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ROHSTOFFE/030: Kolumbien - Wachsender Widerstand gegen ungezügelten Goldbergbau (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Februar 2011

Kolumbien: Wachsender Widerstand gegen ungezügelten Goldbergbau

Von Helda Martínez


Bogotá, 9. Februar (IPS) - In Kolumbien wächst der Widerstand gegen den Goldbergbau, der das südamerikanische Land nach Erkenntnissen der Industrialisierungsorganisation UNIDO zum quecksilberverseuchtesten Ort der Welt gemacht hat. Bemerkenswert an der Entwicklung ist, dass sich dem Bündnis gegen die unkontrollierte Goldproduktion auch immer mehr Angehörige der Mittel- und Oberschicht anschließen.

"Entwicklung, Auslandsinvestitionen oder die Aussicht auf Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen dürfen nicht als Argumente für die Zerstörung unseres Wasserreichtums in den Páramos (Hochlandmoore) herhalten", sagte der Nationale Händlerverband (FENALCO) in einer Mitteilung.

Die Vereinigung hat der Regierung von Staatspräsident Juan Manuel Santos wissen lassen, dass sie ein entschiedener Gegner des Angostura Minenprojekts der kanadischen Firma 'GreyStar' im Hochmoor von Santurbán im nordkolumbianischen Departement Santander ist. Das Vorhaben sieht über einen Zeitraum von 15 Jahren den Goldabbau unter freiem Himmel vor. "Wir unterstützen keine Aktivitäten, die irreversible Schäden verursachen", so der FENALCO-Direktor Erwing Rodríguez in Bucaramanga, der Hauptstadt von Santander. Unterstützt wird die Vereinigung von der Gesellschaft der Ingenieure, der Gesellschaft für öffentliche Verbesserungen und anderen Organisationen des Departements.

Den Zusicherungen von GreyStar, das Projekt sei ökologisch unbedenklich, schenken die Gegner keinen Glauben. "Schon die US-amerikanische Firma 'Drummond' hatte mir vor 20 Jahren das Gleiche versichert", meint dazu der ehemalige Umweltminister Manuel Rodríguez unlängst bei einer öffentlichen Anhörung in Bucaramanga. Er erinnerte an die nachweislichen Umweltschäden, die dem nordkolumbianischen Departement Cesar durch den Drummond-Kohlebergbau entstanden waren.

Darüber hinaus berichteten Anwohner und Bergleute von schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Übergriffe führten zu Gerichtsverfahren in Kolumbien und der USA. Sie gehörten zu den Einwänden, die letztlich einem Freihandelsabkommen beider Länder im Wege standen.


Breites Bündnis

"Es ist schon erstaunlich, dass sich ein Konglomerat aus Mittel- und Oberschicht, sozialen Organisationen, linkspolitischen Gruppen und Umweltschützern für ein gemeinsames Ziel engagiert: den Schutz des Wassers", so der Geologe Julio Fierro Morales.

Die soziale Bewegung von Santander und Umweltschützer haben sich auch im zentralkolumbianischen Departement Tolima zusammengefunden, um sich "kontinuierlich" gegen die Goldproduktion durch das südafrikanische Unternehmen 'AngloGold' im Bezirk Cajamarca zu wehren, wie Evelio Campos von der Umweltorganisation 'Ecostierra' berichtet.

Diesem Bündnis geht es vor allem darum, die Menschen über die verheerenden Folgen des Goldbergbaus in wasserreichen Ökosystemen der Region wie Hochmoore, Nebel- und Urwälder zu informieren. "Wir besuchen die Region, um die Menschen auf die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden hinzuweisen, die durch die Ausbeutung des Rohstoffs entstehen", so Campos. Ergänzt werden die Informationen durch ein tägliches halbstündiges Fernsehprogramm, das in Ibagué, der Hauptstadt von Tolima, ausgestrahlt wird.

Auch in den Hochmooren von Nuevo Colón und Vijagual im nordöstlichen Departement Boyacá finden sich immer mehr Menschen zu Protestaktionen gegen den Goldbergbau zusammen. Hinzu kommen Kundgebungen von Embera-Ureinwohnern und Afrokolumbianern auf dem Careperro-Berg durch die US-Firma 'Muriel Mining'. "Das Verfassungsgericht hat sich bereits hinter die Indigenen, Bauern, Schwarzen und anderen Bürger gestellt, die sich der Ausbeutung der Goldreserven mutig in den Weg stellen", meint der Geologe Fierro Morales.

Darüber hinaus kam es im Süden der Hauptstadt Bogotá zu Protesten von Soldaten gegen eine Grube auf dem Gelände der Artillerieschule und der Katholischen Diözese und ihrer San-Antonio-Stiftung gegen transnationale Konzerne wie Cemex (Mexiko) und Holcim (Schweiz).

Kolumbien gehörte bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu den größten Goldexporteuren der Welt. Dann ging die Produktion in dem Bürgerkriegsland lange Zeit zurück. Inzwischen ist es zum zweitgrößten Goldproduzenten Lateinamerikas aufgestiegen.


Reich an Bodenschätzen

Doch Kolumbien hat noch mehr zu bieten als Gold. So ist es der größte Hersteller von Smaragden weltweit. Zudem ist Kolumbien reich an Silber, Platin, Nickel, Kupfer, Eisen, Magnesium, Blei, Zink und Titan. Auch exportiert das Land Salz, Kies, Lehm, Sand, Schwefel, Kalkstein, Talg, Phosphorgestein und Ziersteine. Diese Bodenschätze und auch die Öl- und Gasvorkommen haben in den letzten Jahrzehnte zahlreiche ausländische Investoren angelockt, die zudem vom Bergbaugesetz der Regierung des ehemaligen Staatspräsidenten Andrés Pastrana (1998-2002) profitieren.

Sein Amtsnachfolger Álvaro Uribe (2002-2010) rührte für die Ausbeutung der Bodenschätze des Landes erfolgreich die Werbetrommel. Er entsandte unzählige Delegationen zu den Bergbaumessen der Welt, die den Interessenten das Ende des Bürgerkriegs und eine umfangreiche Entwicklung des Bergbausektors zusicherten.

Kolumbien hat bereits Förderlizenzen für 10.000 Minen ausgegeben, von denen 4.000 bereits ausgebeutet werden, ohne dass die Aktivitäten vom Staat kontrolliert werden. Die Behörden räumen ein, dass hier Nachholbedarf besteht. Doch die 40 Beamten, denen die Kontrolle der Bergung der Bodenschätze im Lande obliegt, reichen bei weitem nicht aus, um die Rohstoffproduktion in ökologisch annehmbare Bahnen zu lenken.


Kontrollmaßnahmen angekündigt

Das Ministerium für Bergbau und Energie versprach Abhilfe und kündigte Anfang Februar eine Reform zur besseren Kontrolle der Bergbauarbeiten an. Vor allem will es den illegalen und informellen Bergbau reglementieren, der seine Ursache in der Armut [und] dem Mangel an landwirtschaftlichen Anreizen hat.

Der Bergbau ist auch für die Bergleute ein gefährliches Geschäft. Nach Angaben der Kolumbianischen Bergbaukammer starben im letzten Jahr 134 Bergleute. In diesem Jahr kamen 27 Bergarbeiter bei zwei Explosionen in Kohlenminen ums Leben.

Der Geologe Fierro Morales wünscht sich ein Referendum zugunsten eines neuen Bergbaugesetzes, das den Schutz seiner natürlichen und sozialen Reichtümer garantiert. "Wir brauchen tief greifende Änderungen, die sich durch politische Entscheidungen nicht erreichen lassen." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.reclamecolombia.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97461

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2011