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ARBEIT/2370: Die neue Ordnung der Arbeit kommt - Aber zu welchen Bedingungen? (Uni Bremen)


Pressemitteilung der Universität Bremen - 2. Dezember 2014

Die neue Ordnung der Arbeit kommt: Aber zu welchen Bedingungen?

Bremer Sozialwissenschaftler forschen über Wandel der Erwerbsarbeit / Droht eine weitere Teilung der Gesellschaft?



Seit Jahrzehnten unterliegt die Arbeitswelt einem starken Veränderungsdruck. Beschäftigungsbedingungen und Arbeitsorganisation, Aus- und Weiterbildung, Berufsstrukturen, Tarifsystem und Sozialversicherungen werden in hohem Tempo reformiert, modernisiert und "umgebaut". Prekäre Beschäftigungen greifen immer mehr um sich. Die Ungleichheit der Einkommensverteilung erreicht bislang unbekannte Größenordnungen. Stress und Burnout werden zu Massenphänomenen. Zwar gibt es auch Arbeitsbereiche, die eine größere Entfaltung und Selbstbestimmung in der Arbeit ermöglichen. Doch wohin entwickelt sich unsere Arbeitswelt insgesamt? Wer sind die Gewinner? Wer Verlierer? Diesen Fragen sind Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler vom Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen in langjährigen Untersuchungen nachgegangen. Ihre Antwort: Die Arbeitswelt verändert ihre "alte" Ordnung. Welche neuen Strukturen sich im Verlauf dieser Prozesse zwischen Prekarisierung und Privilegierung durch Arbeit herausbilden werden, ist derzeit zwar noch offen. Aber: Um den sozialen Frieden im Lande zu sichern, halten es die Bremer Sozialforscher für unbedingt erforderlich, dass die sich abzeichnenden Veränderungen in der Erwerbswelt durch neue Standards zum Schutz von Arbeitskraft und sozialer Sicherheit begleitet werden.


Untersuchte Fragestellungen

Konkret sind die Bremer IAW-Wissenschaftler um Irene Dingeldey, André Holtrup und Günter Warsewa mit Unterstützung ausgewählter Gastbeiträge folgenden Fragen nachgegangen: Wie verändern sich Regulierung, Koordinierung und Steuerung, kurz: die Governance von Arbeit? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer dieses Wandels? Wie reagieren die beteiligten Akteure, der Staat, Verbände, Unternehmen, Gewerkschaften, Familien und Individuen auf neue Herausforderungen und wie wirken sie auf sich verändernde "Spielregeln" ein? Und nicht zuletzt: Zeichnen sich Konturen einer neuen Ordnung von Arbeit ab, die den heutigen und zukünftigen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen angemessen sind? Die Analysen zu Veränderungen, Kontinuitäten und Wechselbeziehungen bei der Gestaltung von Ausbildungssystemen, Arbeitsbedingungen, Sozialsystemen, Entlohnung, Karrierewegen, Interessenvertretung und Vereinbarkeitsarrangements sind jetzt im Sammelband "Wandel der Governance der Erwerbsarbeit" erschienen.


In einer Phase der Übergänge

Erkennbar ist nach Ansicht der Autoren, dass sich im Zuge eines gesellschaftlichen Suchprozesses alte und neue Institutionen zu neuen Arrangements mischen. In der aktuellen Übergangsphase werden damit allerdings unterschiedliche Ziele verfolgt und teilweise gegenläufige Handlungsanreize vermittelt: Während sich beispielsweise Unternehmen intensiv um weibliche Arbeitskräfte bemühen, signalisieren Betreuungsgeld und Ehegattensplitting nach wie vor eine Förderung der Hausfrauenrolle. Gleichzeitig zeigt sich eine deutliche Tendenz, die Verantwortung für die Bewältigung arbeitsbezogener Risiken - sei es der riskante Übergang von der Schule in den Beruf oder die Sicherung eines armutsfesten Einkommens - von den übergeordneten Ebenen des Staates oder des Tarifsystems auf die einzelnen Betriebe, die Familien oder sogar auf die einzelnen Individuen zu verlagern.


Erhalten - Kompensieren - Neu Verteilen

Für einen Kernbereich beruflich qualifizierter Beschäftigung gilt, dass die Erwerbstätigen im Einklang mit ihren Interessenvertretungen die traditionellen Standards von Arbeits- und Lebensbedingungen im Wesentlichen verteidigen können. Auf manchen Feldern müssen dagegen Kompensationsstrategien entwickelt werden, die dazu beitragen, die zunehmend individualisierten Risiken zu entschärfen (etwa durch Einführung des Mindestlohns, aber auch durch neue Familienmodelle), und in einigen Bereichen entfalten sich Auseinandersetzungen um Macht- und Durchsetzungsbedingungen, deren Ausgang noch nicht absehbar ist (z.B. die Veränderung der Tariflandschaft durch Spartengewerkschaften).

Die Herausgeber des Bandes weisen in ihrem Fazit darauf hin, dass das traditionelle, seit 50 Jahren funktionierende korporatistische Arrangement aus Staat, Unternehmen und Gewerkschaften reformiert und modernisiert werden muss, um auch in Zukunft seine steuernde und sozial ausgleichende Funktion wahrnehmen zu können.


Literaturhinweis: Irene Dingeldey, André Holtrup, Günter Warsewa (Herausgeber): "Wandel der Governance der Erwerbsarbeit"; Springer VS; Wiesbaden 2015.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 415 / 02. Dezember 2014 SC
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2014