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INTERNATIONAL/159: "Alianza del Pacífico" - Gegenmodell zu ALBA und Fünfte Kolonne gegen China? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 26 vom 28. Juni 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Alles außer Integration
Die "Alianza del Pacífico" - Gegenmodell zu ALBA und Fünfte Kolonne gegen China?

von Günter Pohl



Er war selig, der Josef Oehrlein. Der FAZ-Korrespondent pries das letztes Jahr entstandene "Pazifikbündnis" in einem Artikel am 7. Juni unter dem Titel "Frischer Wind am Pazifik". Und freute sich, dass die "Alianza del Pacífico" ein gemeinsames Bruttoinlandsprodukt aufweist, das mehr als ein Drittel aller lateinamerikanischen BIPs ausmacht. Hätte er sich noch etwas schlauer gemacht, hätte er noch nachschieben können, dass das Bündnis aus Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile mit 573 Milliarden US-Dollar auch mehr als die Hälfte der Exporte Lateinamerikas durchführt (55 Prozent). Aber das erfährt die FAZ-Leserschaft nicht, was erstaunen mag. Vielleicht, weil die von der FAZ beworbenen "klugen Köpfe" sich fragen würden, worauf denn die Exporte beruhen.

Denn diese vier Länder sind ausgesprochene Bergbaustaaten und nicht nachhaltige Rohstoffexporte sind in Lateinamerika in den letzten Jahren der Hauptmotor für das BIP. Das führt wiederum dazu, dass diese Länder ein stärkeres "Wachstum" haben als mehr veredelungsindustrialisierte Staaten wie Brasilien oder Argentinien. Aber nicht nur Josef Oehrlein, sondern auch die Staatspräsidenten Peña, Santos, Humala und Piñera betonten natürlich nicht die Schattenseiten ihrer Kooperation, als sie sich vom 20. bis 24. Mai in Cali trafen.

Diese liegen in der naturzerstörerischen Extraktivismuspolitik, die die Lebensgrundlagen im Andenraum gefährdet, um dann ohne weitere Entwicklungsnachhaltigkeit Mineralien und Edelmetalle verkaufen zu können. In Mexiko gilt das entsprechend für das Erdöl, und es ist absehbar, dass eine solche Politik nicht lange gut gehen kann.

Raúl Zibechi, politischer Aktivist und Autor aus Uruguay, hat in einem Text für die mexikanische "La Jornada" darauf hingewiesen, dass von den Exporten der vier Staaten nur ganze 2 Prozent in ein anderes der beteiligten Länder gehen - was ein Indikator ist, dass kaum veredelte Produkte ausgeführt werden. Im MerCoSur dagegen, dem Wirtschaftszusammenschluss von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Venezuela (Paraguay ist suspendiert und wird gerade erst wieder an den MerCoSur herangeführt), der mit 438 Milliarden US-Dollar 42 Prozent der lateiname-rikanischen Exporte stellt, liegt dieser Wert immerhin bei 13 Prozent. Auch dort ist also Einiges ausbaufähig, aber die Strukturen sind, vor allem in Brasilien, schon ab den sechziger Jahren auf eine eigene Weiterverarbeitung gelenkt worden, was heute den Unterschied ausmacht.

Nun ist das Pazifikbündnis andererseits auch nicht vorwiegend deswegen gegründet worden um bessere Wirtschaftszahlen zu erzielen. Um Rohstoffe zu exportieren ist eine wirtschaftliche Integration nicht erforderlich und vielleicht auch gar nicht einmal zweckdienlich.

Daher geht es neben der Konkurrenz zum MerCoSur, der ein Kind Brasiliens ist, um ein politisches Gegenmodell zu ALBA. In dem Zusammenhang ist interessant, dass es inzwischen eine ganze Reihe von regionalen Beobachterstaaten bei der Pazifikallianz gibt: Uruguay, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Paraguay, Costa Rica und Honduras. Angeblich sind Uruguay und Costa Rica sogar an einer Vollmitgliedschaft in der Pazifikallianz interessiert. Und auch Europa und andere "beobachten" mit: Frankreich, Portugal, Spanien, Neuseeland, Australien und Japan. Letztere geben einen Hinweis auf die im Hintergrund mitschwingende Strategie der USA, die selbst ja geradezu auffällig dezent im Hintergrund verbleiben: Raúl Zibechi nennt das Pazifikbündnis das "amerikanische Bein" der so genannten "Transpazifischen Partnerschaft" (TPP), die der Asien-Chef der Financial Times, David Pilling, am 22. Mai so beschreibt: "Das unerklärte Ziel der TPP ist es ein hoch angelegtes Wirtschaftsabkommen unter Ausschluss der zweitgrößten Wirtschaftsmacht zu schaffen, während ansonsten alles dabei sein darf: Vietnam, USA, Kanada, Australien, Brunei, Chile, Malaysia, Peru, Japan und andere ..." Ganz offensichtlich sollen nicht allein "Brasiliens" MerCoSur und "Kubas/Venezuelas" ALBA getroffen werden, sondern China.

Das teilt Josef Oehrlein seiner Leserschaft nicht mit, und es mag sein, dass er das nicht sieht. Denn sein Lieblingsgegner ist zwar kürzlich verstorben, aber politisch noch lebendig: Hugo Chávez und dessen Idee von Integration. Daher lässt der FAZ-Autor "Experten" in dem Pazifikbündnis ein "Gegengewicht zu der (...) populistisch ausgerichteten Bolivarischen Allianz für Amerika" sehen. Das macht ihn auch blind für die Beschränktheit der Beschlüsse von Cali, die er selbst aufzählt: Gesundheitsschutz, Pflanzenschutz, Klimawandelfolgenforschung. Denn - so der Beschluss von Cali - für diese hehren Ziele investieren die vier Staaten aus den 573 Milliarden Exportumsatz jeder gerade einmal 250.000 US-Dollar, wie Raúl Zibechi anmerkt. Was nachweist, wie wenig es um Problemlösung geht. Und zeigt, was einen Fachmann von einem FAZ-Mann unterscheidet.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 26 vom 28. Juni 2013, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2013