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AGRAR/1574: Bolivien - Zuckerindustrie erholt sich, Forderung nach Aufhebung der Exportrestriktionen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2012

Bolivien: Zuckerindustrie erholt sich - Forderungen nach Aufhebung der Exportrestriktionen

von Franz Chávez


Arbeiter auf einer Zuckerrohrplantage in Bolivien - Bild: © Gastón Brito/IPS

Arbeiter auf einer Zuckerrohrplantage in Bolivien
Bild: © Gastón Brito/IPS

La Paz, 16. November (IPS) - Die bolivianischen Zuckerproduzenten fordern eine Lockerung der Exportrestriktionen, um ihren Überschuss von zusammen 138.000 Tonnen auf ausländischen Märkten absetzen zu können. Die Beschränkungen sollen dafür sorgen, dass der heimische Markt gesättigt wird, bevor die Ware exportiert wird.

Eingeführt hatte die Regierung die Restriktionen, nachdem der inländische Markt für Zucker 2010 eingebrochen war. Weil das Wetter verrückt...[ ]spielte, war die Ernte schlecht ausgefallen. Im Ausland waren bessere Preise zu erzielen als in Bolivien selbst, und so blühte der Handel mit Zucker insbesondere ins Nachbarland Peru.

Vor allem der ostbolivianische Bundesstaat Santa Cruz lebt vom Zuckergeschäft. Dort wird Zuckerrohr, die Basis des Nahrungs- und Genussmittels in Bolivien, auf 131.600 Hektar angebaut. Außerdem sind vier der fünf Fabriken des Landes dort angesiedelt: 'Guabirá', 'La Bélgica', 'San Aurelio' und die 'Unión Agroindustrial de Cañeros' (Unagro). Sie produzierten 2010 in Santa Cruz zusammen 395.000 Tonnen des süßen Gutes. Die fünfte Fabrik gehört den 'Industrias Agrícolas Bermejo Sociedad Anónima'. Sie befindet sich in der Region von Bermejo im südlichen Bundesstaat Tarija und stellt 42.366 Tonnen her.

Das hätte gereicht, um die inländische Nachfrage zu stillen, die auf 345.000 Tonnen geschätzt wurde. Doch weil die Preise von der Politik niedrig gehalten wurden, verkauften die Produzenten lieber ins Ausland. Die Regierung schritt ein, verbot zunächst den Export, ließ Zucker aus Kolumbien importieren und legte einen neuen Zuckerpreis fest, der sich an dem des Marktes auf internationaler Ebene orientierte.

"Noch einmal werden wir eine solche Periode nicht erleben", sagt Marcelo Fraija, Geschäftsführer der Zuckerfabrik Unagro. Tatsächlich sieht es im Moment danach aus, als habe sich die Industrie erholt und die Regierung den Ausverkauf der Lager ins Ausland unter Kontrolle gebracht.


Nur ein Drittel des Überschusses darf exportiert werden

2012 war ein gutes Jahr für Zucker: Allein in Santa Cruz wurden 506.000 Tonnen produziert. Das Angebot übersteigt die Nachfrage um rund 138.000 Tonnen. Doch da die Exportrestriktionen aus dem Jahr 2010 weiter bestehen, darf davon nur ein Drittel ins Ausland verkauft werden.

Nun haben sich die Produzenten an das Landwirtschaftsministerium gewendet und gefordert, die Beschränkungen aufzuheben. "Die Regierung hatte recht, als sie vor zwei Jahren die Restriktionen eingeführt hatte", sagt Mariano Aguilera, ehemaliger Präsident der Zuckerfabrik Guabirá. "Doch jetzt ist die Situation eine ganz andere. Jetzt brauchen wir neue politische Regeln für den Handel."

Die Investitionskosten des Zuckersektors belaufen sich insgesamt auf rund 500 Millionen US-Dollar. Dazu gehören der Kauf oder die Pacht von Land, der Kauf von Saatgut, die Investition in landwirtschaftliche Maschinen sowie in die notwendige Infrastruktur.

Im Jahr 2009 - vor dem Einbruch der Ernte - exportierten die Zuckerproduzenten Ware im Wert von 75 Millionen Dollar. Der Rekord hatte jedoch bei 100 Millionen Dollar gelegen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erreichten die Erträge aus dem Zuckerexport gerade einmal 17.000 Dollar. Damit machen sie lediglich 0,19 Prozent des Exportvolumens aus.


Einbruch des Preises für Zucker auf internationalen Märkten

Schuld daran sind unter anderem die niedrigen Preise, die auf den internationalen Märkten zu erzielen sind: Während Anfang des Jahres noch rund 800 Dollar pro Tonne gezahlt wurde, waren es im November nur noch 500 Dollar.

Zuckerrohr wird in Bolivien ab Mai geschnitten. 2.000 Saisonarbeiter reisen dafür aus den kalten Gebirgsregionen des Hochplateaus der bolivianischen Anden an. Viele von ihnen bringen ihre Familien mit. In diesem Jahr erhielten die Erntehelfer pro Tonne 4,3 bis 4,6 Dollar. Doch weil die Arbeitskräfte knapp wurden, wurde der Lohn zeitweise auf fünf Dollar erhöht.

3.500 Grundbesitzer lassen Zuckerrohr anbauen. Teilweise nennen sie 500 Hektar ihr Eigen, doch die Kleinbauern verfügen meist nur über 20 Hektar. Die Ernte dauert bis Ende November an. Dann beginnt die Regensaison, und die Niederschläge machen die Arbeit auf den Feldern unmöglich. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.ipsnews.net/2012/11/bolivian-sugar-industry-recovers-and-seeks-markets/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101884

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012