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UNTERNEHMEN/2828: Was die Coronakrise aktuell für den Mittelstand bedeutet (idw)


Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn - 23.04.2020

Was die Coronakrise aktuell für den Mittelstand bedeutet


38 Vertreter und Vertreterinnen von wissenschaftlichen Instituten, Wirtschaftsverbänden, von der KfW Bankengruppe sowie seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein- Westfalen diskutierten im Rahmen einer zweistündigen Telefonkonferenz über den "Mittelstand in der Coronakrise".

"Es ist sehr positiv zu werten, dass sich der sukzessive Restart der Wirtschaft nicht am Wertschöpfungsbeitrag der Unternehmen, sondern an den gesundheitspolitischen Gründen orientiert. Unabhängig von ihrem volkswirtschaftlichen Beitrag tragen schließlich auch die mittelständischen Unternehmen maßgeblich zur Ausbildung, Innovation und gesellschaftlichen Stabilität in Deutschland bei", mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Friederike Welter (IfM Bonn/Universität Siegen) am Dienstag den ersten digitalen Round Table Mittelstand.

Allerdings lässt sich nach Untersuchungen von Hans-Jürgen Wolter (IfM Bonn) ein differenziertes Vorgehen nicht vermeiden. Schließlich gäbe es Wirtschaftszweige, in denen das Gebot des Mindestabstandes leichter gewährleistet werden könne, wie beispielsweise in Teilen des Baugewerbes. Für die Gastronomie, die Unternehmen der Tourismusbranche und für Künstler erwartet er hingegen, dass sie deutlich länger auf Unterstützung von Bund und Ländern angewiesen sein werden. Besondere Hilfen mahnten die Diskussionsteilnehmer auch für selbstständige Frauen mit Kindern sowie für Migranten und Migrantinnen an. Gerade letztere seien schließlich häufig in den Branchen tätig, die aktuell besonders vom Shutdown betroffen seien.

Gleichwohl wird die Coronavirus-Pandemiekrise von den Unternehmen durchaus unterschiedlich wahrgenommen: "Während Unternehmen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern tendenziell eher von Anpassungen an die aktuelle Lage auf ihren Webseiten sprechen, weisen Unternehmen in westlichen Bundesländer deutlich häufiger auf schwerwiegende Problemen in Folge des Shutdowns hin", berichtete Dr. Georg Licht (ZEW - Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung Mannheim GmbH).

Unter allen Maßnahmen der Bundesregierung begrüßen die Selbstständigen vor allem die "Soforthilfe". "Dagegen wird der erleichterte Zugang zur Grundsicherung nicht als hilfreich angesehen, auch wenn die Liquiditätslage beispielsweise bei vielen Soloselbstständigen angespannt sei und gut ein Fünftel von ihnen sogar damit rechnet, ihre Selbstständigkeit beenden zu müssen", resümierte Prof. Dr. Jörn Block (Universität Trier) die ersten Ergebnisse einer aktuellen Online-Befragung von Selbstständigen.

Nach Ansicht von Dr. Katarzyna Haverkamp (ifH Göttingen) ist daher ein zweigleisiges Vorgehen notwendig: "Es gilt, sowohl Gründungen zu unterstützen als auch die Bestandsunternehmen zu stabilisieren - damit die ausbildenden Unternehmen nicht verloren gehen."

Für die deutsche Industrie - gleich ob börsennotierter Konzern oder mittelständisches Familienunternehmen - ist nach Ansicht von Fabian Wehnert (Bundesverband der Deutschen Industrie BDI) nicht zuletzt die zügige Öffnung der innereuropäischen Grenzen wichtig. Das trage positiv zu Konjunktur und Arbeitsplätzen auf allen Seiten bei und helfe, die teilweise gestörten und zerrissenen Wertschöpfungsnetzwerke zu reaktivieren.

Insgesamt stellt die Coronavirus-Pandemiekrise die mittelständische Wirtschaft aber nicht nur vor Herausforderungen, sondern sie bietet auch Chancen, wie eine Sonderauswertung der Expertenbefragung für das "Zukunftspanel Mittelstand" gezeigt hat. So rechnen die befragten Mittelstandsexperten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Mittelstandspolitik nach Angaben von Britta Levering (IfM Bonn) zukünftig sowohl mit einer konsequenteren, schnelleren und umfassenderen Umsetzung der Digitalisierung als auch mit mehr Innovationen und der Erschließung neuer Geschäftsfelder und Marktsegmente.

Diese Chancen zeigen sich auch in den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemiekrise auf Nachfolgeprozesse, wie Untersuchungen von Prof. Dr. Isabell Stamm (TU Berlin) zu Firmenbörsen zeigen: "Aktuell sind Verkäufer und Käufer von mittelständischen Unternehmen abwartend und zurückhaltend. Mit einer Ausnahme: Unternehmen, die bereits jetzt digital aufgestellt sind, werden im Moment eher verkauft oder erfreuen sich sogar erhöhter Nachfrage." Hinzu kommt, dass gerade digitale Unternehmensplattformen intensiv genutzt werden, beobachtet die Berliner Wissenschaftlerin.

Der neue Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß, begrüßte die Diskussion zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik im Rahmen des Round Table Mittelstand: "Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und der Gestaltung der ersten Schritte in einen Neustart von Wirtschaft und Gesellschaft braucht die Politik die besten Ideen aus der Wissenschaft und der Wirtschaft. Nur mit frischen Erkenntnissen über die Betroffenheit der Unternehmen, über die Wirkung der staatlichen Unterstützung und Erfolgsaussichten möglicher wachstumssteigernder Maßnahmen können wir eine Mittelstandspolitik betreiben, die ankommt und echte Zuversicht verbreitet. Deshalb freue ich mich sehr über den lebendigen interdisziplinären Austausch im Round Table Mittelstand, der zahlreiche Anregungen für die Politik gegeben hat - von der Forderung nach einer möglichst breiten Förderung, über den Schub für Digitalisierung und Unternehmensgründungen, bis hin zur Betonung ordnungspolitischer Prinzipien und der Bedeutung offener Märkte und Grenzen in Europa und weltweit. Ich freue mich sehr, bei künftigen Sitzungen des Round Table Mittelstand selbst mitzudiskutieren!"



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn, 23.04.2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2020

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