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RESOLUTION/027: Resolution 1325 - Erst nach dem Krieg kam in Burundi der Durchbruch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2010

Burundi: Erst nach dem Krieg kam der Durchbruch - Frauen auf dem Weg nach oben

Von Sham Jeanne Hakizimana


Bujumbura, 29. Oktober (IPS*) - In Kirundi, der burundischen Nationalsprache, meint das Wort 'Umunyakigo' eine Person, die sich im Hinterhof aufhält. Doch verwendet wird es auch als Synonym für 'Mädchen' - ein direkter Hinweis auf die unbedeutende Rolle, die Frauen traditionell in der burundischen Gesellschaft spielten. Im öffentlichen Leben hatten eben die Männer das Sagen.

Obwohl Frauen die Anerkennung versagt blieb, wurden sie als Beraterinnen durchaus geschätzt. "Wenn ein Mann sagt, er müsse erst nachdenken, bevor er eine Entscheidung trifft, heißt das eigentlich, dass er erst seine Frau fragen möchte. Das würde er aber niemals zugeben", sagt Déo Bigirimana , Mitglied eines 'Bashingantahe', einer Art Weisenrat in der Hauptstadt Bujumbura.

In der gesamten Geschichte Burundis fristeten Frauen ein Schattendasein, obwohl sie sich aktiv für ihre Rechte einsetzten. Bis vor kurzem hatte das Land im mehr als 20-köpfigen Kabinett nur eine einzige Frau vorzuweisen, die - wie sollte es anders sein - das Frauenministerium leitete.

Zum zehnten Jahrestag der UN-Resolution 1325 am 31. Oktober können Burundis Frauen jedoch einige Erfolge vorweisen. Daran hatte ironischerweise der blutige Konflikt zwischen Hutu und Tutsi einen entscheidenden Anteil, der 1993/94 begann und durch die Wahlen 2005 beendet wurde. Der Krieg, der rund 300.000 Menschen das Leben kostete, ließ die Frauen aus der Opferrolle heraustreten und zu Akteurinnen des Versöhnungsprozesses und ihres eigenen Lebens werden.


Vom Elend angetrieben

Pélagie Nduwayo, die Leiterin von 'Solidarité pour Aider les Sinistrés Burundais' (SASB), einer Hilfsorganisation für die Opfer, erinnert sich noch gut an den niederschmetternden Anblick der vielen hungernden Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern. "Ich beschloss, etwas gegen dieses Leid zu tun. Ich wollte nicht tatenlos zusehen, wie die Frauen und Kinder sterben."

Mit einer Gruppe von Freundinnen gründete Nduwayo die SASB, die zunächst Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter an die Bedürftigen austeilte und dafür sorgte, dass die Kinder, mehrheitlich Waisen, wieder zur Schule gingen. Die Zusammenarbeit mit den Betroffenen - Hutu und Tutsi - war kein leichtes Unterfangen. Doch an Ende sorgten die Einkommen schaffenden Maßnahmen der Hilfsorganisation dafür, dass sich die Angehörigen der beiden Ethnien arrangierten.

"Mich freut es sehr, dass die von uns betreuten Hutu und Tutsi verstanden haben, dass nicht die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, sondern das Auskommen entscheidend ist", sagt Nduwayo. Es sei der erfolgreiche Kampf gegen die Armut, der Versöhnung mit sich bringt. "Es ist unmöglich, sich mit leerem Bauch sicher zu fühlen. Erst Einkommen schaffende Aktivitäten geben den Menschen ihre Würde zurück."

Die vielen Formen der Gewalt, der Frauen ausgesetzt waren, veranlassten Burundis Frauenaktivistinnen dazu, sich für die vielen Opfer einzusetzen. Bis heute ist Vergewaltigung von Frauen und Mädchen die Form sexueller Gewalt, über die aus Burundi am häufigsten berichtet wird.


Vom lukrativen UN-Job in die Frauenhilfe

Mireille Niyonzima hatte einen schönen Job beim UN-Menschenrechtsbüro, doch zögerte sie nicht, ihn aufzugeben und ihre Zeit und Energie der Organisation 'Association pour la Défense des Droits de la Femme' (ADDF) zu widmen, die sich für Frauenrechte einsetzt und gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen engagiert.

Niyonzima wurde in Kamenge geboren, einem Armenviertel von Bujumbura, wo sie Zeugin vieler Formen der Gewalt gegen Frauen wurde. "Ich habe gesehen, wie Frauen nackt durch die Nachbarschaft getrieben und verprügelt wurden", erzählt sie. "Ich erinnere mich, mehr als einmal von meiner Mutter mit einem Topf Essen zu einer Nachbarin geschickt worden zu sein, die aufgrund der ihr zugefügten Verletzungen unfähig war, für ihre Kinder zu kochen."

Das Leid der vielen misshandelten Frauen, das ihr aus ihrer Kindheit bekannt ist, hat bei Niyonzima das Bedürfnis ausgelöst, zu handeln. Die vielen Vergewaltigungen im Bürgerkrieg haben diesen Wunsch weiter verstärkt. "Vergewaltigungen fanden damals überall statt. Es gab die systematischen Vergewaltigungen auf den Straßen, in den Armenvierteln und in den Flüchtlingslagern. "Stellen Sie sich das mal vor: Eine Frau muss einem Lagerleiter die Lebensmittelhilfe, die ihr zusteht, mit Sex bezahlen."

Es kostete die zivilgesellschaftlichen und insbesondere die Frauenorganisationen viel Zeit und Kraft, bis sich die Regierung bereiterklärte, das Thema der sexuellen Gewalt auf ihre Agenda zu setzen. Dass das Verbrechen im vergangenen Jahr als Straftat ins burundische Strafrecht aufgenommen wurde, ist allein ihrem Engagement zu verdanken.

Doch Mireille Niyonzima zufolge fehlt es nach wie vor an Präventionsmaßnahmen. Auch beklagt sie die Trägheit der staatlichen Stellen, aktiv gegen die Verbrechen vorzugehen. Zudem mangelt es an spezifischen Gesetzen, die den Tätern Schlupflöcher bieten. Ein Vorwurf, dem sich der Verband der Anwältinnen (AFJ) anschließt. In der Gesetzgebung kämen Prävention, Schutz und Entschädigung viel zu kurz. Ein Gesetz, das die Juristinnen erarbeitet haben, soll diese Lücke schließen.


Als Konfliktvermittlerinnen gefragt

Dass die Frauen im Krieg Aufgaben übernahmen, die traditionell den Männern vorbehalten waren, hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt. So verlangen sie immer größere politische Mitsprache und Repräsentanz in den staatlichen Institutionen. "In einigen Vororten kommen Frauen als anerkannte Konfliktvermittlerinnen zum Zuge. Das hätten sie nicht in ihren kühnsten Träumen erwartet", berichtet Georgette Mahwera, Leiterin der Vereinigung 'Abaniki' in Kinama, einem Stadtteil von Bujumbura.

Doch die Fähigkeiten, die Frauen an den Tag legten, öffnen ihnen nicht automatisch die Türen. Das mussten die Frauen bereits bei den Verhandlungen im tansanischen Arusha erfahren, als die Zeit der Versöhnung gekommen war. "Selbst im Lenkungsausschuss für Friedenskonsolidierung saß keine einzige Frau", so Goreth Ndacayisaba von der Organisation 'Dushirehamwe', die sich aktiv für die Umsetzung der UN-Resolution 1312 einsetzt: die Beteiligung von Frauen in allen Phasen der Friedensprozesse und den Schutz von Frauen vor sexueller und anderer Gewalt.

"Es ist schon sehr deprimierend, dass wir Frauen in der Regel vergessen werden, wenn es um Konzeption und Planung gehe. Wir sind immer damit beschäftigt, hinter einer größeren Repräsentanz herzulaufen", beklagt Ndacayisaba. Dennoch hat sich die Beharrlichkeit der Frauen am Ende ausgezahlt. Das Friedens- und Versöhnungsabkommen von Arusha hat Liberia eine Frauenquote gebracht. So müssen 30 Prozent aller staatlichen Stellen mit Frauen besetzt werden - eine Regelung, die auch Eingang in die Landesverfassung fand.

Bei den Wahlen im Jahr 2005 war der Enthusiasmus über die Beteiligung von Frauen an der Macht deutlich spürbar. Damals eroberten Frauen 31,5 Prozent aller Sitze in der Nationalversammlung und 35 Prozent im Oberhaus. Eine Frau wurde Parlamentspräsidentin und eine weitere zur Vizepräsidentin des Landes gekürt, beide politischen Ämter zählen zu den fünf höchsten im Lande.


Frauen gehen zum Militär

Dass Frauen inzwischen auch in die Kasernen eingezogen sind, erfüllt Goreth Ndacayisaba mit Stolz. Allerdings hapert es dort an einer frauenfreundlichen Infrastruktur. "Die Schlafräume und Toiletten sind für Männer vorgesehen, für Frauen ist das nicht so angenehm", berichtet Basilisa Ndayiziga von CAFOB, einem Zusammenschluss burundischer Frauengruppen.

Bei den Wahlen 2010 konnten Frauen ihre Präsenz im Parlament und in der Regierung weiter ausbauen. Auch bei den Wahlen auf Graswurzelebene stellten sich beachtliche Erfolge ein. Alle zehn Frauen, die bei den Bezirkswahlen in der Hauptstadt Bujumbura antraten, wurden auch gewählt. "Das war ein wirklicher Vertrauensbeweis", meint dazu Mireille Niyonzima.

Dass Frauen inzwischen sogar 35 Prozent der politischen Ämter innehaben, bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Interessen von Frauen auch berücksichtigt werden. In vielen Fällen habe das damit zu tun, dass männliche Politiker weniger engagierte Frauen auf die Wählerlisten setzten, meint Niyonzima. "Männer haben Angst, von Frauen dominiert zu werden." (Ende/IPS/kb/2010)

* Der Beitrag ist Teil eines Kooperationsprojekts der PeaceWomen Across the Globe (PWAG), des deutschen Frauensicherheitsrats, der OWEN-Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung und des Global Corporation Council, dem Träger von IPS Deutschland.

Sham Jeanne Hakizimana ist eine burundische Rundfunk- und Fernsehjournalistin.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2010