afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2014
Rohstoffe aus der DR Kongo: Über- oder unterreguliert?
von Friedel Hütz-Adams
Die Demokratische Republik Kongo ist reich an natürlichen Rohstoffen. Internationale Gesetze sollen den Handel mit so genannten Konfliktmineralien kontrollieren. Ihre Umsetzung ist umstritten.
Die Ausbeutung von Mineralien wie Kupfer, Zinn, Kobalt, Diamanten,
Gold, Niob und Tantal im Kongo begann bereits teilweise in der
Kolonialzeit. Der Rohstoffexport war auch eine wichtige Stütze der
Diktatur von Mobutu Sese Seko, der das Land ab 1965 nach einem vom
Westen unterstützten Putsch bis 1996 beherrschte. Mit dem Beginn des
Bürgerkrieges im Jahr 1996, in den mehrere Nachbarstaaten involviert
waren, rückten einige der Rohstoffe zeitweise in den Fokus der
Weltöffentlichkeit. Studien der Vereinten Nationen belegten, dass
verschiedene Rebellenfraktionen und Besatzungsarmeen ebenso wie die
Regierungsarmee den Abbau und den Export von Rohstoffen nutzten, um
einen Teil der Kosten ihrer Kriegsführung zu finanzieren. Dennoch
reagierte die asiatische, nordamerikanische und europäische Industrie,
die diese Rohstoffe verarbeitete, jahrelang nur mit
Lippenbekenntnissen.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) verabschiedete im Jahr 2011 Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte (UN Guiding Principles of Business and Human Rights - UNGPs). Deren zentrale Aspekte sind die Begriffe Schutz, Achtung und Rechtsmittel (protect, respect, remedy).
Die Vereinten Nationen verlangen von Regierungen, Menschen vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wo sie dies nicht tun, müssen Unternehmen dennoch beachten, dass sie nicht von Menschenrechtsverletzungen in ihren Wertschöpfungsketten profitieren: Mit dem Begriff "Achtung" wird ausdrücklich auf die Verantwortung von Unternehmen für direkte und indirekte Auswirkungen ihres Handelns auf die Einhaltung der Menschenrechte verwiesen. Der Begriff "Rechtsmittel" umfasst die Forderung, Opfern von Menschenrechtsverletzungen den Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung zu erleichtern. Die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union (EU) müssen folglich ihre Gesetzgebung mit den Leitlinien der Vereinten Nationen in Einklang bringen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat in ihrer im Mai 2011 verabschiedeten Neufassung der "OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen" die UN-Leitlinien berücksichtigt und den Begriff der "due diligence" übernommen. Unternehmen sollen demnach die Durchsetzung der Menschenrechte in ihren Geschäftsbeziehungen garantieren. Darüber hinaus verlangt die OECD in ihrer "Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-affected and High-risk Areas" aus dem Jahr 2010, dass Unternehmen keine Konflikte verschärfen dürfen. Hierfür fordert die OECD von den Unternehmen unter anderem die Durchführung von Audits durch unabhängige Stellen, die die Einhaltung der Sorgfaltspflicht entlang der Wertschöpfungskette überwachen. Die OECD hat zudem weitere Regulierungen für den Abbau von Gold, Zinn, Wolfram und Tantal in Krisengebieten veröffentlicht.
Die USA versuchen mit einem im Juli 2010 verabschiedeten Gesetz, die Einfuhr von Konfliktrohstoffen zu unterbinden. Grundlage sind zwei Absätze eines umfassenden Gesetzespaketes, das nach seinen Verfassern Dodd-Frank-Act genannt wird. Der Abschnitt 1502 über den Umgang mit Ressourcen aus Konfliktgebieten in der Demokratischen Republik Kongo verlangt von allen an US-Börsen notierten Unternehmen den Nachweis, dass die von ihnen verwendeten Metalle Gold, Zinn, Tantal und Wolfram keine Milizen finanzieren. Für Importe aus der DR Kongo und um Schmuggel aus der Zentralafrikanischen Republik, dem Sudan, Sambia, Angola, der Republik Kongo, Tansania, Burundi, Ruanda und Uganda zu unterbinden, sind NachweIse über die Herkunft der vier Rohstoffe vorgeschrieben. Nach langen Debatten über die konkrete Umsetzung trat die Regelung im Januar 2013 in Kraft. Nicht nur rohstofffördernde und -verarbeitende Unternehmen müssen Rechenschaft ablegen, sondern auch Hersteller von Endgeräten. Um dies zu gewährleisten, müssen ihre weltweiten Lieferanten über transparente Lieferketten verfügen.
Die Unternehmen müssen seit Juni 2014 bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) Angaben über die Einhaltung der Bestimmungen machen und alle Schritte in Jahresberichten dokumentieren. Artikel 1504 des Dodd-Frank-Actes schreibt Unternehmen vor, Zahlungen für den Zugang zu und den Abbau von energetischen und mineralischen Rohstoffen an Regierungen aufgeschlüsselt nach Regierungen und Projekten offenzulegen. Diese Regelung gilt weltweit.
Die EU hat ebenfalls Regelungen zur Offenlegung von Zahlungsströmen erlassen. Zudem forderte das Europäische Parlament Ende Februar 2014, die Offenlegung der Herkunft von Konfliktrohstoffen soll per Gesetz durchgesetzt werden. Während das EU-Parlament für rechtlich verbindliche Regulierungen eintritt, veröffentlichte die EU-Kommission Anfang März 2014 einen weit weniger ambitionierten Verordnungsentwurf. Sie verlangt lediglich, Unternehmen könnten auf freiwilliger Basis für die vier Metalle Gold, Zinn, Tantal und Wolfram angeben, ob sie diese aus Krisengebieten beziehen. Was unter den Begriff "Krisengebiete" fällt, wird nicht näher definiert. Es liegt aber auf der Hand, dass die DR Kongo in weiten Teilen weiterhin als Krisengebiet gelten wird.
Die Konzentration auf die Regulierung der Rohstoffexporte als Lösungsansatz für die Krise insbesondere im Osten der DR Kongo stößt auf Kritik. Rohstoffe waren weder die wichtigste Ursache für den Krieg, noch sind die verschiedenen bewaffneten Gruppen bei der Finanzierung ihres Kampfes ausschließlich auf die Einnahmen aus dem Rohstoffexport angewiesen. Andererseits ist es angesichts der Situation in einigen Regionen im Osten des Landes offensichtlich, dass eine Kontrolle des Abbaus und der Vermarktung von Rohstoffen ein wichtiger Beitrag zur Konfliktschlichtung sein könnte.
Die große Bedeutung des Rohstoffsektors für die Bevölkerung belegen Schätzungen der Weltbank, laut derer je nach Jahreszeit zwischen 500.000 und zwei Millionen Menschen am Abbau von Erzen beteiligt sind, die wiederum direkt oder indirekt den Lebensunterhalt von bis zu zehn Millionen Menschen sichern. Die Abhängigkeit vieler Kleinschürfer und Kleinschürferinnen vom Rohstoffabbau und -handel wurde bei der Umsetzung des Dodd-Frank-Acts nicht ausreichend berücksichtigt.
Der kongolesische Präsident Joseph Kabila reagierte auf den drohenden Boykott gegen sein Land, indem er Anfang September 2010 ein Verbot aller Erzexporte aus den krisengeschüttelten Regionen Süd-Kivu, Nord-Kivu and Maniema verhängte. Als Bedingung für eine Wiedereröffnung des Handels nannte er die Schaffung transparenter und zertifizierter Handelswege. Darüber hinaus sollten sich die Kleinschürfer/-innen in Kooperativen organisieren, Zugang zu Trainingsmöglichkeiten erhalten und Steuern zahlen. Ziel war zudem die Unterbindung des Rohstoffschmuggels. Um die Arbeitsbedingungen in den Minen zu verbessern, verbot die Regierung unter anderem die Anwesenheit von schwangeren Frauen und Kindern in den Minen.
Dies geschah allerdings in einer Region, die in weiten Teilen von der kongolesischen Regierung weder militärisch noch verwaltungstechnisch kontrolliert wurde. Daher versuchte die Regierung, durch militärische Operationen die verschiedenen Rebellengruppen zurückzudrängen. Häufig übernahmen aber Offiziere und Einheiten der Regierungsarmee die Herrschaft über Minen und plünderten diese weiter aus, weshalb sich für die dort arbeitenden Kleinschürfer wenig änderte.
Der bis zum 10. März 2011 andauernde Exportbann führte zu einem weitgehenden Zusammenbruch der wirtschaftlichen Aktivitäten im Osten des Kongos, da den Menschen das Geld fehlte, weiterhin Waren zu erwerben und Handel zu treiben. Nach Aufhebung des Exportverbotes versuchten viele Rohstoffhändler, Lagerbestände so schnell wie möglich zu verkaufen. Es war nicht klar, wie lange sie den Weltmarkt beliefern durften, da der im Rahmen des Dodd-Frank-Acts verlangte Nachweis über die Herkunft der Rohstoffe zum damaligen Zeitpunkt in aller Regel nicht möglich war.
Ähnlich wie viele Nichtregierungsorganisationen zieht eine Expertengruppe der Vereinten Nationen in ihren Berichten eine sehr gemischte Bilanz der Entwicklungen. Einerseits beklagt sie, der Schmuggel habe in Reaktion auf das Handelsverbot deutlich zugenommen. Dies gilt insbesondere für Gold, das allerdings schon vor dem Exportverbot größtenteils illegal außer Landes gebracht wurde. Die Abdrängung des Handels von Erzen aus nicht zertifizierten Minen in die Illegalität hat dazu geführt, dass viele der Kleinschürfer/-innen heute einen geringeren Anteil des Weltmarktpreises für ihre Produkte erhalten als zuvor. Das wiederum kann Konflikte in der Region verschärfen, da die wirtschaftliche Not Kleinschürfer zu willigen Rekruten für diverse Rebellenorganisationen machen kann. Andererseits wurden transparente und zertifizierte Handelsketten ansatzweise aufgebaut. Dies gilt insbesondere für Zinn und Tantal. In vielen Minengebieten hat sich auch die Sicherheitssituation verbessert.
Trotz der offensichtlichen Probleme kamen Zertifizierungsansätze im Osten der DR Kongo lange Zeit nicht voran. Es fehlte am politischen Willen, einem halbwegs sicheren Umfeld, der notwendigen Infrastruktur und an Geld für erforderliche Investitionen. Nach der Veröffentlichung des Entwurfes des Dodd-Frank-Acts gerieten alle Seiten unter Druck: Den großen Unternehmen der Branche wurde klar, dass sie sich nicht mehr hinter langen Zulieferketten verstecken konnten, sondern ihnen drohte, selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Als Reaktion auf einen drohenden Boykott treiben die Regierungen der Region der Großen Seen seit 2008 den Aufbau zertifizierter Handelsketten (Certified Trading Chains - CTC) voran. Die Erze von Zinn, Tantal und Wolfram sollen in den Minen in Säcke verpackt, verplombt, nummeriert, kontrolliert transportiert und in ebenfalls kontrollierten Schmelzen verarbeitet werden. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die eng mit den Regierungen von Ruanda und der DR Kongo kooperiert, ist am Aufbau dieses Systems beteiligt, und zwar im Rahmen eines Projektes der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Neben der Konfliktfreiheit sollen auch bessere Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Arbeitsschutz und Mindeststandards beim Umweltschutz garantiert werden. Ziel ist der Aufbau von Warenströmen, die die Leitlinien der OECD erfüllen.
Daneben gibt es eine Initiative für Zinn (Tin Supply Chain Initiative - iTSCi), die ihre Aktivitäten gerade auf Tantal und Niob ausweitet. Im Goldsektor existieren mehrere Initiativen mit unterschiedlichen Zielen und ohne Koordination untereinander. Initiativen der Elektronikindustrie, die Global e-Sustainability Initiative (GeSI) und die Electronic Industry Citizenschip Coalition (EICC), betreiben gemeinsam das Conflict Free Smelter Program (CFS). Allerdings konzentriert sich das Programm auf Konfliktfreiheit ohne weitergehende soziale und ökologische Ansätze. Nichtregierungsorganisationen - teilweise in Zusammenarbeit mit Unternehmen - treiben dagegen Projekte mit umfassenderen sozialen und ökologischen Zielen voran. Durch die Vielzahl der Projekte mit unterschiedlichen Zielen wird die Situation für Kleinschürfer/-innen und Außenstehende allerdings sehr intransparent.
Eine gesetzlich erzwungene Transparenz des Handels mit metallischen Rohstoffen könnte weltweit neue Ansätze zur Minderung von Konflikten ermöglichen. Die Konzentrationen des Dodd-Frank-Acts auf die Demokratische Republik Kongo und die Nachbarstaaten birgt die Gefahr, Regulierungsansätze zu diskreditieren. Weder der Staat noch die Zivilgesellschaft und die Industrie hatten in der DR Kongo genügend Zeit, sich auf die Regulierung vorzubereiten.
Zu den Voraussetzungen für die Situationsverbesserung der Kleinschürferinnen und Kleinschürfer gehören unter anderem der Ausbau funktionierender staatlicher Institutionen, die De-Militarisierung der Abbaugebiete und tiefgreifende Reformen in der staatlichen Armee. Um dies zu erreichen, sollte ein Dialogprozess zwischen Regierung und Bevölkerung aufgebaut werden, in dem über die notwendigen politischen und wirtschaftlichen Reformen diskutiert wird. Teil dieser Diskussionen müsste sein, welche Reformen im Minensektor erforderlich sind und wie transparente Handelsketten so aufgebaut werden können, dass sie Kleinschürfer/-innen nützen. Die Industrie, die jahrzehntelang von den billigen Rohstoffen aus der DR Kongo profitierte, sollte diesen Prozess logistisch und finanziell unterstützen.
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des SÜDWIND-Instituts.
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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2014, S. 13 - 15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015
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