Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

GEWERKSCHAFT/853: "contterm lebt!" - Gewerkschaftstag der neuen Hafenfachgewerkschaft (Geffken/Lubenova)


"contterm lebt!"

Gewerkschaftstag der neuen Hafenfachgewerkschaft in Stade

von Galya Lubenova und Rolf Geffken, 28. Juli 2013


Foto: © Rolf Geffken/Galya Lubenova

Der Vorsitzende der Hafengewerkschaft contterm, Herr Wolfgang Kurz, zieht eine positive Bilanz
Foto: © Rolf Geffken/Galya Lubenova

"Schon bei unserer Gründung war klar, dass unsere Gegner nichts unversucht lassen würden, um uns zu bekämpfen, aber wir leben und wachsen", erklärte eingangs des ausserordentlichen Gewerkschaftstages der Hafengewerkschaft contterm im Stader Kongresszentrum "Stadeum" deren Vorsitzender Wolfgang Kurz. In der Tat hatte schon 2011 der Arbeitgeberverbandspräsident Dieter Hundt vor der "Containerführergewerkschaft" contterm gewarnt. Arbeitskämpfe einer solchen "Spartengewerkschaft" wären eine akute Bedrohung für die deutsche Exportwirtschaft. Wie zur Untermauerung dieser Warnung prankte im Stader Kongresszentrum "Stadeum" über den Köpfen des Präsidiums eine Schautafel, in der die jüngsten Prognosen für den Containerumschlag bis 2030 abgebildet waren: Jährliche Steigerungen von 4,3 %. Nach Auffassung des contterm-Vorsitzenden belege diese Experten-Prognose die immer weiter wachsende Bedeutung der deutschen Seehäfen für die Gesamtwirtschaft, aber auch, wie ungerechtfertigt "die jahrelange Lohnverzichtspolitik der Gewerkschaft verdi im Hafenbereich" sei. Schon 2009 seien die Massenentlassungen bei den Gesamthafenbetrieben mit "wirtschaftlichen Problemen" begründet worden, die sich wenig später als vorgeschoben herausstellten, als es zu Neueinstellungen kam. Die Schaffung von Niedriglohngruppen in der Autoverladung und im Distributionssektor habe nur die Gewinne der Hafenunternehmen vergrössert aber die Lage der Hafenarbeiter weiter verschlechtert. Mit der Art und Weise wie der jüngste Lohnabschluss über die Bühne gegangen sei, sei der Unmut in den Häfen über die defensive Haltung von verdi nochmals gewachsen.

Die Bilanz der eigenen Arbeit sei positiv. So sei insbesondere die Rechtsschutzarbeit, in der die Gewerkschaft von der Hamburger Fachanwaltskanzlei RAT & TAT unterstützt werde, positiv. Seit 2010 habe man in über 40 Fällen Mitglieder vor Arbeitsgerichten erfolgreich vertreten. Bei einer Bremer Hafenstauerei sei trotz massiver Behinderungen durch den Arbeitgeber ein Betriebsrat gebildet worden. Vor dem Arbeitsgericht Bremen habe sich der Arbeitgeber schliesslich verpflichtet, contterm die entstandenen Schulungskosten für Wahlvorstandsmitglieder zu erstatten. In der Autoverladung in Bremerhaven sei es in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft gelungen, zur Verbesserung der Arbeitssicherheit beizutragen. Gegen ein Verbot der Gewerkschaftswerbung durch die Bremer Lagerhausgesellschaft laufe zur Zeit ein Grundsatzprozess vor dem Arbeitsgericht. Entschieden trat Kurz allen Gerüchten entgegen, dass es bei contterm "interne Konflikte" gäbe. Solche Gerüchte waren im Zusammenhang mit der Entlassung des ehemaligen Gewerkschaftssekretärs Schomacker aufgetaucht. "Herr Schomacker gehört unserer Organisation ebenso wie einige Bremerhavener Mitglieder nicht mehr an. Mit falschen und irreführenden Behauptungen versucht er jedoch weiterhin unsere Arbeit zu stören und schreckt auch vor Angriffen gegen unseren Rechtsbeistand nicht zurück", betont Wolfgang Kurz, um dann zu ergänzen: "Alle wissen, wem diese Angriffe nützen. Unsere Gegner unter den Hafenunternehmen und leider auch verdi versuchen, uns die Tariffähigkeit abzusprechen. Ebenso werden uns von Hafenbetrieben aber auch von durch verdi dominierten Betriebsräten Rechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz verweigert. Doch bislang hatten sie keinen Erfolg damit". Der Rechtsbeistand der contterm Dr. Rolf Geffken wies daraufhin, dass verdi allenfalls durch eine Statusklage den Charakter contterms als einer Gewerkschaft in Frage stellen könne. Aber man werde sich auch dagegen zu wehren wissen. Zur Zeit versuche man unterhalb dieser Ebene zu reagieren. So auch auch mit der unsinnigen Behauptung, contterm sei eine "gelbe Gewerkschaft".

Der Gewerkschaftstag wählte ein weiteres aus Bremen stammendes Mitglied in den mehrköpfigen Vorstand und verabschiedete eine neue Satzung, die die Rechte der Mitglieder in der ausschliesslich ehrenamtlich geführtenen Organisation stärkt.

In einer zum Teil lebhaften Diskussion verabschiedete er zudem mehrere Resolutionen. So forderte er einstimmig die gesetzliche Absicherung der Koalitionsfreiheit durch ein Gewerkschaftsgesetz, das die Neugründung von Gewerkschaften erleichtere. In einer Resolution zur Leiharbeit wurde ein vollständiges Verbot der Leiharbeit und die Kündigung aller Leiharbeitstarifverträge durch die DGBGewerkschaften gefordert. Gerade in den Häfen sei die Verstetigung der Beschäftigungsverhältnisse durch solche Tarifverträge gefährdet. Darüberhinaus wandte sich eine weitere Resolution gegen alle Pläne zur Schaffung eines "Tarifeinheitsgesetzes", mit dem die Koalitionsfreiheit in verfassungswidriger Weise verletzt würde. In der Tarifpolitik forderte man das "Ende des Lohnverzichts", einen einheitlichen tariflichen Mindestlohn von 10 Euro, Laufzeiten von Lohntarifverträgen von maximal einem Jahr und die Stärkung der Gesamthafenbetriebe bei gleichzeitiger Verhinderung von Leiharbeit. Aus der Reihe der Teilnehmer des Gewerkschaftstages wurde zusätzlich die Forderung erhoben, die Bereiche Seehafenlogistik und Distribution nicht weiter vom allgemeinen Seehafenbereich abzukoppeln. "Wir sind  a l l e  Hafenarbeiter", hiess in der anschliessend einstimmig verabschiedeten "Resolution Tarifpolitik".

Schliesslich fand eine "Resolution Mindestlohn" einhellige Zustimmung. In ihr fordert contterm - unabhängig von tariflichen Vereinbarungen - die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro. Die zunehmend defensive Tarifpolitik der DGB Gewerkschaften habe zur Aufweichung bislang üblicher Standards geführt. Ein Mindestlohn  u n t e r  10 Euro habe selbst bei jahrelanger Beschäftigung keine ausreichende Altersrente zur Folge. Der Lohn für geleistete Arbeit müsse aber zur Sicherung der Existenz während der Arbeit ebenso ausreichen wie im Alter.

Grussworte erreichten den Gewerkschaftstag seitens der Flugbegleitergewerkschaft UFO, des Bezirkes Nord der Gewerkschaft der Lokomotivführer GdL und seitens der Freien Arbeiter Union (FAU). Letztere war mit drei Vertretern aus Berlin zum Gewerkschaftstag gekommen, die über ihre eigene Arbeit berichteten. Die FAU hatte u.a. in Berlin bereits eigene Arbeitskämpfe geführt. Wolfgang Kurz wies in seinem Schlusswort daraufhin, dass auf internationaler Ebene Kontakte zur Hafengewerkschaft der CGIL in Italien, und zu weiteren Gewerkschaften in den Niederlanden, Dänemark und Frankriech bestünden. Man werde diese weiter ausbauen und insbesondere in Deutschland mit befreundeten Organisationen enger zusammenarbeiten.

Bereits im Dezember 2013 soll der nächste ordentliche Gewerkschaftstag dieser jungen und dynamischen Arbeitnehmerorganisation stattfinden.

R. Geffken / G. Lubenova
Stade, 28.7.2013


Weitere Informationen:
www.contterm.de

*

Quelle:
© 2013 by Galya Lubenova und Rolf Geffken
mit freundlicher Genehmigung der Autoren
Kanzlei RAT & TAT, Institut für Arbeit
Lüneburger Tor 7, 21073 Hamburg
Telefon: 040 / 790 61 25, Fax: 040 / 790 96 01
E-Mail: Kanzlei(at)DrGeffken.de
Internet: www.drgeffken.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013