.refintl.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106239

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2011