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ORGANISATION/503: Große Erwartungen an neue Weltfrauenorganisation "UN Women" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. März 2011

UN: Große Erwartungen an neue Weltfrauenorganisation - Strukturwandel statt Korrekturen

Von Kanya D'Almeida


New York, 3. März (IPS) - "Wir sind Akteurinnen des Wandels und keine Hilfsempfängerinnen!" Mit diesem Statement sind 50 Frauen aus 27 Ländern in New York an die Öffentlichkeit getreten, die am Rande der 55. Tagung der UN-Kommission zur Lage von Frauen (CSW) ihre Erwartungen an die neue Weltfrauenorganisation 'UN Women' artikuliert hatten.

Bei den Frauen handelte es sich prominente Aktivistinnen, die in ihren Ländern jeweils mindestens 1.000 Graswurzelorganisationen repräsentieren - Führungspersönlichkeiten also, die darum kämpfen, das Leben von Frauen in allen Lebensbereichen zum Positiven zu ändern.

"Viel zu lange werden Graswurzelfrauen aus dem Auswahl-, Planungs- und Beratungsprozess der UN-Frauen-Architektur ausgeschlossen", hieß es in einer Mitteilung der Huairou-Kommission, einer Allianz aus internationalen Frauenverbänden, die das Treffen in einer Kirche gegenüber dem UN-Hauptgebäude organisiert hatte. "Bestenfalls werden sie in den Umsetzungsphasen als Zielgruppen oder Nutznießer anvisiert oder rein symbolisch in die Panels aufgenommen."

Es sei nun an der Zeit, den günstigen Augenblick zu nutzen, den UN Women bietet, um die wahren Aktivistinnen und Opfer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ungerechtigkeiten an die Verhandlungstische zu bringen, so die Huairou-Kommission in ihrem Papier für die CSW-Tagung vom 22. Februar bis 4. März in New York.


Von der Graswurzelebene in die Exekutivausschüsse

"Wir müssen alle Opfer an einen Tisch bringen, alle die gelitten und am eigenen Leib Unrecht erfahren haben. Diesen Frauen müssen wir zuhören", sagte Rose Mapendo, Überlebende der berüchtigten Todeslager von 1998 in der Demokratischen Republik Kongo, und Gründerin des Frauenhilfswerks 'Mapendo New Horizons'.

Mapendo konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie ihren Mitstreiterinnen für Frauenrechte die Geschichte ihres Lebens erzählte. Als der Bürgerkrieg in ihrer Heimatprovinz im Osten der Demokratischen Republik Kongo eskalierte, wurden sie, ihr Mann und ihre sieben von acht Kindern in eines der berüchtigten Todeslager interniert. Die Familie gehörte der Ethnie an, die der damalige Präsident Laurent Désiré Kabila (1997-2001) als Feind betrachtete.

Im Gefängnis wurde Mapendos Mann hingerichtet. Sie selbst wurde schwanger und gebar auf dem Boden der Gefängniszelle ein Zwillingspaar. Sie sah sich damals gezwungen, die Nabelschnur mit einem Stück Holz zu durchtrennen und mit einer Haarsträhne abzubinden. Nach 16 Monaten unter unmenschlichen Bedingungen wurde sie von einer US-amerikanischen Friedensgruppe befreit und in die USA gebracht. Seither engagiert sie sich für die Rechte von Frauen und für Versöhnung.


Aus eigener Erfahrung wissen, was Frauen brauchen

"Als Überlebende habe ich eine gute Vorstellung davon, wie sich Frauenrechte durchsetzen lassen", betonte die Aktivistin. "Ich weiß, was uns verbindet. Wir sind Mütter. Wir sind gleich. Was uns trifft, trifft alle anderen Frauen und auch UN Women."

Eine Frau nach der anderen griff in der Kapelle in New York zum Mikrofon, um ihre Ansichten und Anregungen vorzutragen. So meldete sich eine peruanische Aktivistin zu Wort, die in ihrem Heimatland für Ernährungssicherheit kämpft. Eine Slumbewohnerin aus Port Moresby berichtete, wie sie versucht, die Armenviertel der in Papua-Neuguinea gelegenen Stadt für Frauen und Mädchen sicherer zu machen.

Trotz der unterschiedlichen Hintergründe war den Frauen, die der Einladung der Huairou-Kommission gefolgt waren, eines gemein: die Unzufriedenheit darüber, bei wichtigen Entscheidungsprozessen außen vor gelassen zu werden. So sei ihnen auch der Zugang zu hochrangigen Verhandlungen bei den Vereinten Nationen versperrt, klagten sie und appellierten an die neue Weltfrauenorganisation, diese basisfeindlichen Strukturen im Interesse des Wandels aufzubrechen.

Schon Ende Februar hatten die Leiterinnen hunderter Graswurzelorganisationen auf einer Konferenz in New York die Notwendigkeit grundlegender Reformen betont. Es reiche nicht aus, mehr Frauen an die "zerbrochenen Tische" zu holen, die Tische selbst müssten erneuert werden, meinte etwa Mallika Dutt, Vorsitzende und Geschäftsführerin von 'Breakthrough', einer Frauenrechtsorganisation mit Sitz in Indien und den USA.

Beispiele, wo der Hebel angesetzt werden muss, brachte die US-amerikanische Feministin Francis Kissling. Die Vereinten Nationen hätten viel zu lange religiösen Fundamentalisten eine Plattform gegeben, um gegen Geschlechtergleichheit zu intervenieren. Auch der UN-Sicherheitsrat sei reformbedürftig. Dass fünf Mitglieder ein Vetorrecht hätten, mache jede Verhandlung auf Augenhöhe unmöglich. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.huairou.org
http://mapendonewhorizons.org/
http://www.unwomen.org
http://www.breakthrough.tv/
http://www.un.org/womenwatch/daw/csw/55sess.htm
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54696

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2011