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MELDUNG/522: Steuer- und Transfersystem - Umverteilung vor allem über die Sozialversicherungen (idw)


Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 19.02.2015

Steuer- und Transfersystem: Laufende Umverteilung vor allem über die Sozialversicherungen


Das deutsche Steuer- und Transfersystem sorgt dafür, dass die Nettoeinkommen der Bürger deutlich gleichmäßiger verteilt sind als die Markteinkommen. Ein Großteil der Umverteilung findet über das Sozialversicherungssystem statt. Allerdings geht dabei der größere Teil der staatlichen Leistungen nicht an finanziell bedürftige Haushalte. "Es wird zwar ordentlich umverteilt in Deutschland, aber abgesehen von der Grundsicherung fließen viele Transfers auch an Mittelschichtbürger oder sogar an Wohlhabende", fasst Steuerexperte Stefan Bach die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zusammen.

Deutschland gilt im internationalen Vergleich als ein Land mit einem hohen Maß an Einkommensumverteilung - vor allem wegen seiner breit ausgebauten sozialen Sicherungssysteme. Diese bekämpfen nicht nur Armut, sondern sichern auch den Lebensstandard im Alter oder bei Krankheit und Arbeitslosigkeit. Daher gehen sie auch an Bürger, die keinen Anspruch auf Grundsicherung haben. Staatliche Transferleistungen sind der größte Budgetposten im Staatshaushalt, jährlich werden dafür etwa 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgegeben.

Stefan Bach, Markus Grabka und Erik Tomasch vom DIW Berlin haben die Wirkungen der staatlichen Umverteilungspolitik mit Hilfe der Daten der Haushaltserhebung "Sozio-oekonomisches Panel" für das Jahr 2011 untersucht. Inwieweit wird durch das Steuer- und Transfersystem Einkommensungleichheit reduziert, und wie zielgenau sind die Transferleistungen? Betrachtet wurde nur die rein monetäre Umverteilung, die sozialen Sachleistungen wie beispielsweise öffentliche Gesundheitsleistungen waren nicht Gegenstand der Untersuchung.

Die Forscher haben die Bevölkerung nach der Höhe der jährlichen Haushaltsnettoeinkommen aufsteigend sortiert und in zehn gleich große Gruppen (Dezile) eingeteilt. Erwartungsgemäß war die Ungleichheit der Markteinkommen - also sämtliche Erwerbs- und Vermögenseinkommen - am höchsten; der Gini-Koeffizient, ein international anerkanntes Maß für die Messung der Ungleichheit, liegt hier bei 0,5. Nach Transfers, Steuern und Sozialbeiträgen fällt die Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen deutlich gleichmäßiger aus als die Verteilung der Markteinkommen, sodass hier der Gini-Koeffizient auf einen Wert von 0,29 sinkt. Durch die Umverteilung steigen bei den unteren Eink0mmensgruppen die verfügbaren Einkommen gegenüber den Markteinkommen, bei den oberen Dezilen sinken sie zunehmend. "Per Saldo bekommt die ärmere Hälfte der Bevölkerung etwas vom Staat, während die reichere Hälfte an den Staat bezahlt", so Stefan Bach.

Den größten Anteil an den staatlichen Transferleistungen hat - gesamtwirtschaftlich gesehen - die Gesetzliche Rentenversicherung. Sie trägt aber längerfristig vergleichsweise wenig zur Umverteilung bei, soweit die Bürger in der Vergangenheit äquivalente Beiträge für die Leistungen gezahlt haben. Insoweit ist lediglich der aus Steuermitteln (Bundeszuschüssen) finanzierte Anteil der Leistungen für die Umverteilung relevant.

Eine hohe Umverteilungswirkung haben die staatlichen Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV oder Grundsicherung im Alter, die den Bedürftigen zugute kommen. Sonstige Transfers wie familienbezogene Leistungen, insbesondere das Kindergeld, werden unabhängig von der finanziellen Bedürftigkeit gewährt, sondern breit über alle Einkommensgruppen gestreut. Sie lösen deshalb kaum Umverteilungswirkungen zwischen Einkommensschichten aus.

Weitere Informationen unter:

http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.497228.de/15-8.pdf
- DIW Wochenbericht 8/2015
http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.497251.de
- Interview mit Stefan Bach (Print und Audio)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution375

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin,
Renate Bogdanovic, 19.02.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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