Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


FORSCHUNG/929: Passauer Studie in Burkina Faso - Hilfe zur Seh-Hilfe wirkt (idw)


Universität Passau - 28.11.2018

Passauer Studie in Burkina Faso: Hilfe zur Seh-Hilfe wirkt


Eine Passauer Studie zeigt, dass Brillen, die nur wenige Dollar kosten, für Menschen in Burkina Faso immer noch zu teuer sind. Subventionen könnten helfen, die Lebensumstände dieser Menschen entscheidend zu verbessern.

Mangelndes Sehvermögen ist eine der meistverbreiteten Behinderungen weltweit. Das World Economic Forum schätzt, dass etwa 2,5 Milliarden Menschen betroffen sind, 80 Prozent davon leben in Entwicklungsländern. Schlechte Augen sind ein ökonomischer Faktor: Sie verschärfen Ungleichheit und Armut.

Eine Lösung bietet EinDollarBrillen e.V.: Brillen, die aus einem leichten und flexiblen Federstahlrahmen und vorgefertigten Gläsern bestehen, können vor Ort mit Hilfe einfacher Biegemaschinen hergestellt werden. Die Materialkosten betragen ungefähr einen US Dollar, daher der Name. Trotzdem ist der Vertrieb der EinDollarBrillen über den regulären Markt schwierig.

Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics an der Universität Passau, und Renate Hartwig, Entwicklungsökonomin an der Universität Passau und der belgischen Universität Namur, haben in einer Studie die Ursachen dafür analysiert. Ihr Fazit: Die Brillen kosten zwar nur jeweils 8,6 US Dollar, das ist aber für viele Menschen in der untersuchten Region im Norden von Burkina Faso immer noch zu teuer. "Unsere Studie ergibt, dass in einem Umfeld, in dem die Ressourcen extrem knapp sind, bis zu 88 Prozent des Marktpreises der Brillen subventioniert werden müssten, um 90 Prozent der Betroffenen zu erreichen", fassen sie die Ergebnisse zusammen.

Die Erkenntnisse im Einzelnen:

Die Menschen sind im Durchschnitt bereit, etwa 1,75 US Dollar für eine Brille zu zahlen. Das entspricht 20 Prozent des derzeitigen Marktpreises von 8,6 US Dollar und deckt nicht die Herstellungskosten der Brillen. Die Zahlungsbereitschaft mag niedrig erscheinen, gemessen am Durchschnittseinkommen der untersuchten Gruppe ist sie allerdings hoch: Sie entspricht etwa 28 Prozent des monatlichen Bareinkommens.

Das Bewusstsein für den Wert der Brille kann mit einer Informations-Kampagne gesteigert werden. Viele Menschen können den Wert der Brille nicht richtig einschätzen. Wenn sie vor dem Kauf ein Video gezeigt bekommen, das sie diesbezüglich sensibilisiert, steigt die Zahlungsbereitschaft.

Negative Effekte von Subventionen bleiben aus. Selbst wenn die Menschen einen geringeren Preis für die Brille zahlen, nutzen sie diese weiterhin stark und gerne. Sie wären sogar bereit, einen 80 Prozent höheren Betrag zu zahlen, nachdem sie die Brille über einen Zeitraum von sechs Monaten genutzt haben. Offenbar ist die Wertschätzung in der Zwischenzeit also enorm gestiegen.

Die Forscherin und der Forscher führten eine Feldstudie in 21 Dörfern um die Stadt Kaya im Norden von Burkina Faso durch - eine der weltweit ärmsten Gegenden. Die finanziellen Ressourcen der Menschen dort sind extrem knapp. Um die Zahlungsbereitschaft herauszufinden, wandte das Forschungsteam eine Variante der Becker-DeGroot-Marschak (BDM) Methode an.

Die Forschenden forderten die 412 Teilnehmenden auf, einen Preis für die Brille zu bieten. Lag das Gebot über einem zufällig gezogenen Preis, erhielt die Bieterin oder der Bieter die Brille zu diesem Preis. So entstand ein Anreiz, einen Preis entsprechend der eigenen Wertschätzung zu nennen. Sechs Monate später befragten der Forscher und die Forscherin jene Teilnehmenden, die erfolgreich eine Brille erworben haben, zu ihrem Nutzungsverhalten. Sie konnten hier keinen Beleg für Marktverzerrungen durch den niedrigen Preis feststellen. Im Gegenteil: Die Wertschätzung der Teilnehmenden für die Brille stieg durch ihre Erfahrungen im Alltag.


Originalpublikation:
ftp.iza.org/dp11929.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution79

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Passau, 28.11.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang