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INTERNATIONAL/194: Unterstützung für Waren-Boykott aus jüdischen Siedlungen im Westjordanland nimmt zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2014

Nahost: Internationale Unterstützung für Boykott von Waren aus jüdischen Siedlungen im Westjordanland nimmt zu

von Pierre Klochendler


Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Palästinensische Arbeiter in der israelischen SodaStream-Fabrik
Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Industriegebiet Mishor Adumim, Westjordanland, 12. Februar (IPS) - Seit langem werden Produkte, die in jüdischen Siedlungen im Westjordanland hergestellt werden, mit dem Etikett 'Made in Israel' versehen. Diese Praxis schürt den Widerstand gegen die israelische Besetzung des Palästinensergebietes.

Die Siedlungen werden auf internationaler Ebene als Verstoß gegen das Völkerrecht betrachtet. Aufgrund der Etikettierung wissen die Verbraucher in anderen Ländern der Welt nicht, ob sie ein Erzeugnis aus Israel oder aus einer Siedlung kaufen.

Die Verschleierungspraxis der israelischen Unternehmen, die auf einem Territorium arbeiten, das die Palästinenser als Teil ihres künftigen Staates betrachten, sowie Aufrufe zum Boykott dieser Waren haben sogar einen Hollywood-Star in einen Interessenskonflikt gebracht.

Bis vor Kurzem war Scarlett Johansson als Good-Will-Botschafterin für die britische Hilfsorganisation 'Oxfam' und zugleich als Markenbotschafterin für die israelische Firma 'SodaStream' tätig, die an der NASDAQ gelistet ist. Die Hauptproduktionsanlage befindet sich in einer ehemaligen Munitionsfabrik nahe der jüdischen Siedlung Ma'aleh Adumim. Der Werbespot, in dem Johansson die Wasseraufbereitung, die umweltfreundlichen Flaschen und Siruparomen anpries, wurde unter anderem während des Football-'Super Bowl' in den USA gesendet.

Oxfam, das den Handel mit den Siedlungen ablehnt, forderte die Schauspielerin daraufhin auf, SodaStream ihre Unterstützung zu entziehen. Stattdessen zog sie sich von Oxfam zurück. In einer Erklärung ließ Johansson wissen, dass sich das israelische Unternehmen dafür engagiere, "eine Brücke des Friedens zu bauen". 500 Palästinenser, 450 israelische Araber und 350 israelische Juden arbeiten demnach in der Firma "Seite an Seite, werden gleich bezahlt und genießen die gleichen Vorteile und Rechte".


Palästinenser ohne große Job-Alternativen

Palästinenser, die bei SodaStream am Fließband arbeiten, verdienen dort zwei bis drei Mal mehr als anderswo in den palästinensischen Autonomiegebieten. Omar Barghouti, Mitbegründer der Bewegung für Boykott, Deinvestition und Sanktionen (BDS), spricht in diesem Zusammenhang von einer "Zwangsbeziehung". "Nachdem palästinensische Betriebe und Anbauflächen über Jahrzehnte systematisch zerstört und die Menschen extrem in ihrer Bewegungsfreiheit behindert worden sind, sodass viele ihre Arbeitsplätze nicht erreichen konnten, hat Israel Zehntausende palästinensische Arbeiter und Bauern dazu gezwungen, in illegalen israelischen Siedlungen zu arbeiten." Barghouti bezeichnet den Sprudelwasser-Produzenten als "Blutblase".

SodaStream-Geschäftsführer Daniel Birnbaum bezeichnet sein Unternehmen gern als "Ausnahme" und sich selbst als glühenden Anhänger einer Zwei-Staaten-Lösung. Kürzlich lud er ausländische Journalisten ein, sich die umstrittene Industrieanlage anzusehen. "Warum soll es den Frieden behindern, wenn wir Arbeitsplätze schaffen?" meinte er. "Wenn dieses Gebiet eines Tages Teil von Palästina sein wird, habe ich kein Problem damit, der palästinensischen Regierung Steuern zu zahlen." Johanssons Position bezeichnete er als "heroisch".

Barghouti zufolge wird der zivile Widerstand und die nachhaltigen Bemühungen von BDS Israel, ähnlich wie schon zuvor das Apartheidregime, dazu zwingen, "unsere international anerkannten Rechte zu respektieren und seine Besatzung, Kolonisierung und Apartheidpolitik zu beenden".


Nordische Länder und Niederlande verstärken Druck auf Israel

Erst kürzlich beschlossen skandinavische Institutionen, ihre Verbindungen zu israelischen Firmen zu kappen, die am Bau von Siedlungen beteiligt sind oder Niederlassungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem unterhalten. Dänemarks größtes Geldhaus, die 'Danske Bank', hat das israelische Geldinstitut 'HaPoalim' auf seine 'schwarze Liste' gesetzt. Das norwegische Finanzministerium wiederum schloss die israelischen Unternehmen 'Africa Israel Investments' und 'Danya Cebus' aus dem Globalen Pensionsfonds der Regierung aus.

Der größte niederländische Pensionsfonds PGGM zog alle Investitionen aus den fünf größten Banken Israels zurück. Während das Abkommen 'Horizon 2020', das kürzlich von Israel und der Europäischen Union unterzeichnet wurde, die Verwendung europäischer Fördermittel für wissenschaftliche Forschungsprojekte in israelischen Siedlungen verbietet, will Deutschland, bisher der größte Verbündete Israels in Europa, das Verbot offenbar auch auf Privatfirmen ausweiten, die in den besetzten Gebieten tätig sind.

Im vergangenen Juli erließ die Europäische Kommission neue Richtlinien, die es europäischen Institutionen untersagen, israelischen Organisationen mit Beziehungen zu Siedlungen Darlehen zu gewähren. Barghouti betont, dass auch die Unterstützung für den Wissenschaftsboykott Israels in den USA und Irland größer geworden sei. Eine wachsende Zahl westlicher Künstler weigere sich zudem, in Israel aufzutreten.

Birnbaum zeigt sich indes wenig beeindruckt von der Welle der BDS-Aktionen. "Nordische Länder boykottieren Produkte, die in dieser Anlage im Westjordanland hergestellt werden. Inzwischen haben wir die Produktion aber nach China verlagert." US-Außenminister John Kerry hat die israelische Regierung unterdessen vor einem Scheitern der Friedensgespräche gewarnt. In einem solchen Fall müsse sich das Land auf weitere Boykotte und Deinvestitionskampagnen gefasst machen. (Ende/IPS/ck/2014)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014