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INTERNATIONAL/234: Sibiriens Wasser für die Welt - Export als Entwicklungschance (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Perspektive

Sibiriens Wasser für die Welt
Export als Entwicklungschance

von Leonid Korytny
Oktober 2014



• Sibirien verfügt über die größten Süßwasserreserven der Erde. Perspektivisch wird die strategische Bedeutung der sibirischen Wasserressourcen weiter zunehmen, da die potenzielle Wasserknappheit in anderen russischen Gebieten, die vor allem für die wasser- und energieintensiven Industrien relevant ist, eine Umorientierung auf die wasserreichen östlichen Gebiete erzwingen wird.

• Vor dem Hintergrund der weltweiten Wasserknappheit werden die Wasserressourcen Sibiriens künftig zur treibenden Kraft für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Zentralasiens. Auch Nordchina leidet unter extremem Wassermangel. Der Export von Wasser bietet enorme Potenziale, die bisher nicht genutzt werden.

• In der Sowjetzeit war schon einmal unter Stalin die Rede vom »Umdrehen der Flüsse«. Unter Gorbatschow wurde diese extrem umweltbedenkliche Idee endgültig begraben. Die Wasserversorgung für Nachbargebiete kann heute über Wasserpipelines mit Unterstützung von Hochpumpwerken laufen, auf der Schiene oder in Tankern. Besondere Perspektiven für diesen russischen Fernost-Handel mit Wasser bietet der Baikalsee.

*

Sibiriens Wasserressourcen (1)

Russland verfügt über die weltweit größten Oberflächen- und Grundwasserressourcen. Betrachtet man nur das für die Wasserversorgung der Bevölkerung essenzielle in den Flüssen gespeicherte Süßwasser, so hat Russland mit elf Prozent der weltweiten Ressourcen den zweiten Platz nach Brasilien inne (siehe Abbildung 1). Dabei befindet sich der größte Teil der Wasservorräte in Sibirien.


Abbildung 1
Die Länder mit den größten Süßwasservorräten
(in km³)
6950 - Brasilien
4500 - Russland
2900 - Kanada
2800 - China
2530 - Indonesien
2480 - USA
2360 - Bangladesch
2085 - Indien
1320 - Venezuela
1080 - Myanmar
 
Quelle: Wasserressourcen Russlands und deren Nutzung.
Hrsg.: I. Schiklomanow. Sankt Petersburg 2008.


Die enormen Wasserressourcen Sibiriens(2) sind vor allem in den fast 1,5 Millionen Flüssen gespeichert, deren Gesamtlänge etwa fünf Millionen Kilometer erreicht. Dazu gehören mit Jenissei, Lena und Ob die drei größten Ströme Russlands.(3) Die wasserreichsten sibirischen Seen sind der Baikalsee (23.000 km³), der Taimyrsee (13 km³) und der Tschanysee (4,3 km³). Zu den Wasserreserven zählen auch die sibirischen Stauseen, das Wasser in etwa 3000 Gletschern auf arktischen Inseln und Bergen, in Feuchtgebieten mit einer Gesamtfläche von etwa 100 Mio. ha sowie in Grundwasserleitern.


Entwicklungskraft der Zukunft? Wasserressourcen Sibiriens als Faktor der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung

Gewässer und Wasserressourcen bestimmten und bestimmen nach wie vor die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der östlichen Regionen Russlands. Seit dem 16. und 17. Jahrhundert wurden bei der Erschließung der Taigagebiete einzelne Städte, beispielsweise Tobolsk, Jenisseisk, Ilimsk und Irkutsk, als Festungen gegründet und parallel die Täler und Auen der größten Ströme Ob, Jenissei, Angara und Lena und ihrer wichtigsten Zuflüsse besiedelt. Flüsse waren die einzigen Transportwege sowohl bei der Besiedlung als auch später beim Transitverkehr.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden an den Kreuzungen von Eisenbahnstrecken und Flüssen, die für die Wasserversorgung und den Holztransport entscheidend waren, große Industriezentren. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts bildete sich an den Flüssen Angara und Jenissei, angetrieben vom Ausbau der großen Wasserkraftwerke, ein System von Industrieclustern wie Irkutsk-Tscheremchowo, Zentral-Krasnojarsk oder Bratsk-Ust-Ilimsk heraus. Seither wurde Sibirien dank seines Reichtums an Wasserressourcen zu einem bedeutenden Standort für wasser- und energieintensive Großbetriebe in den Branchen Nichteisenmetallurgie, Chemie, Petrochemie sowie Papier- und Zellstoffherstellung.

Perspektivisch wird die Bedeutung der sibirischen Wasserressourcen in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Russlands weiter zunehmen, da die potenzielle Wasserknappheit in den westlichen Regionen, die vor allem für wasser- und energieintensiven Industrien relevant ist, eine Umorientierung auf die wasserreichen östlichen Gebiete erzwingen wird. Außerdem wird die Verbesserung der Ernährungssicherheit Russlands eine Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft in den sibirischen Steppen- und Waldsteppengebieten erforderlich machen. Auch die Freizeit- und Wassersportangebote in der Region Altai, in Tuwa und am Baikalsee werden an Popularität gewinnen.

In gleicher Logik bestehen Optionen, russische Industrieexporte zu steigern, indem weitere Fertigungsketten mit wasserintensiver Nutzung an Sibiriens Flüsse verlagert werden. Eigentlich läuft dieser auf der Wassernutzung der Angara, die aus dem Baikalsee fließt, basierende Außerhandel schon seit langer Zeit, da Russland Aluminium und Zellstoff exportiert und nun auch Stromexporte plant und somit den aus günstigem Wasser und Wasserkraftstrom resultierenden Wettbewerbsvorteil nutzt. Dieser Handel sollte wohl weitergeführt und ausgeweitet werden.


Internationaler Handel mit Wasser: Weltweite Wasserverknappung als sibirische Entwicklungschance?

Künftig wird die Bedeutung von Wasser als ein Faktor der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sowohl in Russland als auch weltweit weiter steigen. Angesichts der enormen globalen Ungleichverteilung droht in einigen Weltregionen eine Wasserkrise, da bis Mitte des 21. Jahrhunderts 40 Prozent der Erdbevölkerung eine Wasserknappheit zu spüren bekommen werden, die Hälfte von ihnen in gravierender Form. Länder wie Russland, die über große Wasserressourcen verfügen, erlangen einen strategischen geopolitischen Vorteil.

In Asien, wo sich der Wasserverbrauch im Laufe des 20. Jahrhunderts um den Faktor 57 erhöhte und heute 59 Prozent des weltweiten Verbrauchs ausmacht, ist der Mangel an sauberem Wasser bereits jetzt akut. Das rasant steigende Tempo der Wasserentnahme und Wasserverschmutzung auf diesem Kontinent ist vor allem auf das schnelle Wachstum der Industrieproduktion und die wenig entwickelte Wassernutzungskultur in diesen Ländern zurückzuführen. Die Situation wird durch die ungleiche Verteilung von Wasserressourcen in Asien zusätzlich verschärft. Besonders stark ist das Ungleichgewicht zwischen Sibirien und den angrenzenden Regionen in Kasachstan, Zentralasien, der Mongolei und China. So ist die Pro-Kopf-Wassermenge im Einzugsgebiet des Gelben Flusses um den Faktor 4500 geringer als in Ostsibirien.

In Sibirien wird es wohl immer genügend Wasser für den Bedarf sämtlicher Produktionszweige und die Versorgung der Bevölkerung geben. Hier drängt sich die Frage auf, ob Sibirien seine Wasserreserven auf dem »verdurstenden« Planeten, vor allem mit den asiatischen Nachbarstaaten, teilen kann.


Handel mit Flaschenwasser

Wasser kann in Flaschen abgefüllt und auf diese Weise vertrieben werden. Die Produktion von Flaschenwasser im Weltmaßstab weist mit sieben bis acht Prozent jährlich ein besonders schnelles Wachstum innerhalb der Wasserbranche auf, wobei die Grenze von 300 Milliarden Liter Jahresproduktion weltweit bereits überschritten ist. Der globale Trinkwassermarkt wird von zehn Großkonzernen kontrolliert; die globalen Marktführer, die französischen Konzerne Vivendi und Universal Suez, haben über 200 Millionen Kunden in 150 Ländern. Flaschenwasser ist allerdings überaus umstritten. Erstens enthalten Plastikflaschen, die für Wasser überwiegend verwendet werden, synthetische Stoffe, die zu einer gesundheitsschädigenden Kontamination führen können. Zweitens ist die Herstellung von Plastikverpackungen sehr ressourcenintensiv, und die Verwertung problematisch: Allein in den USA landen täglich 60 Millionen Flaschen auf Deponien. Schließlich ist die Produktion von Flaschenwasser äußerst schwer zu überwachen, so dass zahlreiche Fälschungen auf den Markt gelangen.

Der Flaschenwassermarkt entwickelt sich auch in Sibirien und hat dort großes Potenzial. Führend ist das Gebiet Nowosibirsk, das 2012 einen Anteil von 7,3 Prozent an der landesweiten Flaschenwasserproduktion hatte und somit nach Karatschai-Tscherkessien und der Region Stawropol unter den russischen Regionen auf Platz drei kam. Bereits seit 1991 wird Tiefenwasser aus dem Baikalsee gewonnen und in Flaschen gefüllt. Die wichtigsten Absatzgebiete dafür sind die Region um den Baikalsee und Transbaikalien. Bei einer effizienten Vermarktung des Baikalsee-Wassers könnten die Fördermengen bis zu zehn Millionen Liter pro Tag betragen und bis zu zehn Abfüllbetriebe mit einer Kapazität von jeweils einer Million Liter pro Tag gegründet werden. Diese Entnahmemengen würden keine spürbaren Auswirkungen auf die Wasserverhältnisse hinterlassen, da sie bei nur etwa 0,005 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen des Baikalsees lägen.

Es gibt jedoch andere Hürden, die einer erfolgreichen Entwicklung des Marktes für das Flaschenwasser aus dem Baikalsee im Wege stehen. Erstens enthält das Baikalsee-Wasser nur geringe Mengen an Mineralstoffen (unter 100 mg/l), Alkalimetallen und lebenswichtigen Spurenelementen wie Jod und Fluor. Dies wird als gesundheitlicher Nachteil betrachtet; der Zusatz von Mineralstoffen würde jedoch den Wasserpreis erheblich erhöhen und die Authentizität des Wassers beeinträchtigen. Zweitens erschwert die Lage des Sees im Zentrum Asiens, der weltgrößten Landmasse, wegen der immensen Transportkosten den Absatz des Wassers.

Schließlich macht der enorme Wettbewerb den Eintritt auf den internationalen Markt für Flaschenwasser äußerst schwierig. Es ist eine gut durchdachte Vermarktungsstrategie erforderlich, damit das Tiefenwasser des Baikalsees nicht mehr als exotisches Getränk für reiche Länder und Eliten, sondern als Grundnahrungsmittel für alle Gesellschaftsschichten in unterschiedlichen Ländern wahrgenommen wird und einen relevanten Platz im Trinkwassermix der Länder einnimmt.


Umleitung des Wasserabflusses nach Zentralasien, China und in die Mongolei: eine Pipeline

Eine weitere Möglichkeit, das sibirische Wasser als Ressource zu vertreiben, ist die Umleitung des Abflusses. Die großen Wasservorräte Sibiriens können vor allem von den südlichen Nachbarn, Kasachstan und Zentralasien, der Mongolei und Nordchina, genutzt werden. Eigentlich läuft die Umleitung mit dem Irtysch-Qaraghandy-Kanal bereits seit längerer Zeit. Die Idee der großräumigen Umleitung eines Teils des Abflusses der großen sibirischen Ströme Ob und Irtysch, später auch Jenissei, nach Zentralasien und Kasachstan wurde bereits in den 1970er bis 1980er Jahren auf Planungsebene gründlich durchgearbeitet. Während der Perestroika wurde das Vorhaben zwar zurückgewiesen, heute wird es aber wieder, wenn auch zurzeit hauptsächlich von Politikern, diskutiert. Ein Verfechter dieser Idee war seit Beginn der 2000er Jahre der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow. Die meisten Forscher stehen jedoch dem Projekt der Umverteilung der sibirischen Wasserressourcen, meistens aus ökonomischen und ökologischen Gründen, skeptisch gegenüber.

Die Versorgung von China und der Mongolei mit sibirischem Wasser kommt erst in letzter Zeit allmählich auf die Tagesordnung. Die größte Wasserknappheit herrscht in Nordchina: Nördlich von Jangtsekiang fehlen Schätzungen zufolge jährlich 70 km³ Wasser. Teilweise könnte dieser Mangel durch eine groß angelegte Wasserüberleitung über eine Pipeline mit einem Durchmesser von 1,5 Metern und einer Länge von ca. 1750 Kilometern vom Baikalsee entlang der Eisenbahnstrecke über Ulan-Ude und Ulan-Bator bis nach Peking behoben werden. Begünstigend sind in diesem Zusammenhang mehrere Faktoren wie die enormen Wasservorräte des Baikalsees, eine einzigartig hohe Qualität des Wassers aufgrund der permanenten Selbstreinigung des großen Sees und das Fehlen von hohen Gebirgsketten auf der Strecke vom See zu den wasserarmen Regionen Nordchinas. Erste Kalkulationen zeigten, dass dieses Szenario prinzipiell möglich ist. Selbstverständlich können aufgrund von wasserwirtschaftlichen, umweltrechtlichen, energetischen und weiteren Vorgaben und Einschränkungen in Bezug auf den Abfluss der Angara, die Stauseen der Angara-Staustufen und die Wasserverhältnisse des Baikalsees höchstens fünf Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen, d. h. etwa drei km³ jährlich, entnommen werden. Diese Menge kann nicht nur für die Trinkwasserversorgung von Peking und Tianjin, die den Kern des Ballungsgebiets um die Hauptstadt bilden, ausreichen, sondern teilweise auch den Wasserbedarf der kleineren Städte um das Ballungsgebiet Peking sowie der städtischen Bevölkerung der Inneren Mongolei und der Provinz Hebei decken.

Für den Transport solcher Wassermengen auf große Entfernungen sind Pumpwerke und die entsprechende Energieversorgung erforderlich. Kalkulationen zufolge sind hier jedoch keine technischen Schwierigkeiten zu erwarten.(4)

Eine große Herausforderung ist die Qualitätssicherung des Baikalsee-Wassers für den Endverbraucher. Der Wassertransport würde bei dieser Entfernung fünf bis sieben Tage dauern. Wahrscheinlich wäre es erforderlich, für die Pipeline neue Kunststoffe zu entwickeln sowie gründliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten. Entsprechende Lösungen können aber durchaus gefunden werden.

Sicherlich müssen bei der Einschätzung der Wasserpreisentwicklung weitere Daten und Kalkulationen, unter anderem politische und wirtschaftliche Prognosen, herangezogen werden.


Wasserexporte auf der Schiene

Schließlich kann das Wasser auf der Schiene transportiert oder verschifft werden. Heute werden Erdöl und Erdölerzeugnisse in erheblichen Mengen über die Transsibirische Eisenbahn transportiert. Der Transport von Wasser in Größenordnungen von mehreren Kubikkilometern wird viel Zeit in Anspruch nehmen und wahrscheinlich einer bedeutenden Erweiterung des bestehenden Eisenbahnnetzes bedürfen. Bei einem extrem hohen Wasserpreisanstieg wäre diese Lösung allerdings nicht undenkbar.


Wasserexporte in Tankern

Die Verschiffung von Wasser in Tankern mag auf den ersten Blick realitätsfern erscheinen. In Wirklichkeit ist die Möglichkeit, Wasser in Mündungen großer Flüsse zu entnehmen und auf Großschiffe zu verladen, technisch umsetzbar. Begünstigt wird diese Lösung durch die geringen Kosten der Seetransporte, vernachlässigbare Einwirkungen auf Gewässer und fast unbegrenzte Wasservorräte der großen sibirischen Ströme wie Jenissei, Lena und Ob.

Zwei Faktoren erschweren die Organisation solcher Schiffstransporte jedoch erheblich. Erstens sind es die ungünstigen klimatischen Bedingungen der Randmeere des Arktischen Ozeans, in die die sibirischen Flüsse münden. Aufgrund der schwierigen Eisverhältnisse, des saisonalen Charakters der Schifffahrt und der Notwendigkeit, Eisbrecher und teure Transportschiffe mit Eisbrechvorrichtungen heranzuziehen, sind die Kosten der Verschiffung über die Nordostpassage viel höher als der Transport über eisfreie Meere. Setzt sich aber die globale Erwärmung fort, wird schnell ein steigendes Interesse an der Arktis und der Nordostpassage zu beobachten sein.

Der zweite problematische Faktor ist die unzureichende Wassertiefe des Großteils der sibirischen Flüsse. Selbst die wasserreichen Flüsse Ob, Lena, Kolyma, Indigirka und Jana sind lediglich für Fluss-See-Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 4000 bis 5000 Tonnen passierbar. Von allen sibirischen Flüssen sind nur die Unterläufe von Jenissei und Chatanga, wo die garantierte Tiefe sieben Meter erreicht, für Seeschiffe mit einer Verdrängung von etwa 15.000 Tonnen passierbar. Wird das Wasser direkt in der Jenissei-Bucht, in der die Tiefe 15 Meter übersteigt, entnommen, so können Tanker mit einer Tragfähigkeit von 100.000 Tonnen eingesetzt werden. Diese Größenordnung ist aber auch nicht optimal: Bei Öltransporten wird die Höchsteffizienz bekanntlich bei einem Einsatz von Supertankern mit einer Tragfähigkeit von 300.000 bis 500.000 Tonnen erreicht.


Schlussfolgerungen

Es ist an der Zeit, sich gründlich, umfassend und wissenschaftlich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, die großen Wasservorräte Sibiriens für die Weltgemeinschaft, die in vollen Zügen auf eine Wasserkrise zusteuert, verfügbar zu machen. Zugleich ist die politische Frage zu entscheiden, ob die Wasserressourcen Russlands für einen internationalen Austausch zu beiderseitigem Nutzen infrage kommen oder ob Russland "auf ihnen sitzen bleibt". Im Unterschied zu Erdöl ist Wasser dabei eine erneuerbare und im Grunde unerschöpfliche Ressource. Es ist aber äußerst wichtig, die Wasserqualität zu sichern, und das wird bereits heute in den Einzugsgebieten von Ob, Jenissei und Lena zu einem Problem.

Angesichts des wachsenden Stellenwerts des Wassers, das in einigen Jahrzehnten zu der wertvollsten Ressource unseres Planeten aufsteigt, werden die sibirischen Wasservorräte die sibirische und gesamtrussische sozioökonomische Entwicklung sowohl innerhalb des Landes als auch in den Beziehungen zu den Nachbarstaaten bestimmen.


Anmerkungen

(1) Der Text ist eine verkürzte Fassung eines Artikels, der von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau in russischer Sprache veröffentlicht wird. Die längere Fassung behandelt zusätzlich Fragen der innersibirischen Wasserverteilung, die Wasserverschmutzung sowie den Gewässerschutz.

(2) Im hydrografischen Sinne kann man Sibirien als den asiatischen Teil des Einzugsgebietes des Nordpolarmeeres definieren. Zu diesem Gebiet gehören, ganz oder teilweise, 18 Föderationssubjekte Russlands in den Föderationsbezirken Sibirien, Ural und Fernost. Nur sieben Prozent dieses Einzugsgebietes im Oberlauf der Flüsse Tobol, Ischim, Irtysch, Jenissei und Selenga befinden sich außerhalb von Russland, nämlich in Kasachstan, China und der Mongolei. Im physiogeografischen Sinne ist Sibirien der Subkontinent Nordasien.

(3) Sowie weitere Flüsse, die zu den 20 größten Russlands zählen: Aldan, Angara, Kolyma, Nischnjaja Tunguska (oder: Untere Tunguska), Chatanga, Irtysch, Pjassina, Witim, Oljokma und Tas.

(4) Es gibt bei diesem Vorhaben allerdings mehrere Hindernisse. Wenn sich der Abfluss durch die Wasserentnahme verringert, kann es zu Energieverlusten im Angara-Staustufensystem kommen, da der Baikalsee als Überjahresspeicher für das Gesamtsystem fungiert. Besonders gefährlich ist dies bei extremem Niedrigwasser, wenn der Abfluss nur halb so stark wie in einem Normaljahr ist. Am Ende und entlang der Pipeline müssten aber Stauseen mit einem ausreichenden Volumen gebaut werden, um erstens die Wasserversorgung bei den weiten Transportstrecken sicherzustellen, und zweitens die Unregelmäßigkeiten beim Wasserverbrauch auszugleichen. Diese Stauseen sollen nur in wasserreichen Hochwasserperioden im Einzugsgebiet des Baikalsees gefüllt werden, wenn die Wasserabnahme nicht zu Beeinträchtigungen der Funktion von Wasserkraftanlagen führt.


Über den Autor

Prof. Dr. Leonid Korytny ist stellvertretender Direktor des Sotschawa-Instituts für Geographie der Sibirischen Abteilung der RAdW und leitet die Außenstelle der Russischen Gesellschaft für Geografie im Gebiet Irkutsk. Prof. Korytny ist Experte auf den Gebieten Gewässerkunde, Wasserwirtschaft, Limnologie, Wirtschaftsgeografie und Kartografie.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2014