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INTERNATIONAL/213: Verbindlicher Verhaltenskodex für transnationale Konzerne gefordert, EU blockt ab (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2014

Menschenrechte: Verbindlicher Verhaltenskodex für transnationale Konzerne gefordert - EU blockt ab

von Thalif Deen


Bild: © photo stock

Ein Kinderarbeiter in einem indischen Ausbeuterbetrieb
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New York, 25. Juni (IPS) - In den 1970er Jahren hatten die Vereinten Nationen Verhandlungen über einen verbindlichen Verhaltenskodex für transnationale Konzerne (TNCs) eingeleitet. Doch das Projekt kam nicht voran, zu groß war der Widerstand des einflussreichen Wirtschaftssektors und dessen westlichen Verbündeten. Im UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) wird derzeit über eine Wiederbelebung des Vorschlags diskutiert. Diesmal ist es vor allem die EU, die blockt.

Der Vorstoß, die alte Idee durch ein verbindliches Abkommen wiederzubeleben, das TNCs für Menschenrechtsverstöße haftbar macht, hat auf der noch bis 27. Juni laufenden Sitzung des UN-Menschenrechtsrats (UNHRC) an Zugkraft gewonnen. Gleichzeitig jedoch zeigen sich bei den Gegnern die gleichen Verhaltensmuster wie beim ersten Anlauf.

Jens Martens, Leiter des Europa-Büros des 'Global Policy Forum' (GPF), bestätigte gegenüber IPS, dass im UNHRC hitzige Debatten über die Einrichtung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe geführt werden, die die Verhandlungen führen soll. "Bei den derzeitigen Gesprächen geht es jedoch weniger um die Substanz als um die Verfahrensweise", fügte er hinzu.

In Genf liegen zurzeit zwei Entwürfe vor. Der eine stammt von Ecuador und Südafrika, die den UNHRC aufgefordert haben, die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe einzurichten. Er wird von den Entwicklungsländern der Gruppe der 77 (G77) und einer Koalition aus 500 Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Der zweite Entwurf kommt von Norwegen, Russland, Argentinien und Ghana und macht sich dafür stark, das Mandat der bereits bestehenden Arbeitsgruppe über Wirtschafts- und Menschenrechte um weitere drei Jahre zu verlängern. Diese Resolution genießt den Rückhalt der USA, der EU und anderer Länder.


PR-Arbeit der TNCs erfolgreich

Wie Martens, Koautor der Studie 'Corporate Influence on the Business and Human Rights Agenda of the United Nations' über den Einfluss von Konzernen auf die Business- und Menschenrechtsagenda der UN, betonte, haben sich die Public-Relations-Aktivitäten der großen Wirtschaftsakteure als äußerst erfolgreich herausgestellt, um die TNCs in ein positives Licht zu rücken. So sei der Eindruck entstanden, dass sie den Dialog mit den Staaten, den Vereinten Nationen und besorgten Aktionären suchten und die Umsetzung freiwilliger CSR-Initiativen für die Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards ermöglichten. CSR steht für 'Corporate Social Responsibility' oder die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen.

Martens zufolge sind der 'Global Compact' und die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte gute Beispiele für einen vermeintlich pragmatischen Ansatz, der auf Konsens, Dialog und Partnerschaft mit der Wirtschaft beruht. Diesem steht der regulative Ansatz gegenüber, durch den Unternehmen in die Verantwortung genommen werden sollen.

Wie Alberto Villarreal vom Uruguay-Büro der Umweltorganisation 'Friends of the Earth', erklärte, "können wir, indem wir den Umweltaktivismus in allen seinen Ausprägungen als legitime Verteidigung der Menschenrechte anerkennen, den Kampf von Umweltschützern unterstützen und besser für deren Sicherheit sorgen".

'Global Exchange', eine internationale Menschenrechtsorganisation mit Sitz in London, hat eine Liste mit den 'Top-10-Wirtschaftsverbrechern' vorgestellt, auf der die Namen von Wirtschaftsgrößen wie 'Shell/Royal Dutch Petroleum', 'Nike', 'Blackwater International', 'Syngenta', 'Barrick Gold' und 'Nestlé' stehen. Ihnen allen wird Komplizenschaft bei Menschenrechts- und Umweltverbrechen vorgeworfen. Die Anschuldigungen beziehen sich auf unmenschliche Arbeitsbedingungen, fehlende Arbeitsrechte, Umweltverschmutzung, Giftmüll-Dumping, Kinderarbeit, Diskriminierung und die Zerstörung indigener Territorien durch Bergbau und Ölproduktion.


EU droht mit Boykott

Die Resolution für ein verbindliches Abkommen werde von vielen Staaten befürwortet, versicherte Anne van Schaik von Friends of the Earth Europa. Doch die EU habe für den Fall einer Annahme der ecuadorianisch-südafrikanischen Resolution damit gedroht, sich nicht an den nachfolgenden Verhandlungen zu beteiligen. Van Schaik warf dem 28-Staatenblock vor, den UNHRC zu boykottieren und die Interessen der Wirtschaft zu Lasten der Menschenrechte zu vertreten. Laut van Schaik unterminiert die EU zudem den demokratischen Entscheidungsprozess der Vereinten Nationen.

Die norwegische Resolution sieht zwar vor, über den Zugang zu rechtlichen und nichtrechtlichen Mitteln für die Opfer wirtschaftlichen Handels eine Diskussion auf dem Forum für Wirtschaft und Menschenrechte zu diskutieren. Doch für die Zeit danach sind keine Folgemaßnahmen und Pläne vorgesehen. Somit sei der ecuadorianische Vorschlag viel weitreichender, wie van Schaik betonte.

Die Studie über die Einflussnahme von TNCs auf die Regulierungsdebatten bei den Vereinten Nationen, an der Martens maßgeblich mitgeschrieben hat, konzentriert sich insbesondere auf die Reaktionen von TNCs und führenden Interessengruppen auf die verschiedenen UN-Initiativen. Auch identifiziert sie die verschiedenen Schlüsselakteure und deren Zielsetzungen.

Derweil drängen die Reporter ohne Grenzen mit Sitz in Paris den UNHRC dazu, sich für klare und verbindliche Richtlinien zum Schutz vor Online-Überwachung und Zensur stark zu machen. "Unternehmen verkaufen Technologien an autoritäre Regime, die eine umfangreiche Online-Überwachung ihrer Bürger ermöglichen", kritisiert die Organisation.

Gestern wie heute würden diese Technologien in Libyen, Ägypten, Marokko und Ägypten eingesetzt und führten zu Festnahmen, Haftstrafen und Folter. Den Firmen, die diese Technologien bereitstellten, dürfe nicht länger erlaubt werden, sich aus der Verantwortung zu stehlen. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/06/eu-aims-to-scuttle-treaty-on-human-rights-abuses/

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IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2014