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VERKEHR/1429: Verkehrsministerkonferenz - Unfallentwicklung bereitet Sorgen (DVR)


Der Deutsche Verkehrsicherheitsrat (DVR)
Pressemitteilung vom 13. April 2016

DVR: Fokus auf konkrete Gefährdungen richten
Verkehrsministerkonferenz: Unfallentwicklung bereitet Sorgen


Bonn, 13. April 2016 (DVR) - Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) unterstützt die Vorschläge zur Umsetzung des Verkehrssicherheitsprogramms des Bundes, die der morgen in Heringsdorf (Usedom) beginnenden Verkehrsministerkonferenz zur Beschlussfassung vorliegen.

Das 2011 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte nationale Verkehrssicherheitsprogramm strebt an, die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten im Schnitt jedes Jahr rund 160 Menschen weniger im Straßenverkehr ums Leben kommen.

Nach einem jahrzehntelangen tendenziellen Rückgang der Zahl der Getöteten ist seit 2015 gegenüber dem Jahr 2013 jedoch mit einem Anstieg um mehr als drei Prozent eine negative Trendumkehr erkennbar.

Auch im europäischen Vergleich hat sich Deutschland hinsichtlich der Rate der Getöteten je eine Million Einwohner zwischen den Jahren 2011 bis 2014 verschlechtert und ist mittlerweile auf den achten Platz zurückgefallen.

"Der DVR unterstützt die Forderung der Verkehrsminister, vor allem auf den besonders unfallträchtigen Landstraßen für mehr Sicherheit zu sorgen", sagt DVR-Präsident Dr. Walter Eichendorf. Derzeit sterben rund 20 Prozent aller Getöteten im Straßenverkehr beim Aufprall auf Bäume. "Daher müssen auch Baumunfälle bekämpft werden, indem bestehende Regelwerke angewendet und angepasst werden. Es sind nicht nur die dicken Alleebäume, die bei einem Aufprall für die Fahrzeuginsassen zu einer tödlichen Gefahr werden können. Selbst dünne Bäume sind lebensgefährlich, wenn das Auto zentral auf sie trifft und sie bis in die Fahrgastzelle vordringen", ergänzt er. Straßen sollten möglichst so gestaltet sein, dass sie Fehler von Menschen so weit wie möglich verzeihen können. "Daher sollten Neuanpflanzungen von Alleen und Nachpflanzungen in der Regel nicht erfolgen. Sofern dennoch Bäume gepflanzt werden, sind neben einem ausreichenden Abstand zur Fahrbahn zusätzlich Schutzplanken vorzusehen", fordert der DVR-Präsident.

Der DVR empfiehlt darüber hinaus, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf sehr schmalen Landstraßen mit einer Fahrbahnbreite bis sechs Metern auf 80 km/h zu begrenzen. Wo die Sichtweite nicht ausreiche, um gefahrlos überholen zu können, solle zudem die Anordnung von Überholverboten geprüft werden.

Vor dem Hintergrund überproportional hoher Unfallzahlen müssen laut DVR ältere Verkehrsteilnehmer und die Gruppe der jungen Fahrer in den Fokus gerückt werden. Im Jahr 2014 sind 987 Verkehrsteilnehmer ab 65 Jahren und 496 junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren ums Leben gekommen.

Mit Blick auf die Älteren müsse weiterhin für mehr freiwillige Gesundheitschecks geworben werden, aber auch die Entwicklung der tödlichen Unfälle mit Fußgängern und Fahrradfahrern müsse besonders betrachtet werden. Ferner sollten Modelle für freiwillige Feedbackfahrten unter professioneller Anleitung entwickelt werden.

Feedbacksysteme seien auch für junge Fahrer erfolgversprechend. "Die jungen Leute brauchen längere Lernzeiträume, um die notwendige Professionalität am Steuer zu erlangen", sagt Dr. Eichendorf. Dazu müssten immer wieder Möglichkeiten der Selbstreflexion, sogenannte "Korrekturschleifen", in die Fahrausbildung und die erste Zeit des selbstständigen Fahrens eingebaut werden. "Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, jetzt müssen sie endlich in eine modellhafte Erprobung überführt werden", fordert der DVR-Präsident.

Weiterhin nötig ist nach Meinung des DVR und in Übereinstimmung mit der Verkehrsministerkonferenz die konsequente Überwachung und Ahndung von erheblichen Geschwindigkeitsübertretungen, um das Verhalten der Auto- und Motorradfahrer zu einer sicheren und angepassten Fahrweise zu beeinflussen. Nach wie vor spielt die nicht angepasste Geschwindigkeit eine wichtige Rolle im Unfallgeschehen: 34,3 Prozent aller Todesopfer und 23,4 Prozent aller Schwerverletzten waren 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf diese Unfallursache zurückzuführen. "Hohe Geschwindigkeiten gepaart mit mangelndem Sicherheitsabstand führen immer wieder zu schweren Unfällen. Maßnahmen zur Geschwindigkeitsüberwachung sind deshalb besonders aktuell", sagt Dr. Eichendorf.

Konsequente Überwachung besitzt einen unverzichtbaren Stellenwert für die Umsetzung der Sicherheitsstrategie Vision Zero: "Überwachung ist nur ein Aspekt der Verkehrssicherheit, aber ohne Überwachung ist alles nichts", so der DVR-Präsident. Um die Akzeptanz von Kontrollen zu erhöhen, könnten die Behörden im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit begründen, warum an bestimmten Stellen Geschwindigkeitsbegrenzungen notwendig seien. Und schließlich müssten auch künftig die personellen Ressourcen der Polizei für Geschwindigkeitskontrollen in Kombination mit dem Anhalten von Verkehrsteilnehmern gegeben sein, weil so persönlich und zeitnah zum Vergehen der Sinn der Überwachung am besten vermittelt werden könne.

Positiv bewertet der DVR die erleichterte Anordnungsmöglichkeit von Tempo 30 an Unfallbrennpunkten und in schutzwürdigen Bereichen wie zum Beispiel vor Kindergärten, Schulen oder Altenheimen. Der DVR geht allerdings noch weiter und plädiert dafür, einen Modellversuch durchzuführen, in dem die Regelgeschwindigkeit innerorts von 50 auf 30 km/h umgekehrt wird. "Im Sinne der Sicherheitsstrategie Vision Zero müssen die Höchstgeschwindigkeiten auch innerorts den Gefährdungen angepasst werden", meint Dr. Eichendorf. Ein wissenschaftlich begleiteter Modellversuch sei hilfreich, um zu gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich der festgelegten Wirkungen, der Reduktionspotenziale von Unfällen und deren Übertragbarkeit zu gelangen. Durch zu hohe Geschwindigkeiten in der Stadt seien besonders Radfahrer und Fußgänger, Kinder und ältere Menschen gefährdet.

Hilfreich seien in diesem Zusammenhang moderne elektronische Fahrerassistenzsysteme. "Notbremsassistenten, Abstandsregeltempomaten, Spurwechselassistenten und Co. sind beste Beifahrer und haben den Vorteil, dass sie immer aufmerksam sind. Sie warnen oder greifen ein, wenn die Situation es verlangt. Fällt der Mensch aus, greift das System ein", erläutert Dr. Eichendorf. Darüber hinaus erhöhen Fahrerassistenzsysteme nicht nur die Sicherheit, sondern senken auch die Unfallfolgekosten: "Wir hätten bis zu 50 Prozent weniger Unfälle, wenn alle Fahrzeuge flächendeckend mit den modernen Sicherheitsfeatures ausgerüstet wären."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13.04.2016
Herausgeber: Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR)
Auguststraße 29, 53229 Bonn.
Telefon (02 28) 4 00 01-0
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E-Mail: srademacher@dvr.de
http://www.dvr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2016

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