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AGRAR/1651: Der Hälfte des US-Agrarlands droht Übernahme durch Private-Equity-Investoren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Februar 2014

Landwirtschaft: Hälfte des US-Agrarlands droht Übernahme durch Private-Equity-Investoren

von Carey L. Biron


Washington, 19. Februar - Die altersbedingte Aufgabe vieler US-Farmen wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass in dem nordamerikanischen Land in den kommenden zwei Jahrzehnten fast 162 Millionen Hektar Agrarland den Besitzer wechseln. Erwartet wird, dass sich Private-Equity-Investoren ein großes Stück vom Kuchen abschneiden werden.

Das wachsende und weltweit zu beobachtende Interesse des Privatsektors, Agrarland als Kapitalanlage zu erwerben, hat auch in den USA zu einem Anstieg der Bodenpreise geführt. In Verbindung mit der schwachen föderalen Agrarpolitik sorgt diese Entwicklung dafür, dass immer weniger junge Bauern ihre kleineren Betriebe aufrecht erhalten beziehungsweise neue Unternehmen gründen können.

Auf lange Sicht gesehen wird diese Entwicklung die industrielle Landwirtschaft, die immer mehr an Boden gewinnt, weiter stärken - mit drastischen Folgen für die Gesundheit von Mensch und Natur.

"Wenn landwirtschaftsferne Akteure Land besitzen, neigen sie dazu, Managementfirmen mit dem Betrieb zu betrauen, was sich zum Teil verheerend auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und den Umgang mit dem Land auswirkt", warnt Anuradha Mittal, die Geschäftsführerin des 'Oakland Institute'. Die US-amerikanische Denkfabrik befasst sich unter anderem mit den Folgen, die mit der großflächig betriebenen Landwirtschaft einhergehen.


Landwirtschaft als Spielball von Finanzjongleuren

"Diese Manager entscheiden auch, was auf dem Land angebaut wird, wobei die Frage nach den höchsten Renditen den Ausschlag gibt. Das hat nicht mehr viel mit Nahrung, sondern mit Profitdenken zu tun", betont Mittal. "Leider sieht sich die Landwirtschaft dadurch ihrer wichtigen Rolle beraubt, die sie mit Blick auf den Klimawandel, den zunehmenden Hunger und die globale Wirtschaftsstabilität spielt."

Ein neuer Bericht des Oakland Institute beleuchtet das wachsende Interesse einiger der weltgrößten Finanzakteure an US-amerikanischen Böden. Zu ihnen gehören die Niederlassungen großer Banken wie der Schweizer 'UBS AgriVest', Rentenfonds wie das US-amerikanische Unternehmen TIAA-CREF und andere Private-Equitiy-Investoren wie HAIG, eine Filiale der größten Versicherungsgruppe Kanadas.

"Inzwischen grenzt die Begeisterung für die Landwirtschaft an Spekulationswahn. Durch alles Mögliche angetrieben - etwa durch die steigenden Nahrungsmittelpreise oder die wachsende Nachfrage nach Biotreibstoffen - nimmt das Interesse des Finanzsektors an Agrarland in einer beispiellosen Weise zu", heißt es in dem Bericht.

Ob im US-amerikanischen Iowa oder in Kalifornien, auf den Philippinen oder in Mosambik - es seien immer die gleichen strukturellen Faktoren, die meist dieselben Investoren veranlassen, ihren Hunger nach Land zu stillen.

In den USA ist die Fläche produktiver Böden, die sich in der Hand privater Investoren befinden, zwar noch gering. So wurde der Anteil von der Branche selbst 2011 mit einem Prozent und einem Wert von bis zu fünf Milliarden US-Dollar angegeben. Die letzte Zahl hat ein anderer Industrieanalyst jedoch im vorigen Jahr auf zehn Milliarden Dollar nach oben korrigiert. Damit wird deutlich, wie ernst es den Private-Equity-Investoren ist, ihre Claims abzustecken.

"Seit geraumer Zeit beobachten wir eine Dezimierung der familienbetriebenen Landwirtschaft, doch der Prozess beschleunigt sich immer mehr", warnt Mittal. "Hier muss auf politischer Ebene abgebremst werden, bevor uns diese Entwicklung vollends überfährt."

Ein Jahr, nachdem die Nahrungsmittelpreise 2008 plötzlich angestiegen waren, nahmen die Landspekulationen um 200 Prozent zu. Die globale Finanzkrise, die zeitgleich mit einer Ernährungskrise einherging, führte dazu, dass Investoren Agrarland als sichere Anlage für sich entdeckten.

Investoren, die ihr Geld in den USA anlegen wollen, interessieren sich dort für den Bergbausektor und für Wasserrechte sowie für die Möglichkeiten durch den Anstieg des Fleischkonsums. Was US-Farmland für sie besonders interessant macht, sind die High-Tech-Agrarmöglichkeiten in Verbindung mit laxen Bestimmungen in der Frage des Anbaus von Gensaaten.


Problematischer Generationswechsel

Das neue Interesse an Agrarland hat in den USA die Bodenpreise in den letzten zehn Jahren um 213 Prozent in die Höhe getrieben. Zwei Trends könnten diese Entwicklung weiter verstärken: die hohe Zahl von Farmern, die in Rente gehen, und der Mangel an Zeit und Möglichkeiten, jungen Bauern dabei zu helfen, die Höfe zu übernehmen.

Die USA sind bekannt dafür, dass es dort mehr Häftlinge als Full-Time-Farmer gibt. Dieses Missverhältnis wird sich weiter vergrößern, da sich viele Bauern altersbedingt aus der Landwirtschaft zurückziehen werden. Höchstens sechs Prozent der US-Bauern sind unter 35 Jahre alt. Etwa 70 Prozent der bewirtschafteten Böden befinden sich in Besitz von Bauern, die über 65 Jahre alt sind.

"Die älteren Generationen müssen sich auszahlen lassen, weil sie in keine Rentenfonds eingezahlt haben", erläutert die Bäuerin Severine von Tscharner Fleming. Sie ist Mitbegründerin des 'Agrarian Trust', einer Organisation, die Jungbauern bei der Landbeschaffung unterstützt. "Derzeit gibt es viele ältere Landwirte, die sich entscheiden müssen, was sie mit ihren Höfen tun wollen. In vielen Teilen des Landes bleibt uns nicht viel Zeit, ihnen zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Und uns fehlen die richtigen Instrumentarien."

Fleming zufolge ist die US-Agrarpolitik so konzipiert, dass sie nicht unbedingt den Interessen des Landes dient. So trage sie weder zur landwirtschaftlichen Vielfalt noch zu regionaler Resilienz bei. Und die Möglichkeiten, die ländlichen Volkswirtschaften zu stärken, würden nicht ausgeschöpft, sagt sie. Gleichzeitig jedoch sei ein wachsendes Interesse junger Leute festzustellen, ihren eigenen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen.

"Im Verlauf der letzten sieben Jahre beobachten wir eine explosionsartige Nachfrage nach landwirtschaftlichen Schulungskursen. Auch sehen wir, wie angesichts der Krisen der Banken und der Umwelt immer mehr Menschen auf den Agrarmarkt drängen", betont Fleming. "Das Problem, mit dem wir uns konfrontiert sehen, ist also nicht ein Mangel an Menschen, die in die Landwirtschaft wollen, sondern die US-Wirtschaftsstruktur, die in diesem Land den Start einer eigenen Farm erschwert." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/half-u-s-farmland-eyed-private-equity/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2014