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FRAGEN/034: Kommt der große Krach auf den Weltfinanzmärkten? - Interview mit Prof. Dr. Gunther Schnabl (idw)


Universität Leipzig - 08.02.2018

Kommt der große Krach auf den Weltfinanzmärkten? - Interview mit Prof. Dr. Gunther Schnabl

von Katrin Henneberg


Am Montag (5. Februar 2018) sind in New York (USA) die Aktienpreise stark gefallen. Der DOW Jones verlor zeitweise über sechs Prozent. Es folgten Kursstürze in Tokio, Frankfurt und London. Inzwischen haben sich die Kurse erholt, aber die Nervosität auf den weltweiten Börsen ist groß. Die Besorgnis wächst, dass nach einer beeindruckenden neunjährigen Rallye eine schmerzhafte Krise bevorsteht.


Frage: Warum könnte es gerade jetzt zu einer Wende auf den Finanzmärkten kommen, die Weltkonjunktur läuft doch gut?

Prof. Dr. Gunther Schnabl: Die wirtschaftliche Entwicklung wird immer mehr von den Finanzmärkten bestimmt. Ist die Stimmung auf den Weltfinanzmärkten gut, dann wird auch mehr konsumiert und investiert. Das Wachstum beschleunigt sich, und die Arbeitslosigkeit sinkt. Kommt es zur Finanzkrise, dann trübt sich schnell die Stimmung ein, und die Bänder stehen still. Wir haben seit dem Jahr 2009 einen immensen Aufschwung auf den Aktienmärkten erlebt. Der DOW Jones Industrial ist um 300 Prozent und der DAX um 270 Prozent gestiegen. Die gute Stimmung auf den Finanzmärkten wurde von einer zögerlichen wirtschaftlichen Erholung in den Industrieländern begleitet. Das war alles positiv. Allerdings erhöht der Aufschwung auch die Wahrscheinlichkeit, dass die großen Zentralbanken - allen voran die US-amerikanische Federal Reserve Bank (Fed) - die Zinsen wieder erhöhen. Straffere Geldpolitiken dürften eine große Kurskorrektur auf den Aktienmärkten auslösen.

Woran machen Sie das fest?

Die Aktienpreise spiegeln unter normalen Umständen die Leistungsfähigkeit der Unternehmen wider. Allerdings haben sich seit 2009 die Kurs-Gewinn-Verhältnisse deutlich verschlechtert. Das bedeutet, dass die Aktienkurse gestiegen sind, ohne dass sich die Gewinne der Unternehmen entsprechend verbessert haben. Das lag im Wesentlichen an den Zentralbanken, die in Reaktion auf die globale Finanz- und Schuldenkrise (2007/08) die Zinsen gegen Null gesenkt und im großem Umfang Staats- und Unternehmensanleihen gekauft haben. Die von den Zentralbanken geschaffene Geldschwemme hat nicht nur die Finanzierungskosten der Unternehmen deutlich gesenkt. Die Anleger wurden auch in die Aktien von Industrieunternehmen gedrängt, weil der Finanzsektor infolge der Finanzkrise stark reguliert wurde. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Aktienpreise von Industrieunternehmen künstlich aufgeblasen sind. Das ist gefährlich!

Was würde passieren, wenn diese Blasen platzen?

Es käme zu einer großen Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Unternehmen zwingen würde, Arbeitskräfte zu entlassen und Löhne zu senken. Es würde dann die Frage gestellt, ob die Politik des billigen Geldes die Ursache für die neue Krise ist. Ebenso würde man hinterfragen, warum Politik und Regulierung die Krise im Unternehmenssektor nicht vorhergesehen haben. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Zentralbanken die Zinserhöhungen rechtzeitig wieder abbrechen werden, um die Weltfinanzmärkte zu stabilisieren. Die Geldpolitiken von Fed, Europäischer Zentralbank (EZB), Bank von Japan und Bank von England würden dann auf Dauer sehr locker bleiben, sodass der große Krach wohl ausbleiben wird.

Das wäre doch sehr positiv. Warum wollen die Zentralbanken überhaupt aus der Politik des billigen Geldes aussteigen? Die Inflationsraten sind weltweit gering.

Es gibt zwei große Nachteile. Wie in der DDR vor der Wende lähmt billiges Geld die Anreize für Unternehmen, ihre Effizienz zu steigern. Die Aktienkurse steigen ja auch so. Deshalb sind im Verlauf der immer expansiveren Geldpolitiken die Produktivitätsgewinne weltweit zurückgegangen. Produktivitätsgewinne sind die Voraussetzung für reale Lohnerhöhungen und die Sicherung des Sozialstaates. Wenn die Produktivität fällt, was derzeit wohl schon der Fall ist, müssen auch die Löhne fallen und die soziale Sicherung zurückgebaut werden. Das bekommen immer größere Teile der Bevölkerung zu spüren.

Der Kaufkraftverlust äußert sich jedoch nicht bei den offiziell gemessenen Inflationsraten. Vielmehr steigen die Aktien- und Immobilienpreise, die Löhnen fallen und es verschlechtert sich - wie in der DDR - die Versorgung mit öffentlichen Gütern, wie Sicherheit, Straßen, Kindergärten sowie Alterssicherung. Damit haben die lockeren Geldpolitiken klare Verteilungseffekte, die vor allem auf Kosten der jungen Menschen gehen. Ihr Lohnniveau sinkt im Vergleich zu den früheren Generationen. Auch deren Arbeitsplatzsicherheit und die Rentenansprüche werden ausgehöhlt. Ich betrachte deshalb den Ausstieg aus den sehr expansiven Geldpolitiken - auch wenn er mit einer großen Finanzkrise verbunden wird - als eine zentrale Aufgabe für die Generationengerechtigkeit. Nur wenn das hemmungslose Gelddrucken aufhört, können wir langfristig wieder wachsen und die Löhne aller erhöhen.


Zur Person - Hinweis Expertendienst:

Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Professor für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, wo er das Institut für Wirtschaftspolitik leitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geldpolitik, Wechselkurse, die japanische Volkswirtschaft sowie das Werk von Friedrich August von Hayek. Die Forschungsdatenbank IDEAS zählt ihn zu den drei Prozent forschungsstärksten Wissenschaftlern in Europa. Er gehört nach dem Ranking der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zu den 100 einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. Er ist einer von mehr als 120 Experten der Universität Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen können.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Katrin Henneberg, 08.02.2018
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2018

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