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BERICHT/247: Deutsche Wirtschaft wächst 2011 um 2,5 % - aber wachsende Risiken für 2012 (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 16.12.2010

IMK: Deutsche Wirtschaft wächst 2011 um 2,5 Prozent - aber wachsende Risiken für 2012

Neue Konjunkturprognose


Die Erholung der deutschen Wirtschaft setzt sich 2011 fort, sie verliert aber an Schwung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Jahresdurchschnitt 2011 um 2,5 Prozent wachsen, nachdem es 2010 um durchschnittlich 3,7 Prozent zunimmt. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in seiner neuen Konjunkturprognose. Eine Abschwächung der Weltkonjunktur, die Krise im Euroraum und der Sparkurs in vielen EU-Ländern führen dazu, dass das Wachstumstempo der deutschen Wirtschaft im Lauf des kommenden Jahres stetig abnimmt und sich die konjunkturellen Aussichten für 2012 deutlich eintrüben. Im kommenden Sommer stehe die Konjunktur "am Scheideweg", warnt das IMK.

Gegenüber ihrer Prognose vom Oktober erhöhen die Konjunkturexperten ihre Erwartung für die deutsche BIP-Entwicklung 2011 um 0,6 Prozentpunkte. Den Wert für 2010 setzen sie geringfügig um 0,2 Prozentpunkte herauf.

"Die furiose Aufholjagd der letzten Monate trägt die deutsche Wirtschaft mit Rückenwind ins neue Jahr. Aber danach brauchen wir neue Impulse. Und davon ist derzeit leider nicht viel zu sehen", sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Zwar reiche das Wirtschaftswachstum bei rückläufigem Arbeitskräfteangebot aus, um die Arbeitslosigkeit weiter zu reduzieren - auf 2,96 Millionen Personen im Jahresdurchschnitt 2011. Trotzdem werde die Lohnentwicklung die schwachen Zuwachsraten des vergangenen Jahrzehnts nur langsam hinter sich lassen. Der Lohndruck durch schwach regulierte Leiharbeit, Minijobs und Arbeitsmarktreformen wie Hartz IV wirke fort, zudem würden 2011 nur für relativ wenige Beschäftigte neue Tarifverträge verhandelt. "Wir rechnen 2011 im gesamtwirtschaftlichen Schnitt mit effektiven nominalen Lohnzuwächsen von 1,6 Prozent pro Stunde und mit einer knapp positiven Reallohnentwicklung. Der Trend zeigt nach oben. Aber er ist noch nicht kräftig genug, um einen Konsumboom zu entfachen und die Binnennachfrage so zu stärken, wie es gegenwärtig nötig wäre", sagt Horn.

Denn gleichzeitig läuft die stimulierende Wirkung der Konjunkturprogramme im In- und Ausland endgültig aus. Der deutsche Export wächst 2011 weit weniger stark als 2010, prognostiziert das IMK. Hintergrund: Mehrere asiatische Länder bremsten bereits das Wachstum ihrer Volkswirtschaft, um eine Überhitzung zu verhindern. Die Erholung in den USA dürfte weiterhin schleppend verlaufen. Und angesichts der Turbulenzen im Euroraum sehen die Forscher die Gefahr, dass immer mehr Mitgliedsländer der Währungsunion "überaus harte Sparprogramme" auflegen werden, um zu versuchen, die Finanzmärkte zu beruhigen. So werde die Wirtschaft in der Eurozone ohne Deutschland im Jahresdurchschnitt 2011 nur um 0,6 Prozent wachsen. Der weitere Ausblick des IMK fällt daher für den Euroraum und für Deutschland skeptisch aus: "Für 2012 kann ein Abschwung oder gar eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Prognose, die heute als IMK Report 58 veröffentlicht wird.*

Zentrale Daten der Prognose (alle Rahmen- und Eckdaten in den Tabellen 3 und 4 auf den Seiten 9 und 15 des Prognose-Reports; siehe Link unten):

Arbeitsmarkt: Die Entwicklung bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ist weiter positiv, schwächt sich allerdings im Gefolge der Konjunktur gegen Ende 2011 ebenfalls ab. Die Erwerbstätigkeit im Inland nimmt 2010 um durchschnittlich 205.000 Personen zu, 2011 um weitere 340.000. Die Arbeitslosenzahl wird im Jahresdurchschnitt 2010 bei rund 3,2 Millionen liegen, was einer Arbeitslosenquote von 7,7 Prozent entspricht. 2011 sinkt die Arbeitslosigkeit weiter auf dann 2,96 Millionen im Jahresdurchschnitt (Quote: 7,0 Prozent).

Außenhandel: Der deutsche Export hat 2010 mit einem Zuwachs von 15 Prozent im Jahresdurchschnitt einen regelrechten Boom erlebt, der vor allem von den Ausfuhren nach China und in andere südostasiatische Schwellenländer getragen ist. Im kommenden Jahr wird die Erholung der Weltkonjunktur aber an Tempo verlieren. Daher halbiert sich das Exportwachstum 2011 auf 7,4 Prozent. Entsprechend entwickeln sich auch die Importe: 2010 steigen sie um durchschnittlich gut 14 Prozent, 2011 um sieben Prozent.

Investitionen: Die Investitionstätigkeit in Ausrüstungen hat sich 2010 kräftig erholt. Sowohl die Auslands- als auch eine stärkere Binnennachfrage haben zu einem Wachstum um 10,2 Prozent im Jahresdurchschnitt beigetragen. Allerdings handelt es sich nach wie vor überwiegend um Ersatz-, nicht um Erweiterungsinvestitionen, zudem ist das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. 2011 schlägt die geringere wirtschaftliche Dynamik auch hier durch: Die Ausrüstungsinvestitionen nehmen um 6,1 Prozent zu. Die Bauinvestitionen werden in diesem Jahr durch die kräftige Ausweitung bei öffentlichen Bauten geprägt, zudem entwickelt sich der Wohnungsbau bei weiterhin niedrigen Zinsen relativ stark. 2011 werden die Impulse jedoch deutlich nachlassen.

Konsum: Der private Konsum belebt sich in diesem und im kommenden Jahr, allerdings zunächst lediglich moderat. 2010 werden die realen privaten Konsumausgaben bei leicht steigenden real verfügbaren Einkommen sowie einer steigenden Sparquote um 0,5 Prozent zunehmen. 2011 dürften die real verfügbaren Einkommen als Folge der besseren Situation am Arbeitsmarkt und spürbar steigender Selbständigen- und Vermögenseinkommen stärker zulegen. Die Konsumausgaben nehmen um 1,5 Prozent im Jahresdurchschnitt zu.

Inflation und öffentliche Defizite: Die Teuerungsrate bleibt weiterhin klar unter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank. Für 2010 rechnet das IMK mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,1 Prozent, für das kommende Jahr gehen die Wissenschaftler von 1,3 Prozent aus. Die deutschen Staatsfinanzen entwickeln sich infolge geringerer Arbeitslosigkeit und höherer Steuereinnahmen relativ positiv. Das Staatsdefizit 2010 beträgt 3,4 Prozent, 2011 geht es auf 2,3 Prozent zurück und liegt damit deutlich unter der Grenze, die der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt.

(*) Gustav Horn, Peter Hohlfeld, Torsten Niechoj, Sabine Stephan, Silke Tober, Simon Sturn, Rudolf Zwiener, Achim Truger, Fabian Lindner:
Konjunktur am Scheideweg. IMK-Prognose der wirtschaftlichen Lage 2011.
IMK Report Nr.58, Dezember 2010.
Download unter:
http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_58_2010.pdf

Infografik zum Download im neuen Böckler Impuls 20/2010:
http://www.boeckler.de/32014_111310.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution621


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 16.12.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010