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BANK/554: Studie bestätigt Banken-Bashing während der Finanzkrise und zeigt Lösungswege auf (idw)


Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 05.09.2018

Studie bestätigt Banken-Bashing während der Finanzkrise und zeigt Lösungswege auf

Bestimmte Banken in Zeitungsberichten besonders kritisiert, vertraute Banken konnten dem Banken-Bashing entgehen


Am 15. September 2018 jährt sich der Zusammenbruch von Lehman Brothers zum zehnten Mal. Mit diesem Ereignis beschleunigte sich die Finanzkrise, die die Fundamente der weltweiten Finanzordnung ins Wanken brachte. Nur durch enorme, meist steuerfinanzierte Rettungspakete konnten eine Vielzahl an Bankinstituten gerettet und der drohende Zusammenbruch des Bankensystems abgewendet werden. Die hohen Verluste der Banken, der Schock über die starken Auswirkungen auf die Realwirtschaft und die sich anschließenden Rettungspakete führten zu einer scharfen Kritik an den Banken, dem sogenannten Banken-Bashing. Dabei waren und sind die ökonomischen Zusammenhänge dieser Krise nicht einfach nachvollziehbar. Dennoch - oder gerade deshalb - hat sich während der Krise eine dezidierte öffentliche Meinung zur Reputation der einzelnen Banken entwickelt.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universitäten Mainz und Mannheim hat nun untersucht, welche Faktoren die Reputation einer Bank während der Finanzkrise beeinflussten. Die Studie wurde kürzlich von der international renommierten Fachzeitschrift Business & Society zur Veröffentlichung angenommen. In der Studie wurde die Entwicklung der Berichterstattung in Zeitungen zu rund 80 Banken in Deutschland im Zeitraum von 2005 bis 2012 mit Hilfe automatisierter Textanalyse untersucht. "Uns ging es darum zu verstehen, wie sich die öffentliche Meinung in Bezug auf die Reputation einzelner Banken entwickelt hat. Insbesondere wollten wir herausfinden, warum manche Banken in besonderem Maße ins Kreuzfeuer der Kritik gerieten, während andere Banken vergleichsweise glimpflich davonkamen", so Dr. Mario Englert, der diese Analyse während seiner Promotion an der Universität Mannheim initiiert hat.

Die Finanzkrise führt zu einem Anstieg der Berichterstattung über Banken - mit einer überwiegend negativen Beurteilung

Zur Messung der Reputation von Banken wurden Zeitungsartikel genutzt, ein allgemein anerkannter Spiegel der öffentlichen Meinung. Für die betrachteten acht Jahre bezog die Untersuchung mehr als 90.000 Artikel aus 20 überregionalen Zeitungen mit insgesamt regelmäßig mehr als 6 Millionen Lesern in die Analyse ein. Bei den Banken wurden alle großen und in Deutschland operativ tätigen Banken herangezogen, darunter auch ausländische Geldinstitute.

Zunächst wurde die Anzahl der Zeitungsartikel analysiert. Es zeigte sich, dass die Anzahl der Berichte zu Banken während der Finanzkrise anstieg. Weiterhin wurde vermehrt über Banken mit schlechter wirtschaftlicher Lage berichtet. Es zeigte sich aber auch, dass in der Finanzkrise vor allem über Banken berichtet wurde, die dem Leser besonders nahe sind, beispielsweise aufgrund eines dichten Filialnetzes in Deutschland. Dieses Ergebnis lässt sich unter anderem damit erklären, dass Berichte über vertraute Banken den Lesern Orientierung in turbulenten Zeiten bieten können.

Außerdem wurde untersucht, wie sich der Ton in der Berichterstattung während der Finanzkrise änderte. Hierzu wurden die Zeitungsartikel mithilfe eines speziell entwickelten Wörterbuchs automatisiert analysiert. Die Auswertung ergab, dass sich die Beurteilung der Bankenbranche durch die öffentliche Meinung während der Finanzkrise verschlechtert hat. Eine negative Berichterstattung ist für Branchen in einer wirtschaftlichen Schieflage typisch. Allerdings war die Berichterstattung sogar noch negativer als angesichts der wirtschaftlichen Situation der Branche zu erwarten war. Insoweit zeigt die Studie, dass es tatsächlich zu einem allgemeinen Banken-Bashing während der Finanzkrise kam.

Vertraute Banken können dem Banken-Bashing entkommen

Im Fokus der Untersuchung stand, welche Banken in besonderem Maße kritisiert wurden - und warum bestimmte Banken diesem Banken-Bashing entkommen konnten. Hier bestätigte die Studie die Erwartung, dass große Banken und Banken mit schlechten finanziellen Ergebnissen im besonderen Maße Reputationsverluste hinnehmen mussten. Interessanterweise waren diese Effekte während der Finanzkrise stärker als davor. Dies bedeutet, dass Zeitungsartikel über finanzielle Verluste bei einer Bank während der Finanzkrise deutlich negativer ausfielen als solche bei ähnlichen Ereignissen vor der Finanzkrise.

Wichtigstes Ergebnis der Studie ist jedoch, dass bestimmte Geldinstitute dem Banken-Bashing entkommen konnten. Hierbei handelt es sich um Banken, die dem Leser beispielsweise aufgrund eines großen Filialnetzes besonders vertraut sind. Es zeigte sich, dass über solche Banken während der Finanzkrise sogar positiver als zuvor berichtet wurde, wenn Faktoren wie die Größe und die wirtschaftliche Lage der Bank berücksichtigt werden. Vertraute Banken konnten somit im relativen Vergleich ihre Reputation stärken. Hingegen wurden ausländische und somit vergleichsweise unbekannte Banken viel stärker abgestraft. "Es ist erstaunlich zu sehen, wie stark 'Vertrautheit' als nichtfinanzielle Determinante die öffentliche Berichterstattung zu Banken während der Finanzkrise beeinflusst hat. Diese relativen Reputationsgewinne lassen sich nicht alleine über die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung dieser Banken erklären", so Prof. Dr. Christopher Koch, Professor für Corporate Governance und Wirtschaftsprüfung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Neben diesen Ergebnissen wurden in der Analyse auch weitere Effekte sichtbar. So hängen Anzahl und Beurteilung der verfassten Artikel einer Zeitung signifikant von der der geographischen Nähe zu einzelnen Banken ab. Frankfurter Zeitungen beispielsweise bewerten Bankinstitute mit Sitz in Frankfurt systematisch positiver als andere Zeitungen.

Die richtige Strategie für die Zukunft

Die Studie zeigt, dass die öffentliche Wahrnehmung von "Vertrautheit" von Banken sehr positive Effekte in einer Krisensituation hervorbringen kann. Diese Attribute wirkten in der Finanzkrise wie eine "Reputationsversicherung", die den jeweiligen Banken eine deutlich bessere Position in der Krise bescherte. Eine Strategie für Banken, die in besonderem Maße von der öffentlichen Meinung abhängig sind, könnte daher sein, durch Investition in nichtfinanziellen Bereichen zu einer "vertrauteren" Bank zu werden. Einige Banken haben dies anscheinend auch bereits erkannt und Initiativen zu einem entsprechenden Kulturwandel durchgeführt. Eine solche Strategie kann nach den Ergebnissen der veröffentlichten Studie eine sinnvolle Möglichkeit darstellen, die Reputation einer Bank wieder zu verbessern beziehungsweise für die nächste Krise zu schützen.


Weiterführende Links:
https://www.linkedin.com/in/mario-englert-13b3a7129/
- berufliches Profil zu Dr. Mario Englert

https://www.cg.bwl.uni-mainz.de/
- Corporate Governance und Wirtschaftsprüfung

https://www.bwl.uni-mannheim.de/wuestemann/
- ABWL und Wirtschaftsprüfung

Originalpublikation:
Mario R. Englert, Christopher Koch, Jens Wüstemann
The Effects of the Financial Crisis on the Organizational Reputation of Banks: An Empirical Analysis of Newspaper Articles
Business & Society, zur Veröffentlichung angenommen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution218

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 05.09.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2018

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