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FINANZEN/112: Undurchsichtige Geschäfte - Die Finanzen des Heiligen Stuhls ... (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 12/2010

Undurchsichtige Geschäfte
Die Finanzen des Heiligen Stuhls und das Dauerproblem IOR

Von Ralph Rotte


Unlängst ist die Vatikanbank IOR (Istituto per Opere di Religione) wieder einmal in die Schlagzeilen geraten. Dieses seit 1942 bestehende Geldinstitut spielt für das Finanzgebaren des Heiligen Stuhls eine wichtige Rolle. Gleichzeitig besteht bei der Vatikanbank dringender Reformbedarf, über die von Benedikt XVI. bisher verfügten Maßnahmen hinaus.

Am 20. September 2010 haben italienische Behörden in einer aufsehenerregenden Aktion etwa 22 Millionen Euro (30 Millionen US-Dollar) einer Transaktion des Istituto per Opere di Religione (IOR) bei der Credito Artigiano an die Banca del Fucino und JP Morgan Frankfurt wegen des Verdachts auf Geldwäsche beschlagnahmt. Im Zuge dieser Maßnahme wurde außerdem bekannt, dass Ermittlungen gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden des landläufig als "Vatikanbank" bekannten IOR, Ettore Gotti Tedeschi und den Generaldirektor Paolo Cipriani aufgenommen worden sind. Im Visier der römischen Staatsanwaltschaft befinden sich außerdem zehn italienische Banken, über die in den letzten zwei Jahren etwa 180 Millionen Euro intransparente Überweisungen gelaufen sein sollen, was den Verdacht von Geldwäsche, Betrug und Steuerhinterziehung in großem Stil nach sich gezogen hat.

Während Ettore Tedeschi bislang lediglich mögliche Formfehler eingestand, die von den Medien für willkommene Vatikan-Schelte genutzt würden, erfolgten prompt die Verurteilung der Aktion und die Betonung der Unterstützung der IOR-Spitze durch die Kurie. Nach anfänglichem Zögern hat der Vatikan aber mittlerweile seine Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden bei der Untersuchung der Vorwürfe angekündigt. Gleichwohl sind durch diese Vorkommnisse altbekannte Fragen über die Finanzgebaren des Heiligen Stuhls und die Geschäfte der mit ihm verbundenen Institutionen, allem voran des IOR, wieder aufgeworfen worden.


Wo steht der Heilige Stuhl finanziell?

Dabei hat sich die finanzpolitische Lage des Heiligen Stuhls trotz der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise in den letzten Jahren durchaus stabilisiert. Die jährlich veröffentlichten konsolidierten Bilanzen des Heiligen Stuhls zeigen, dass er 2008 und 2009 ein Haushaltsdefizit von 0,9 beziehungsweise 4,1 Millionen Euro aufwies, nachdem 2007 noch ein Fehlbetrag von 9,1 Millionen Euro erwirtschaftet worden war. Der Gesamtumfang des Haushalts betrug 2009 rund 250 Millionen Euro (Einnahmen). Hauptausgabenposten waren unter anderem die Aufwendungen der Dikasterien und die Medienaktivität des Heiligen Stuhls, insbesondere Radio Vatikan.

Insgesamt beschäftigte der Heilige Stuhl 2009 2762 Angestellte, davon 1652 Laien. Haupteinnahmequellen sind neben Einnahmen aus Institutionen und Kongregationen (Stiftungserträge, Spenden, Wirtschaftsaktivitäten) Erträge aus dem Anlagevermögen des Heiligen Stuhls (Finanzanlagen, Immobilien) sowie Beiträge der Bischöfe der Weltkirche gemäß can. 1271 CIC. Letztere umfassten 2009 82,5 Millionen US-Dollar nach 75,8 Millionen US-Dollar im Jahr 2008. Hauptgeber waren die Diözesen in den USA, Deutschland und Frankreich.


Die Finanzen des Heiligen Stuhls sind zu unterscheiden von denen "der" katholischen Kirche. Letztere gibt es an sich nicht, denn finanzwirtschaftlich ist die Kirche ausgesprochen dezentral organisiert, so dass jede Diözese ihre eigenen Finanzen unabhängig von der Kurie verwaltet. Es sind auch die Ortskirchen, die letztlich unmittelbar von staatlichen Leistungen wie der Kirchensteuer oder der Übernahme von Personal- und Sachkosten durch die jeweilige öffentliche Hand (Besoldung von Religionslehrern, Zuschüsse zu Bauten und Renovierungen usw.) profitieren. Für Italien werden diese Leistungen auf rund 2 Milliarden Euro jährlich geschätzt; in Deutschland erbringt die Kirchensteuer rund 4 Milliarden Euro jährlich. In der Folge ist etwa der Haushalt einer der großen deutschen Diözesen allein deutlich größer als derjenige des Heiligen Stuhles.

Die Vatikanstadt als vom Papst geführter Staat hat ebenfalls einen eigenen Haushalt, der für 2009 vor allem aufgrund diverser Restaurationsarbeiten an Gebäuden und Kunstwerken (beispielsweise an den Kolonnaden des Petersplatzes, den vier römischen Hauptbasiliken und der Vatikanischen Bibliothek) ein Defizit von 7,8 Millionen Euro auswies.


Neben den in der konsolidierten Bilanz des Heiligen Stuhls aufgeführten Finanzmitteln der Kurie gibt es auch Gelder, die sich in unmittelbarer persönlicher Verfügung des Papstes befinden. Dazu gehören die Spenden der Gläubigen in Form des Peterspfennigs sowie die Erträge des IOR. Der Peterspfennig ist abhängig von der Popularität des Papstes und der Kirche insgesamt, was in den letzten Jahren angesichts der gravierenden Pädophilie-Skandale zu Befürchtungen massiver Einbrüche in der Spendenbereitschaft der Gläubigen geführt hat. Tatsächlich haben sich diese Befürchtungen als grundlos erwiesen. 2009 betrug das Aufkommen des Peterspfennigs 82,5 Millionen US-Dollar (etwa 65,3 Millionen Euro) nach 79,8 beziehungsweise 75,8 Millionen US-Dollar in den Jahren 2007 und 2008 (2005: 46,7 Millionen US-Dollar, 2006: 74,6 Millionen US-Dollar). Der Großteil der Spenden stammt aus den USA, Italien und Frankreich.

Unter dem Pontifikat Benedikts XVI. setzt sich damit der unter Johannes Paul II. begonnene Trend zur Bedeutungszunahme des Peterspfennigs als Einnahmequelle des Heiligen Stuhls trotz des kleinen Einbruchs in Folge der Finanzkrise weiter fort. Der Beitrag des IOR zu den Finanzen des Papstes bestand 2009 in der Überweisung eines Überschusses in Höhe von 50 Millionen US-Dollar.


Natürlich spiegeln die summarischen öffentlichen Bilanzen des Heiligen Stuhls in keiner Weise die tatsächliche Vermögenslage wieder. Sie beschränken sich lediglich auf die weitgehend liquiden laufenden Mittel und geben keine Informationen über die sonstigen Besitztümer des Heiligen Stuhls, die im Übrigen schwer monetär zu bewerten sind. Dies betrifft vor allem den Immobilienbesitz in Rom und im übrigen Italien, der mindestens 10 000 steuerbefreite Grundstücke umfassen soll. Andere Quellen gehen davon aus, dass sich bis zu 20 Prozent der Immobilien in Italien im (Mit-)Besitz des Heiligen Stuhls und der italienischen Kirche befinden sollen. Hinzu kommen die Kunstschätze des Vatikans von wohl immensem, aber kaum zu bezifferndem Marktwert. Man kann entsprechend mit Fug und Recht behaupten, dass der Heilige Stuhl tatsächlich reich ist, aber nicht flüssig, was die permanente Tendenz zum Defizit erklärt, die die vatikanischen Haushalte seit jeher auszeichnet.


Die Rolle des IOR in der päpstlichen Finanzwirtschaft

Die genannten Zahlen verdeutlichen, dass dem IOR durchaus eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der päpstlichen Aktivitäten zukommt, ist sein Beitrag doch beispielsweise quantitativ bedeutsamer als etwa der der Bischöfe der Weltkirche. Tatsächlich spielt das IOR in der vatikanischen Finanzwirtschaft eine besondere Rolle. Man kann vereinfacht davon ausgehen, dass es innerhalb der Finanzinstitutionen des Heiligen Stuhls so etwas gibt wie eine Arbeitsteilung nach Geschäftsfeldern: Die APSA (Administration des Patrimoniums des Heiligen Stuhls) verwaltet das Stiftungskapital, das dem Heiligen Stuhl durch die Lateranverträge von 1929 zugeflossen ist. Sie ist für das Bar- und Anlagevermögen sowie die Personalverwaltung und den Pensionsfonds für die Angestellten zuständig. Insbesondere hinsichtlich der Immobilienverwaltung spielt neben der APSA zudem auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker (Propaganda Fide [PF]) eine bedeutende Rolle.

Dem IOR kommt schließlich unter anderem die Funktion einer Investmentbank für alle übrigen Anlagegeschäfte zu. Darüber hinaus kann man sie als Girozentrale und Sparkasse der Kurie und kirchlichen Institutionen betrachten. Das Anlagevolumen des IOR, das keine Bilanzen veröffentlicht und keine öffentliche Rechnungslegung betreibt, wird heute auf rund 5 Milliarden Euro geschätzt. Äußerungen von Aufsichtsratsmitgliedern deuteten für das Ende der achtziger Jahre und die Mitte der neunziger Jahre ein Anlagevermögen von 7 beziehungsweise 4 Milliarden US-Dollar an.


Vorläuferin des IOR war die 1887 von Leo XIII. gegründete Kommission für fromme Zwecke - seit Pius X. 1908 Amministrazione delle Opere di Religione (AOR) - als Verwaltungsinstanz für das päpstliches Vermögen und die Einnahmen aus den Ausgleichszahlungen durch Italien nach der Zerschlagung des Kirchenstaats 1870. 1942 wandelte Pius XII. die AOR in das IOR um, das seit 1944 als echte Bank fungiert. Rechtlich ist der Papst Alleineigentümer des IOR, das in seinem Auftrag agiert und nicht zur APSA oder anderen Einrichtungen der Kurie gehört, sondern direkt dem Oberhaupt der katholischen Kirche untersteht. Entsprechend gibt es hinsichtlich der Einlagen beim IOR auch keinen Bezug zu den Laterangeldern. Grundsätzlich können nur katholische Einrichtungen (Diözesen, Orden, Stiftungen) ein Konto beim IOR einrichten. Hinzu kamen in der Vergangenheit jedoch beispielsweise auch kirchennahe Privatpersonen. Das IOR beschäftigt rund 120 Mitarbeiter. Der Gewinn, den das IOR erwirtschaftet, steht abgesehen von einem Vorabzug für Verwaltung usw. in Höhe von rund 15 Prozent dem Papst zu.

Für die Geschäfte der IOR gilt, dass keine Kreditvergabe erfolgt, sondern sich die Aktivitäten der Bank auf das Giro- und das Investmentgeschäft beschränken. Je nach Quelle ist von etwa 1500 bis zu 10 000 Kunden beziehungsweise Kontoinhabern die Rede. Weder die Kunden noch die geschäftlichen Transaktionen und die Geschäftsergebnisse des IOR werden publiziert. Das IOR agiert entsprechend bis heute praktisch im Geheimen; lediglich der Beitrag zum Haushalt des Papstes wird veröffentlicht. Dieser Schutz der Anonymität wird auf das Konkordat mit Italien 1929 zurückgeführt. Gleichwohl gibt es aufgrund der beabsichtigten Diskretion (und Intransparenz) der IOR-Aktivitäten immer wieder - meist vergebliche - Ermittlungen der römischen Staatsanwaltschaft, wie beispielsweise 2007 bezüglich eines Kontos des IOR bei der Banca di Roma, auf dem aus ungeklärten Quellen monatlich Einzahlungen von 32 bis 80 Millionen Euro eingingen.


Gemäß einer Verfügung Johannes Pauls II. vom 1. März 1990 sieht die Organisationsstruktur des IOR heute folgendermaßen aus: An der Spitze steht als zentrales Entscheidungsorgan für Grundsatzfragen der Bankorganisation und -ausrichtung eine vom Papst eingesetzte Kardinalskommission (Commissione Cardinalizia) aus fünf Kardinälen. Sie wird gegenwärtig vom Staatssekretär des Heiligen Stuhls, Kardinal Tarcisio Bertone, geleitet. Die Kardinalskommission ernennt den Aufsichtsrat (Consiglio di Sovrintendenza) mit fünf Mitgliedern und auf dessen Empfehlung die Direktion mit dem Generaldirektor und seinem Stellvertreter, die für das operative Geschäft der Bank zuständig sind. Die Kardinalskommission benennt außerdem einen Prälaten als ihren Sekretär und Berichterstatter mit Einsichtsrecht in alle Akten des IOR. Der Aufsichtsrat ernennt außerdem Revisoren.


Skandale der Vergangenheit

Die Mitglieder des Aufsichtsrates und der Direktion sind mittlerweile professionelle Bankmanager, in der Regel Laien, die der katholischen Kirche nahe stehen. Zur Optimierung des Managements der Bank, welches dem IOR auch offenbar eine robuste Bewältigung der Finanzkrise gestattete, werden auch regelmäßig externe Spitzenkräfte internationaler Geschäftsbanken zu Beratungszwecken herangezogen, etwa von der Deutschen Bank oder der UBS.

In der Öffentlichkeit ist das IOR jedoch weniger durch gute Managementergebnisse als durch die häufige skandalöse Verwicklung in illegale oder unethische Geschäfte bekannt. So investierte es (teilweise noch als AOR) in den dreißiger Jahren in die Aufrüstung Italiens und in den sechziger Jahren in Pharmaunternehmen, die unter anderem die Anti-Baby-Pille produzierten. In den sechziger Jahren war das IOR angeblich in umfangreiche Geldwäscheaktivitäten der italienischen und US-amerikanischen Mafia verstrickt.

Unter dem Vorsitz von Erzbischof Paul Marcinkus, der von 1971 bis 1989 Chef des IOR war, wurde die Vatikanbank Haupteigner der Banco Ambrosiano, die massiv Geldwäsche für die sizilianische Mafia betrieb. Darüber hinaus wurde über die Banco Ambrosiano in den siebziger und achtziger Jahren angeblich die geheime Finanzhilfe des Heiligen Stuhls und der CIA für die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc in Polen abgewickelt. 1982 geriet Erzbischof Marcinkus wegen Beihilfe zu Transaktionen an Scheinfirmen im Ausland ins Visier der italienischen Justiz, wurde aber wegen seiner diplomatischen Immunität nicht verhaftet. Der Präsident der Banco Ambrosiano, Roberto Calvi, beging im gleichen Jahr unter ungeklärten Umständen in London (angeblich) Selbstmord, nachdem die Bank in einem der größten Finanzskandale Italiens mit 1,4 Milliarden Euro Verlusten in Konkurs gehen musste. 1987 kollabierte die Banco Ambrosiano schließlich mit Gesamtverlusten von rund 3 Milliarden US-Dollar. Während der Heilige Stuhl offiziell an der Unschuld von Marcinkus festhielt, leistete das IOR dennoch rund 240 Mill ionen US-Dollar als Kompensation an die Geschädigten.

In den neunziger Jahren geriet das IOR wiederum in die Schlagzeilen, unter anderem weil beispielsweise Bischof Salvatore Cassisa Gelder, die für die Renovierung des Domes von Monreale auf Sizilien vorgesehen waren, über IOR-Konten abzweigte, oder gegen Kardinal Michele Giordano aus Neapel wegen Steuerhinterziehung ermittelt wurde.


Reformen nach dem Amtsantritt Benedikts XVI.

Der Skandal um die Banco Ambrosiano veranlasste Johannes Paul II. 1989/90 zu einer Umstrukturierung des IOR nach dem oben genannten Muster. Erzbischof Marcinkus wurde als Leiter des IOR abgelöst und in eine Diözese in Arizona abschoben, wo er 2006 verstarb. Zur besseren Kontrolle wurde die Kardinalskommission als "Wächterrat" eingesetzt. Die Errichtung des Amtes des Prälaten sollte eine permanente Einsicht in die geschäftlichen Aktivitäten des IOR ermöglichen. Der Prälat sollte quasi als Kommissar der Kardinalskommission und des Papstes Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und ein rechtzeitiges Gegensteuern ermöglichen. Tatsächlich erwiesen sich diese Maßnahmen jedoch als Strohfeuer. Johannes Paul II., der offenbar an konkreten Finanzfragen nicht sonderlich interessiert war, ließ das Amt des Prälaten ab 1993 unbesetzt.


Benedikt XVI. widmete sich bereits verhältnismäßig kurz nach seinem Pontifikatsantritt dem IOR. Er ernannte Bischof Piero Pioppo zum Prälaten des IOR (Juli 2006) und ließ den 80-jährigen Lelio Scaletti durch Paolo Cipriani als Generaldirektor des IOR ablösen (Juni 2007). Im September 2009 wurde Angelo Caiola als Aufsichtsratsvorsitzender durch den renommierten Wirtschaftsethiker der Universität Mailand und Repräsentanten der Bank Santander in Italien, Ettore Gotti Tedeschi, ersetzt. Angeblich wurde er von Benedikt XVI. berufen, um das IOR von illegalen und rufschädigenden Geschäftspraktiken zu "säubern".

Im Januar 2010 wurde der frisch zum Erzbischof erhobene Piero Pioppo auf den Nuntiusposten für Kamerun und Äquatorialguinea abgeschoben. Das Amt des Prälaten wurde jedoch nicht wiederbesetzt. Vielmehr wurde der Präsident der APSA, Kardinal Attilio Nicora, damit beauftragt, die Geschäfte des IOR und der PF zu beaufsichtigen. Außerdem soll es angeblich zukünftig keine Verpflichtung für Kardinäle, Bischöfe und Orden mehr geben, ein Konto beim IOR zu führen. Anonyme Bankkonten und solche von Privatpersonen soll es zukünftig nicht mehr geben.


Im Frühjahr 2010 nahm der Heilige Stuhl außerdem Verhandlungen mit der OECD über eine Aufnahme in die so genannte "weiße Liste" auf, die Staaten beinhaltet, die in ihrer Bankgesetzgebung und -aufsicht internationale Standards, insbesondere hinsichtlich der Information ausländischer Behörden über Banktransaktionen, einhalten. Gleichzeitig näherte sich der Heilige Stuhl auch der Financial Action Task Force (FATF) der OECD an, die sich insbesondere der Bekämpfung von Geldwäsche widmet. Bislang haben diese Ansätze jedoch noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt, was nach Aussage von OECD-Vertretern vor allem an der schleppenden Verhandlungsführung der Vatikanvertreter liegt.


Hintergrund für die von Benedikt XVI. innerhalb der letzten eineinhalb Jahre erlassenen personellen und organisatorischen Änderungen waren unter anderem die Enthüllungen des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi in seinem Buch "Vatikan AG" (2009, dt.: Salzburg 2010). Darin beschreibt er unter anderem die auch nach 1990 weiter laufenden illegalen oder zumindest unlauteren Geschäfte des IOR, etwa die Nutzung von IOR-Konten durch Giulio Andreotti und andere, unter anderem der ehemaligen Democrazia Cristiana nahe stehende Politiker für die Wäsche von Mafiageldern beziehungsweise Bestechung, Vetternwirtschaft und Steuerhinterziehung. Üblicherweise wurden dafür IOR-Konten angeblicher religiöser und humanitärer Stiftungen verwendet.


Dringender Handlungsbedarf für den Papst

Dass die Reformmaßnahmen Johannes Pauls II. offenbar wenig fruchteten, zeigt auch der Missbrauch von IOR-Konten durch Kardinal Crescenzio Sepe (Neapel) während dessen Vorsitz der PF in den Jahren 2001 bis 2006. Er wickelte angeblich über das IOR diverse Immobilienkäufe und -verkäufe ab, darunter auch 2004 den Verkauf eines Gebäudes der PF an den damaligen Verkehrsminister im Kabinett Berlusconi, Pietro Lunardi, zu einem "stark ermäßigten" Preis. Im Gegenzug dafür soll Lunardi 2,5 Millionen Euro an die PF gespendet haben, die jedoch anscheinend nie für den offiziell vereinbarten Spendenzweck verwendet wurden.


Fasst man die Probleme des IOR knapp zusammen, so lassen sich vier Hauptfelder identifizieren, in denen angesichts der essentiellen Bedeutung moralischer Integrität für das Selbstverständnis und die Außenwirkung der katholischen Kirche dringender Reformbedarf besteht: die mangelnde Transparenz des Geschäftsbetriebes, insbesondere die fehlende öffentliche Rechnungslegung und Bilanzierung; die mangelnde Umsetzung und Befolgung internationaler Abkommen gegen Geldwäsche, beispielsweise durch das extreme Festhalten an Diskretion und Anonymität; der unübersichtliche, teilweise nicht dem offiziellen Zweck des IOR entsprechende Kunden- und Nutzerkreis, etwa Scheinstiftungen und Politiker; die trotz der bisherigen Geschäftserfolge noch immer nicht erfolgte wirkliche Professionalisierung der Aufsicht der Bank.


Offenbar gibt es nicht nur von interessierter Kundenseite, sondern auch im Apparat der Kurienbürokratie eine durchaus ernst zu nehmende Skepsis und Opposition gegenüber nachhaltigen Reformen des IOR. Ursache hierfür mag die Ablehnung betriebswirtschaftlicher Prioritäten gegenüber ethischen Zielen und Ansprüchen sein. Ebenso denkbar sind aber auch handfeste Einzelinteressen von Klerikern und Kurienmitgliedern, die keine Intention haben, die etablierten finanzwirtschaftlichen und -politischen Optionen, die das IOR bietet, aus der Hand zu geben.

Bezeichnend hierfür ist ein unlängst von Ettore Tedeschi im Osservatore Romano publizierter Artikel (OR, deutschsprachige Ausgabe vom 22. Oktober 2010). Darin betont er einerseits, dass das "Streben nach dem Guten (...) sich auch in den für das Wirken der Kirche notwendigen weltlichen Aktivitäten widerspiegeln soll, also dort, wo die Auseinandersetzung mit der äußeren Welt besonders offenkundig wird und wo es deshalb erforderlich ist, nicht nur effizient, sondern wirklich vorbildhaft und damit auch glaubwürdig zu sein". Globalisierung und Wirtschaftskrise "erfordern eine Anpassung an die neuen Verhaltensanforderungen, was in besonderer Weise für die Wirtschaftseinrichtungen der Kirche gilt, die sich darum bemühen müssen, in effizienter Weise die Verwaltung und den Gebrauch der für die religiösen Werke nötigen Ressourcen zu optimieren".

Auf der anderen Seite weist er jedoch darauf hin, dass diese Einrichtungen zwar "nicht nur ihre eigenen Kapazitäten stärken [müssen], sondern auch ihre Glaubwürdigkeit, um nicht die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beschädigen", jedoch "die eigene juristische Natur, die auf der Welt einzigartig und zur Erfüllung ihrer Sendung notwendig ist, nicht verändert werden [darf]. Diese Natur muss vielmehr durch die Verbesserung der operativen Kapazitäten (...) bewahrt werden. Dazu braucht es auch eine ethische Gesinnung."

Jenseits der verschnörkelten Ausdrucksweise, die durchaus typisch für den vatikanischen Kontext ist, bedeutet dies im Klartext: Man hat im Vatikan das Problem des IOR in seiner Reichweite wohl erkannt, doch zu wirklich konsequenten Schritten konnte man sich bislang noch nicht durchringen. Damit drohen jedoch wieder - wie so oft beim IOR - Verschleppung und Verschleierung. Benedikt XVI., der mit der Enzyklika Caritas in veritate die moralische Verantwortung der Wirtschaft und der ökonomisch Handelnden so vehement unterstrichen hat, ist aufgefordert, nunmehr massive Konsequenzen zu ziehen und das IOR wirklich grundsätzlich zu reformieren - auch um den Preis eines harten Konflikts innerhalb der Kurie. Möglicherweise deuten Gerüchte eines anstehenden Organgesetzes (Motu proprio) über eine große Finanzreform des Heiligen Stuhls darauf hin, dass diese Konsequenzen tatsächlich in absehbarer Zeit endlich bevorstehen.


Ralph Rotte (geb. 1968), Dipl.-Politikwissenschaftler und Dipl.-Volkswirt, promovierte und habilitierte an der Universität der Bundeswehr München und ist seit 2001 Professor für Politikwissenschaft/Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
64. Jahrgang, Heft 12, Dezember 2010, S. 605-609
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2011