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MARKT/1549: Versicherungen machen Dienstleistungen teurer (idw)


Universität zu Köln - 21.06.2016

Versicherungen machen Dienstleistungen teurer

Kosten steigen um bis zu 80 %


Ehrlichkeit ist ein wesentlicher Baustein für die Zusammenarbeit in menschlichen Gesellschaften und damit auch für ihr wirtschaftliches Wohlergehen. Doch ehrliches Handeln ist nicht immer gegeben. Märkte für sogenannte Vertrauensgüter wie Reparaturkosten oder medizinische Therapien bieten Verkäufern starke Anreize für unehrliches Handeln. Da die Qualität der erbrachten Leistungen vom Käufer nicht beurteilt werden kann, kann der Verkäufer leichter als bei anderen Gütern betrügen. Professor Dr. Matthias Sutter vom Lehrstuhl "Economics: Design and Behavior" hat zusammen mit seinen Kollegen Professor Dr. Rudolf Kerschbamer und Dr. Daniel Neururer von der Universität Innsbruck nun untersucht, welche Rolle Versicherungen dabei spielen. Ihr Ergebnis: Der Preis für die Reparatur eines Computers stieg um mehr als 80 Prozent, wenn der Verkäufer erfuhr, dass die Dienstleistung von einer Versicherung gedeckt würde. Dabei wurden sowohl einzelne Computerteile unnützerweise ausgetauscht als auch die Arbeitszeit zu hoch angerechnet. Versicherte Käufer seien, so die Studie, weniger kritisch bei den Kosten als unversicherte, weil eine dritte Partei zahle. Professor Sutter und seine Kollegen bezeichnen das Verhalten der Kunden und der Verkäufer als moralisches Fehlverhalten zweiten Grades (second degree moral hazard).

Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) einzusehen:
pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1518015113


Die Wissenschaftler untersuchten das Verhalten von 61 der insgesamt 251 bekannten Computerreparaturläden in Österreich, die nach dem Zufallsprinzip entlang der Ost-West-Achse des Landes ausgesucht worden waren. Die Wissenschaftler brachten dort jeweils das gleiche Computermodell mit exakt der gleichen Beschädigung zur Reparatur: das Random Access Memory (RAM) war zerstört worden, was eigentlich nicht länger als eine halbe Stunde Reparaturzeit erfordern sollte. Zusätzlich war sichergestellt worden, dass die Rechner außer den mutwillig beigebrachten Beschädigungen vollkommen funktionsfähig waren und keinerlei Schäden aufwiesen. Die Ökonomen gaben nun zwei unterschiedliche Käufer vor: In einer Gruppe gaben sie an, sie selber würden die Reparatur bezahlen ("Ich brauche eine Quittung dafür") in der anderen Gruppe ergänzten sie mit "Ich brauche eine Quittung dafür, weil ich eine Versicherung habe, die die Reparaturkosten übernimmt." Ansonsten war das Vorgehen beider Gruppen identisch.

Insgesamt 58 der 61 Computerläden waren erfolgreich bei der Reparatur. Der durchschnittliche Reparaturpreis in der Kontrollgruppe ohne vorgebliche Versicherung betrug 70,17 Euro. Der durchschnittliche Reparaturpreis in der Gruppe, die vorgab, versichert zu sein, betrug 128,68 Euro - 58 Euro mehr.

In der Versichertengruppe konnten Wissenschaftler fünf Fälle zählen, bei denen die Werkstätten schlicht sinnlose zusätzliche Reparaturen ausgeführt hatten. Dadurch entstanden bei diesen fünf Reparaturen durchschnittliche Kosten von 200,58 Euro. Ein Teil der höheren Durchschnittskosten in der Versichertengruppe konnte durch diese Überversorgung erklärt werden. Ein weiterer Teil entstand durch die Überberechnung von Arbeitszeit. Bei 27 Anbietern wurde die Arbeitszeit auf der Rechnung ausgewiesen. Die Rechner der Kontrollgruppe wurden in 0,55 Stunden (33 Min.) in Stand gesetzt, diejenigen der Versichertengruppe in 1,02 Stunden (61 Min). Der Unterschied in der Arbeitszeit von 28 Minuten sorgte für 41.11 Euro höhere Kosten, etwa 70 Prozent der gesamten Mehrkosten.

Um mehr über die Motive hinter diesem Verhalten der Verkäufer zu erfahren, führten Sutter, Kerschbamer und Neururer eine Befragung in 15 Computerläden durch. Dabei gaben sie insgesamt fünf mögliche Gründe vor, warum Versicherte mehr Geld zahlen als Unversicherte. Die Mehrheit der befragten Computerläden wählte von den angebotenen Motiven die Möglichkeit "Versicherte Kunden kümmern sich weniger um die Kostenminimierung, weil eine dritte Partei zahlt", so Matthias Sutter. Der Wissenschaftler schließt daraus: "Versicherungsschutz kann in Märkten für Vertrauensgüter hohe Zusatzkosten für Versicherungen und für eine Volkswirtschaft insgesamt verursachen."

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution19

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität zu Köln, Anneliese Odenthal, 21.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2016

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