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AGRAR/1565: Ressourcenkonkurrenz quantitativ vollkommen überschätzt (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 18. September 2012

Ressourcenkonkurrenz quantitativ vollkommen überschätzt

Professor von Witzke im Interview mit Deutscher Bauern Korrespondenz



"Es gibt eine ganz natürliche Konkurrenz um die knapper werdenden Ressourcen für die Nahrungsgüterproduktion einerseits und die "Nicht"-Nahrungsgüterproduktion andererseits. Diese Ressourcenkonkurrenz gilt nicht nur für die Bioenergie, sondern für alle Nicht-Nahrungsgüter. So wird auch Baumwolle weltweit auf etwa genauso viel Fläche angebaut wie Pflanzen zur Herstellung der Bioenergie." Das sagte Professor Harald von Witzke, Fachgebietsleiter für internationalen Handel und Wirtschaftsentwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin, im aktuellen Interview der Septemberausgabe der Deutschen Bauern Korrespondenz (dbk), dem Monatsmagazin des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Die Konkurrenz "Teller und Tank" werde quantitativ vollkommen überschätzt. Weltweit würden nur auf 3 Prozent der Ackerfläche Nutzpflanzen für die Bioenergieproduktion angebaut. Daraus resultiere ein Anstieg der Agrarpreise seit der Jahrtausendwende um ein Zehntel. Die Agrarpreise seien seither aber um mehr als 100 Prozent gestiegen. Zudem verweist von Witzke darauf, dass gerade in den USA oder der EU die Bioenergieproduktion auf Stilllegungsflächen erfolge, so dass sich insofern in Wirklichkeit keine Konkurrenz eingestellt habe.

Hinzu komme, betonte der Agrarökonom von Witzke, dass die bei der Bioenergieproduktion anfallenden wertvollen Nebenprodukte für die Tierhaltung in der Bilanz Teller oder Tank nicht berücksichtigt werden. Dass dennoch immer wieder ethische Bedenken in die Diskussionen um die Bioenergie eingebracht werden, führt der Wissenschaftler auf Unwissenheit zurück. Der Beitrag Deutschlands zur weltweiten Bioenergieproduktion liege bei nur 5 Prozent. Das bedeute, der Anteil Deutschlands an den Preissteigerungen bei Lebensmitteln betrage rund 0,25 bis 0,5 Prozent seit der Jahrtausendwende.

Für von Witzke steht fest, dass nur eine produktivere Landwirtschaft die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen kann, und zwar in Deutschland, EU- und auch weltweit: Mehr Nahrungsmittel, mehr Bioenergie, mehr Klimaschutz und mehr Biodiversität. "Wenn es uns gelingt, auf den vorhandenen Flächen mehr zu produzieren, können wir uns mehr Biodiversität leisten." Das Produktivitätswachstum der Landwirtschaft sei nicht nur in der Europäischen Union vernachlässigt worden. Vielerorts sei das vorhandene Produktivitätspotenzial nicht ausgeschöpft worden. Weltweit sei der Produktivitätszuwachs von 4 Prozent auf 1 Prozent zurückgegangen. In der Europäischen Union liege er bei nur noch 0,6 Prozent. Ursächlich dafür sei die Vernachlässigung der Agrarforschung seit Ende der 70er Jahre. Dies habe schließlich dazu geführt, dass die Europäische Union in 2008 zum größten Nettoimporteur von Agrarprodukten geworden sei.

Die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft sei auch der Schlüssel zur Bekämpfung des Hungers in der Welt, so von Witzke. "Wir müssen die Nahrungsmittelproduktion bis zum Jahr 2050 gegenüber der Jahrtausendwende aufgrund des rasanten Wachstums der Weltbevölkerung mehr als verdoppeln. Neueste Studien prognostizieren 10 Milliarden Menschen für das Jahr 2050." Hinzu kämen sich verändernde Einkommens- und Ernährungsgewohnheiten in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Die damit verbundene rasch wachsende Nachfrage sei nur zu befriedigen, indem eine Produktivitätssteigerung auf den schon heute landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolge. Deshalb habe der Agrarökonom auch kein Verständnis für den Greening-Vorschlag des EU-Agrarkommissars. Der Boden sei eine begrenzte Ressource, daher mache es keinen Sinn, produktive Böden aus der Produktion zu nehmen. Ebenso wenig mache es Sinn, in naturnahen Lebensräumen, wo es ohnehin schon viel Biodiversität gebe, wie zum Beispiel in Mittelgebirgslagen, zusätzlich Flächen stillzulegen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2012