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INTERNATIONAL/201: Kuba - Ausländische Investoren gesucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. April 2014

Kuba: Ausländische Investoren gesucht

von Ivet González und Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Bau einer Eisenbahnlinie, die bis zur Sonderentwicklungszone in der Hafenstadt Mariel führt
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 1. April (IPS) - Kuba hat ein Gesetz erlassen, das den Karibikstaat für ausländische Investoren erschließen und die Beziehungen mit der Europäischen Union auf neue Füße stellen soll. Dahinter steht der Wunsch, das Land aus der lang anhaltenden Wirtschaftskrise zu führen.

Das am 29. März einstimmig beschlossene Gesetz lädt ausländische Unternehmer ein, in alle Bereiche der kubanischen Planwirtschaft mit Ausnahme der vier strategischen Bereiche Gesundheit, Bildung, Medien und Militär zu investieren. Es wird 90 Tage nach seiner Veröffentlichung im Regierungsgesetzesanzeiger in Kraft treten und einen Erlass von 1995 ersetzen.

Nach Angaben des kubanischen Ministers für Außenhandel und Investitionen, Rodrigo Malmierca, soll das neue Gesetz ausländische Direktinvestitionen (FDIs) in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr möglich machen. Denn nur auf diese Weise lasse sich ein Wachstum von jährlich sieben Prozent erzielen, das notwendig sei, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen, fügte der Vizevorsitzende des Ministerrats, Marino Murillo, hinzu. Im letzten Jahr legte die kubanische Wirtschaft lediglich um 2,7 Prozent zu. Angepeilt waren 3,6 Prozent gewesen. Für dieses Jahr wird ein Zuwachs von 2,2 Prozent erwartet.

Eine 46-jährige Lehrerin, die sich Anonymität ausbat, meinte dazu, dass sie zwar auf eine Verbesserung der Wirtschaftslage hoffe, gleichzeitig jedoch gewisse Risiken sehe. Wie sie berichtet, kommen ihr die Erzählungen ihres inzwischen verstorbenen Vaters in den Sinn. "Von ihm weiß ich, dass reiche Ausländer vor der Kubanischen Revolution von 1959 Unternehmen in Kuba gründeten, doch das gesamte Kapital in ihre Heimatländer mitnahmen."


Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen

Dennoch hofft sie wie viele Kubaner, dass die Öffnung des Landes für ausländische Unternehmen die Lebensbedingungen der 11,2 Millionen Einwohner verbessern wird. "Auslandsinvestitionen sind ein wichtiger Schritt, damit wir die Krise hinter uns lassen und uns, wie andere Länder, entwickeln können", meint auch die Ökologin Isbel Díaz.

Zwischen 1995 und 2002 wurden in Kuba 403 Joint Ventures gegründet. Bis 2010 schmolz die Zahl auf etwa die Hälfte zusammen. Dies bedeutete einen Rückgang des Investitionsvolumens im gesamten Zeitraum von 5,2 Milliarden auf 4,2 Milliarden US-Dollar.

Der ehemalige Wirtschaftsminister José Luis Rodríguez führt die Entwicklung auf eine Reihe von Faktoren zurück. So seien Verträge ausgelaufen und Vertragsbedingungen nicht eingehalten worden. Außerdem seien einige Projekte die erwarteten Gewinne schuldig geblieben. Anderen Quellen zufolge forderten zudem bürokratische Hürden, nicht eingehaltene Zahlungsverpflichtungen und Fälle von Korruption ihr Tribut.

Spanien führt die Liste der 15 in Kuba geschäftlich aktiven Länder an. Es folgen Italien, Kanada, Venezuela, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, China, Mexiko, Angola, Deutschland, Panama, Brasilien, Chile und Russland. Der Einfluss Brasiliens dürfte sich in naher Zukunft deutlich erhöhen. So unterstützt das südamerikanische Land derzeit den Aufbau einer Sonderentwicklungszone in der Stadt Mariel, die zum Tiefseehafen ausgebaggert wird.

Erwartet wird, dass das Megaprojekt 45 Kilometer westlich von Havanna aufgrund seiner günstigen geographischen Lage zum Wachstumsmotor des sozialistischen Inselstaates werden und weitere Investitionen in die Biotechnologie, die pharmazeutische Industrie, in erneuerbare Energien, in die Agroindustrie, den Tourismus und den Immobiliensektor mit sich bringen wird.

Analysten sind zudem überzeugt, dass das neue Gesetz auch positiv auf die Verhandlungen über ein neues politisches Abkommen zwischen Kuba und der EU einwirken wird. Von europäischen Regierungsvertretern ist zu hören, dass die Übereinkunft den kubanischen Reform- und Modernisierungsprozess unterstützen und gleichzeitig zum Schutz der Menschenrechte beitragen soll.


Europa soll kleines Zeitfenster nutzen

"Europa hatte schon immer ein strategisches und wirtschaftliches Interesse an der Insel", meint der kubanische Politikwissenschaftler Arturo López-Levy. Allerdings habe der Länderblock angesichts des großen Interesses US-amerikanischer Unternehmen wenig Zeit, sich dort zu positionieren.

Nach Meinung von López-Levy, der an der Universität von Denver im US-amerikanischen Colorado lehrt, hat die von Kuba 2008 eingeleitete Wirtschaftsreform sowohl US-amerikanische Wirtschaftsunternehmen als auch in den USA lebende Kubaner neugierig gemacht - trotz des vor 52 Jahren von Washington gegen Kuba verhängten Wirtschaftsembargos. Noch hindere das Embargo die US-Firmen daran, sich um einen Anteil am kubanischen Markt zu bemühen, was wiederum die EU in eine "privilegierte Lage" bringe, schreibt der Experte in einer E-Mail.

Mittelfristig wird die Öffnung Kubas für ausländische Investoren dazu führen, dass die USA ihre bisherige Politik der Selbstisolation aufgeben und sich stattdessen auf ihre demokratischen Werte besinnen und auf ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen achten werden, meint López-Levy.

Ausländische Investitionen in Kuba könnten zu einer Diversifizierung der Wirtschaft, einer Ausweitung der Exportmärkte, einem Zugang zu modernen Technologien und einer Verringerung der Importe insbesondere im Nahrungsmittelbereich beitragen.

Um den Zufluss der FDIs zu beschleunigen, bietet das neue Gesetz Investoren besondere Anreize und Steuererleichterungen. Darüber hinaus sichert es einen Schutz vor Enteignungen zu. Ausgenommen sind Fälle, in denen Enteignungen "einem sozialen oder öffentlichen Nutzen dienen". Eine solche Maßnahme erfordert die vorherige Zustimmung des Ministerrats und Entschädigungsleistungen, wie der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, José Luis Toledo, betont.

Das neue Gesetz wird nach Inkrafttreten Unternehmen erlauben, sich vollständig mit ausländischem Kapital zu finanzieren, sofern die Komplexität oder Bedeutung der Investition dies erforderlich macht - etwa bei der Entwicklung der industriellen Infrastruktur. Bisher hatte sich der kubanische Staat eine 51-prozentige Aktienmehrheit in den Joint Ventures vorbehalten.

Zu den strittigsten Aspekten des Gesetzes gehört die Beschäftigung. So müssen in Kuba tätige Auslandsunternehmen ihre Arbeitskräfte über eine staatliche Agentur anwerben, die die Löhne in harter konvertierbarer Währung kassiert und diese den Beschäftigen in der schwächeren nationalen Währung Peso ausbezahlt.

Analysten sind Meinung, dass gerade Kubaner, die in den USA leben, für die Investitionen in Frage kommen. "Viele von ihnen besitzen Kapital und haben Interesse, ihr Geld in ihrem Herkunftsland anzulegen", bestätigt der Krankenpfleger José Enrique Romero, der seit 35 Jahren in den USA lebt. Die sogenannte kubanische Gemeinde in den USA besteht aus 1,8 Millionen Personen, die in Kuba geboren wurden, sowie deren Nachfahren. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/03/la-apertura-de-cuba-llega-al-capital-extranjero/
http://www.ipsnews.net/2014/04/wanted-foreign-investment-cuba/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014