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ORGANISATION/606: Syrien - Deutschland muss politische Initiativen unterstützen (DGVN)


Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
Pressemitteilung vom 14. September 2018

Endlich handeln in Syrien - im Einklang mit dem Völkerrecht

Deutschland muss politische Initiativen unterstützen statt kurzfristige Militäreinsätze


Berlin, 14.09.2018 - Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) fordert ein entschiedenes Handeln im Einklang mit dem Völkerrecht, um das Leiden der Menschen in Syrien zu beenden und in Idlib Schlimmeres zu verhindern. In Syrien verletzen die Kriegsparteien kontinuierlich grundlegende Verpflichtungen nach internationalem Recht. Sie übertreffen sich in der grausamen Missachtung humanitären Völkerrechts. Der völkerrechtswidrige Einsatz von Chemiewaffen ist die verabscheuungswürdige Spitze des Eisbergs. Militärische Antworten, die nicht von einem Mandat des UN-Sicherheitsrats gedeckt sind, lehnt die DGVN ab - auch Deutschland darf sich daran nicht beteiligen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, in ihren Reaktionen Völkerrecht und die UN-Charta als Grundkonzeption für ein kollektives Sicherheitssystem zu achten. Deutschland kann nur dann glaubwürdig für eine regelbasierte internationale Ordnung eintreten, wenn es das Völkerrecht nicht bricht.

"Nach der geltenden Rechtslage ist eine militärische Repressalie ohne UN-Mandat völkerrechtswidrig, auch wenn sie in Reaktion auf ein verabscheuungswürdiges Kriegsverbrechen erfolgt. Die Bundesregierung kann sich natürlich für eine Änderung des Völkerrechts einsetzen. Dann sollte sie dies aber explizit tun. Doch indem die Grenze zwischen Recht und Moral verwischt wird, wie es zuletzt in der Diskussion über mögliche Unterstützung für Militärschläge von Verbündeten geschah, wird das Recht als unabhängiger Faktor in der internationalen Politik geschwächt. Auch das kann politisch gewollt sein, verträgt sich aber nicht mit dem gleichzeitigen Ruf nach einer stärkeren regelbasierten Ordnung", erklärt Hannah Birkenkötter, Mitglied im DGVN-Bundesvorstand.

Deutsches Handeln in und für Syrien sollte nicht nur die Opfer der Chemiewaffen-Angriffe in den Blick nehmen, sondern alle Opfer des Konflikts in Syrien. Die DGVN fordert deswegen die unbedingte Unterstützung der vermittelnden Arbeit des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura. Die UN haben seit 2016 acht Runden inner-syrischer Gespräche einberufen, um eine politische Lösung für den Konflikt zu finden. Die Genfer Gespräche müssen nun rasch große Fortschritte bringen. Es muss über einen Weg zu einer Verfassung als Teil eines politischen Pakets verhandelt werden.

Detlef Dzembritzki, Vorsitzender der DGVN betont: "Es gibt keine militärische Lösung. Der Konflikt muss politisch gelöst werden. Die Debatte um Luftschläge gegen Syrien zeigt: Deutschland muss zur multilateralen Ordnung Farbe bekennen und kann völkerrechtswidrige Angriffe - gleichwohl von welchen Staaten ausgeübt - nicht gutheißen oder gar unterstützen. Viel nachhaltiger ist die Unterstützung der politischen Friedensinitiativen von Staffan de Mistura. Darüber hinaus sollte Deutschland stärker auf die Erfahrungen der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in den erfolgreichen Iran-Verhandlungen zurückgreifen."

Gleichzeitig bieten die Vereinten Nationen die nötigen Verfahren, um Umfang und Schwere sowie Verantwortliche für Völkerstraftaten in Syrien zu bestimmen und Beweise zu sichern. Die unermüdliche Dokumentationsarbeit des UN-Beweissicherungsmechanismus (International, Impartial and Independent Mechanism - IIIM, siehe unten) schafft zum Beispiel die Voraussetzungen für die mögliche spätere strafrechtliche Verfolgung. Die deutsche Regierung sollte sicherstellen, dass der Mechanismus über eine ausreichende Finanzierung und politische Unterstützung verfügt.

Die internationale Staatengemeinschaft und insbesondere Deutschland und seine europäischen Partner müssen sich auch den Folgen von Flucht und Vertreibung in Syrien stellen. Die Nachbarstaaten Syriens in der Region dürfen die Verantwortung nicht alleine tragen. Der UNHCR muss als zentraler Akteur finanziell und strukturell in die Lage versetzt werden, die nötige Hilfe zu leisten. Das gilt ebenso für die anderen UN-Organisationen OCHA, UNICEF, FAO und WFP sowie die WHO, die teils als letzte verbliebene humanitäre Organisationen in Syrien präsent sind und Menschen in Not beistehen.

Die weiteren UN-Aktivitäten in Syrien auf einen Blick:

  • Im Jahr 2017 erreichten UN-geführte humanitäre Konvois 820.200 Menschen in Syrien.
  • Die WHO und ihre Partner haben 2017 in ganz Syrien über 14 Millionen Behandlungen durchgeführt.
  • Im Jahr 2017 führte die WHO Maßnahmen durch, um fast 2,5 Millionen Kinder gegen Polio und 4,8 Millionen Kinder gegen Masern zu impfen.
  • Allein im Dezember 2017 assistierte UNFPA in Syrien bei 19.454 Geburten, darunter bei 8.746 Kaiserschnitten.
  • Im Jahr 2018 ermöglichen UNICEF und Partner 2,2 Millionen Kinder im Alter von 5 bis 17 Jahren eine Schulbildung.
  • Der UN-Menschenrechtsrat untersucht alle Menschenrechtsverletzungen seit März 2011 durch die unabhängige internationale Untersuchungskommission.
  • Zusätzlich hat die UN-Generalversammlung im Dezember 2016 den "International, Impartial and Independent Mechanism to assist in the investigation and prosecution of persons responsible for the most serious crimes under International Law committed in the Syrian Arab Republic" (kurz IIIM) mandatiert.


Über die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) setzt sich seit fast sieben Jahrzehnten für die UN und für die Verständigung zwischen den Nationen ein. Sie ist Anlaufstelle in Deutschland für alle, die sich für die Vereinten Nationen interessieren. Wir informieren über die Arbeit der Vereinten Nationen und initiieren in Deutschland die offene und kritische Diskussion relevanter aktueller UN-Themen. Die DGVN vermittelt die Anliegen der Vereinten Nationen gezielt an die Öffentlichkeit; sie weckt insbesondere auch bei jungen Menschen das Interesse für zwischenstaatliche und internationale Beziehungen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 14. September 2018
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2018

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