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INTERNATIONAL/090: Bolivien - Geringe Erdölproduktion, steuerliche Anreize für ausländische Firmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Mai 2012

Bolivien: Geringe Erdölproduktion - Steuerliche Anreize für ausländische Firmen

von Franz Chávez



La Paz, 3. Mai (IPS) - In Bolivien sind sechs Jahre nach der Verstaatlichung der Erdöl- und Gasreserven ausländische Unternehmen auch weiterhin aktiv. Sie sollen nun mit Hilfe steuerlicher Anreize dazu ermuntert werden, neue Erdöllagerstätten zu erschließen.

In der gleichen Woche, in der die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández die Enteignung von 51 Prozent der YPF-Aktien bekannt gab, verfügte ihr bolivianischer Amtskollege Evo Morales per Dekret, Steuergutschriften im Wert von 30 US-Dollar für jedes produzierte Barrel Erdöl auszugeben. YPF ist eine Firma des spanischen Erdölkonzerns 'Repsol'.

Dem Chef des bolivianischen Staatsbetriebs 'Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos' (YPFB), Carlos Villegas, zufolge sind die Konzerne nicht verpflichtet, in die Suche neuer Erdöllagerstätten zu investieren. Bisher erhalten sie für jedes geförderte Barrel Erdöl zehn US-Dollar.

Am 1. Mai 2006 hatte Morales die Öl- und Gasreserven nationalisiert. Im Oktober des gleichen Jahres wurden neue Verträge mit den mehrheitlich ausländischen Unternehmen geschlossen. Im sechsten Jahr nach der Nationalisierung fahren die Firmen Profite in Höhe von 824 Millionen Dollar ein.


Firmenabzug ausgeblieben

Trotz der Verstaatlichung der Erdöl- und Gasreserven sei keine ausländische Firma aus Bolivien abgezogen, berichtet Carlos Arze vom Studienzentrum für Arbeits- und Agrarentwicklung. Dabei hat die Entscheidung die Einnahmenverhältnisse umgekehrt.

2004‍ ‍bewegte die Erdöl- und Erdgasindustrie 1,17 Milliarden Dollar. Davon flossen 71 Prozent - 832 Millionen Dollar - den privaten Unternehmen zu. Doch inzwischen erhalten die Firmen nur noch 27 Prozent der Einnahmen, während der Staat über Steuern, Beteiligungen und Lizenzgebühren 73 Prozent einbehält.

2010‍ ‍erwirtschaftete der Erdölsektor gut drei Milliarden Dollar. 824 Millionen gingen an die Konzerne. Rechnet man die auf jährlich sechs Millionen Dollar geschätzten Steueranreize drauf, ergeben sich 830 Millionen Dollar. Der Betrag liegt nur zwei Millionen Dollar unter den Einnahmen der Privatfirmen vor der Verstaatlichung des Sektors.

Nach YPFB-Angaben erhielt der bolivianische Staat zwischen 2001 und 2005‍ ‍Einnahmen in Höhe von jährlich 332 Millionen Dollar. Seit der Verstaatlichung stiegen die Einkünfte auf einen Durchschnittswert von zwei Milliarden Dollar pro Jahr. In den letzten sechs Jahren kamen auf diese Weise 12,4 Milliarden Dollar zusammen.

Während die Erdgasproduktion immer weiter zulegt - pro Tag von 40,4 Millionen Kubikmeter 2005 auf 45,06 Millionen Kubikmeter 2011 - sank die tägliche Erdölproduktion im gleichen Zeitraum von 50.035 auf 41.147 Barrel. Bis Juni 2011 konnten 15 ausländische Unternehmen mit Bolivien Erdölförderverträge über eine Laufzeit von zwischen sechs und 28‍ ‍Jahren unterzeichnen.

Wie der Wirtschaftswissenschaftler Julio Alvarado erläutert, soll Boliviens neue Ölförderpolitik sicherstellen, dass ausländische Firmen auch weiterhin die produktivsten Erdöllager ausbeuten.


Von Treibstoffimporten abhängig

Bolivien hängt, was den Treibstoffverbrauch angeht, zunehmend von Importen ab. Hatte das südamerikanische Land dafür 2010 600 Millionen Dollar ausgeben, waren es im Jahr darauf bereits 900 Millionen Dollar. Erwartet werden 2012 Importkosten in Höhe von bis zu 1,2 Milliarden Dollar.

Die spanische Firma Repsol hatte 2010 die zweitgrößte Menge Erdöl (8,7 Prozent) in Bolivien gefördert, nach dem brasilianischen Unternehmen Petrobras mit stolzen 63 Prozent. Repsol ist zu fünf Prozent an den landesweiten Förderaktivitäten beteiligt und betreibt ein Viertel aller Erdölblöcke- und -felder.

In der Nationalisierungsphase erzwang Bolivien die Übernahme von 1,1 Prozent der spanischen Aktienanteile im Unternehmen 'Andina' und leistete 2007 eine Entschädigung in Höhe von 6,2 Millionen Dollar. Der US-Konzern 'Amoco' reagierte auf die Verstaatlichung mit einer Schadensersatzklage im Wert von 233 Millionen Dollar.

Repsol obliegt die überwiegende Ausbeutung des Margarita-Erdgasfeldes im südlichen Departement Tarija. Acht Millionen Kubikmeter täglich der dort auf insgesamt zwei Trillionen Kubikfuß geschätzten Gasreserven sind für den argentinischen Markt bestimmt. Ebenso hoch ist der bolivianische Tagesverbrauch. Im März 2010 hatte sich Bolivien gegenüber Argentinien verpflichtet, seine tägliche Fördermenge bis 2017‍ ‍auf täglich 20 Millionen Kubikmeter zu erhöhen.

Arze zufolge wird sich die Ausbeutung des Margarita-Huacaya-Feldes für Repsol als gutes Geschäft erweisen, denn das Unternehmen profitiert von den Preisen, die Argentinien zahlt. Im ersten Quartal 2012 waren es etwa elf Dollar für die Million Britische Wärmeeinheiten (BTU). Brasilien, das die dreifache Menge des täglichen bolivianischen Erdölbedarfs importiert, zahlt neun Dollar pro Million BTU. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2012