Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


INTERNATIONAL/258: Asien-Pazifik - Wirtschaft wächst, doch Millionen leben in Armut (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Mai 2015

Asien-Pazifik: Wirtschaft wächst, doch Millionen leben in Armut

von Kanya D'Almeida


Bild: © Padmanaba01/CC-BY-2.0

Bis zum Jahr 2020 könnte die städtische Bevölkerung in Asien und der Pazifikregion um weitere 500 Millionen Menschen anwachsen
Bild: © Padmanaba01/CC-BY-2.0

NEW YORK (IPS) - In der Asien-Pazifik-Region leben etwa 3,74 Milliarden Menschen - mehr als die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. Von ihnen wird in hohem Maße abhängen, ob es auf der Welt wirtschaftlich stabil oder chaotisch zugehen wird.

In ihrem neuen Jahresbericht zeichnet die Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (ESCAP) ein weitgehend positives Bild. Die Volkswirtschaften in der Region wachsen stetig, wenn auch in einem unterschiedlichen Tempo. Die Entwicklungsländer weisen ein leichtes Plus von 5,9 Prozent im Verhältnis zu 5,8 Prozent im vergangenen Jahr auf.

Aus dem Report geht zudem hervor, dass sich die durchschnittlichen Realeinkommen in den Übergangsländern seit den frühen neunziger Jahren verdoppelt haben. In China ist das Durchschnittseinkommen in dem Zeitraum sogar um das Siebenfache angestiegen, während sich die Realeinkommen in Bhutan, Kambodscha und Vietnam verdreifacht haben.

Während das Wachstum in China in diesem Jahr voraussichtlich auf sieben Prozent fällt, ist in Indien ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,7 Prozent auf 8,1 Prozent zu erwarten. In Indonesien wird mit einem Zuwachs von fünf auf 5,6 Prozent gerechnet. Die Ausbeute dieses Wachstums ist allerdings nicht gleichmäßig verteilt.


Einkommensungleichheit zugenommen

Laut dem Bericht hat sich die Einkommensungleichheit vergrößert, insbesondere in den städtischen Gebieten der größten Entwicklungsländer. Insgesamt ist seit den 1990er Jahren der Gini-Index, der die Einkommensungleichheit auf einer Skala von 0 bis 100 misst, in der Region von 33,5 auf 37,5 Prozent gestiegen.

Während Experten den Asien-Pazifik-Raum dafür loben, die Zahl der Menschen, die von weniger als 1,25 US-Dollar täglich leben müssen, bereits vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der UN-Millenniumsentwicklungsziele im Dezember 2015 halbiert zu haben, zeigt ein genauerer Blick auf die Armutsstatistiken, dass es eigentlich kaum etwas zu feiern gibt.

Nach ESCAP-Angaben im Statistischen Jahrbuch 2014 ist die Zahl der Armen in der Region zwar von 52 Prozent im Jahr 1990 auf 18 Prozent 2011 deutlich gesunken. In Zahlen ausgedrückt ist dies ein Rückgang der Armen von 1,7 Milliarden auf 772 Millionen Menschen.

Doch obwohl dies ein enormer Schritt nach vorn ist, ändert sich nichts an der Tatsache, dass viele Millionen Menschen im asiatisch-pazifischen Raum am Rande der Existenz leben. Weitere 40 Prozent - etwa 933 Millionen Menschen - fallen zwar nicht unter die Kategorie 'Ärmste der Armen', sind aber mit Einnahmen von zwei Dollar pro Tag in einer ähnlich schwierigen Situation.

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) bezweifelt sogar, dass die Fortschritte der vergangenen zwei Jahrzehnte so rosig sind, wie es den Anschein hat. Aus einem Bericht der Bank über den Rückgang der extremen Armut in der Region geht hervor, dass Ostasien mit einem Minus von 48,6 Prozent regional führend ist. Es folgen Zentral- und Westasien mit einem Rückgang der Armutszahlen um 39 Prozent, Südostasien mit 31 Prozent und Südasien mit 19 Prozent.

Zugleich nennt die Bank mehrere Gründe, weshalb die altbekannte Armutsschwelle von 1,25 Dollar pro Tag keine angemessene Richtschnur für einen Mindestlebensstandard sein kann: schwankende und steigende Kosten, die mit Ernährungsunsicherheit in Verbindung gebracht werden, die zunehmende Anfälligkeit der Region für Naturkatastrophen, der Klimawandel und Wirtschaftskrisen.

Setzt man die die Armutsgrenze bei 1,51 Dollar täglich an und werden die Auswirkungen von Nahrungsunsicherheit und die Anfälligkeit für Naturkatastrophen mitberücksichtigt, steigt die Rate der extremen Armut in der Region rasant auf 49,5 Prozent der Bevölkerung oder 1,7 Milliarden Menschen an.


Zahlreiche Herausforderungen

Der ESCAP-Report führt zudem die jeweils größten Probleme der Unterregionen auf, etwa eine zu große Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen und von den Überweisungen der im Ausland tätigen Arbeitskräfte aus Nord- und Zentralasien, die Herausforderungen in den Bereichen Beschäftigung und Klima in den pazifischen Inselentwicklungsstaaten, ein makroökonomisches Ungleichgewicht und gravierende Stromausfälle in Süd- und Südwestasien sowie eine unzureichende Infrastruktur und ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften in Südostasien.

Seit der Finanzkrise 1997 sind die Investitionen in die Infrastruktur in Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Thailand und Vietnam von 38 Milliarden im Krisenjahr auf 25 Milliarden im Jahr 2010 gesunken. Eine gute Infrastruktur ist jedoch dringend nötig, um die grundlegenden Dienstleistungen für die Armen zu verbessern. Dazu gehören auch bessere öffentliche Verkehrsmittel und Stromnetze. Schätzungen zufolge werden in Süd- und Südwestasien jährlich etwa 400 Milliarden Dollar für die Stromerzeugung benötigt. Nur 71 Prozent aller Bewohner Südasiens haben Zugang zu Strom, im Gegensatz zu 92 Prozent in Ost- und Südostasien.

Auch die Bereitstellung von Wasser und sanitären Anlagen muss dringend verbessert werden. Dies ist ein immenses Problem in einer Welt, in der laut ESCAP 41 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Toiletten und 75 Prozent kein Leitungswasser haben. Aufgrund der zunehmenden Verstädterung gibt es einen zusätzlichen Infrastrukturbedarf. ESCAP geht davon aus, dass die Region in den nächsten 15 Jahren mehr als elf Billionen Dollar brauchen wird, um die durch die Urbanisierung entstehenden Probleme zu lösen.

Im Jahr 2012 hatten noch 46 Prozent der Einwohner der Asien-Pazifik-Region in Städten gelebt. Das derzeitige urbane Wachstum legt nahe, dass sich der Anteil bis 2020 um weitere 500 Millionen Menschen auf 50 Prozent erhöhen könnte.

Auch die Ungleichbehandlung der Geschlechter bleibt ein Problem. In der gesamten Region machen Frauen lediglich 18 Prozent der Parlamentsabgeordneten aus. In einem Drittel dieser Länder gibt es sogar weniger als zehn Prozent weibliche Abgeordnete.

Junge Menschen haben es ebenfalls schwer. In sieben der 13 Staaten der Region sind mehr als zehn Prozent von ihnen ohne Job. In Sri Lanka ist die Jugendarbeitslosigkeit sogar auf 19,5 Prozent geklettert. (Ende/IPS/ck/18.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/the-asia-pacific-region-is-growing-but-millions-are-living-in-poverty/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Mai 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang