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DATENSCHUTZ/043: Zensus 2022 - Datenschutz, Probleme und Pflicht zur Teilnahme (Dr. Datenschutz)


"Dr. Datenschutz"-Fachbeitrag vom 17. Mai 2022

Zensus 2022: Datenschutz, Probleme und Pflicht zur Teilnahme

von Fokko Oldewurtel


Nach 11 Jahren ist es wieder so weit: In der Bundesrepublik werden wieder Bürger gezählt. Seit dem 15.05.2022 findet der Zensus statt und wird von den statistischen Ämtern durchgeführt. Der ein oder andere Leser mag in den letzten Tagen Post bekommen haben und sich fragen, was es damit auf sich hat und wie damit umzugehen ist. Welche Rechte und Pflichten die Befragten trifft und welcher Skandal den Zensus 2022 dieses Jahr begleitet, haben wir in unserem Artikel zusammengefasst.

Was ist der Zensus?

Das Volk wird gezählt. Und immer wieder bringt dies neue Erkenntnisse mit sich. In einer Stichprobe werden unter anderem ca. 10 Prozent der Bevölkerung direkt dazu gefragt, wie sie leben, wohnen und arbeiten. Daneben werden auch Daten zu Alter, Geschlecht, Familienstand, Staatsangehörigkeit, Ausbildung und Berufstätigkeit erhoben. Auf die Ergebnisse der Erhebung, werden viele Entscheidungen von Bund, Ländern und Gemeinden gestützt. Auch die Berechnung für EU-Fördermittel und der Länderfinanzausgleich beruhen auf den Zensusdaten.

Darf der Staat das? Gibt es dafür eine Rechtsgrundlage?

Kurz gesagt: Ja. Wie einige der Leser wissen werden, hat dies jedoch bereits in den 80er-Jahren für Unruhe gesorgt und bescherte den Bundesbürgern das sogenannte Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts [1]. Dieses Urteil sprach grundsätzlich jeder einzelnen Person das Recht zu, selbst darüber zu bestimmen, wer bestimmte Daten über sie erhält (Recht auf informationelle Selbstbestimmung [2]; entwickelt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG [3] i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG [4]). Aufgrund dessen wurde damals das Bundesdatenschutzgesetz novelliert und das Vorgehen hinsichtlich der Volksbefragung neu geplant. Auch im zweiten Anlauf der Volkszählung gab es, trotz verfassungsgemäßer Umsetzung, dennoch viel Gegenwind aus sämtlichen Teilen der Bevölkerung.

Mittlerweile existiert bereits seit 2008 mit der Verordnung (EG) Nr. 763/2008 über Volks- und Wohnungszählungen [5] eine europaweit einheitliche Rechtsgrundlage, aufgrund derer alle Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, alle zehn Jahre einen Zensus durchzuführen. Auch Deutschland ist somit zur Volkszählung verpflichtet.

Gibt es datenschutzrechtliche Bedenken?

Bereits in der Vorbereitung des Zensus wurde für Aufruhr in der Datenschutzwelt [6] gesorgt. Es wurden echte personenbezogene Daten, wie Name, Adresse, Datum der letzten Eheschließung etc. zu Testzwecken zusammengeführt, ohne dass eine Anonymisierung oder eine Trennung der Klarnamen erfolgte.

Bei der tatsächlichen Durchführung gab es erneut Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung. Für Kritik sorgte die technische Umsetzung durch das Statistische Bundesamt. Für die Website Zensus2022 [7] wird das Content Delivery Network des US-Anbieters Cloudflare eingesetzt. Zunächst war dies nicht in der Datenschutzerklärung des Statistischen Bundesamtes [8] aufgeführt und wurde erst auf Nachfrage ergänzt. Hierzu äußerte sich das Statistische Bundesamt mittlerweile folgendermaßen:

"Die Datenverarbeitung durch Cloudflare betrifft nicht die Befragungsdaten der Auskunftspflichtigen zum Zensus, sondern lediglich die allgemein zugänglichen Informationen auf der Website www.zensus2022.de. Nach erfolgreichem Einloggen werden Sie auf die Seite fragebogen.zensus2022.de weitergeleitet. Die Daten, die an fragebogen.zensus2022.de übermittelt werden, sind mit einem Sicherheitszertifikat des Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) Ende-zu-Ende-verschlüsselt und werden ohne Nutzung des CDN Cloudflare weitergeleitet. Die von den Auskunftspflichtigen bereitgestellten Informationen sind in diesem Bereich als private Daten sicher und werden ausschließlich in Rechenzentren des Bundes in Deutschland verarbeitet."

Entsprechend kann zumindest davon ausgegangen werden, dass die im Fragebogen angegebenen Daten auf europäischen Servern verarbeitet werden und US-Dienstleister nicht mitlesen können. Wo genau im Hintergrund beim statistischen Bundesamt die Daten verarbeitet und wie die Daten weitergeleitet werden, lässt sich als Außenstehender jedoch nicht überprüfen. Eine befriedigende Antwort, warum trotz europäischer Alternativen auf einen US-Anbieter zurückgegriffen wird, erfolgte bislang nicht.

Gibt es eine Pflicht zur Auskunft beim Zensus 2022?

Ja, tatsächlich hat der Gesetzgeber eine Verpflichtung zur Auskunft in § 23 des Zensusgesetzes 2022 [9] festgelegt. Soweit man als befragte Person die Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, droht eine Geldbuße entsprechend § 23 BStatG [10]. Darüber hinaus besteht für die Statistikämter die Möglichkeit, die Auskunftserteilung über Verwaltungszwangsverfahren durchzusetzen. Dabei werden gegenüber der befragten Person so lange Zwangsgelder festgesetzt, bis diese die Auskunft erteilt hat.

Bei der Auskunft und Befragung ist jedoch Vorsicht geboten. Die Erhebung wird von Interviewern durchgeführt. Diese kündigen sich in jedem Fall vorab an und erscheinen nicht ohne eine solche Vorankündigung bei den Betroffenen. Außerdem können Sie ihre Aufgabe mit einem speziellen Ausweis nachweisen. Zudem ist niemand verpflichtet, den Interviewer in die eigene Wohnung zu lassen. Es reicht aus, sich Zugangsdaten aushändigen zu lassen, um die Antworten online direkt an das Statistikamt übermitteln zu können. Telefonische Umfragen finden nicht statt. Insofern sollten auf diesem Wege also auch keine Informationen weitergegeben werden.

Auskunftspflicht von Vermietern

Im Rahmen des Zensus 2021 werden allerdings nicht nur grundlegende Daten über die Bevölkerung, sondern auch der Gebäude- und Wohnungsbestand sowie die Wohnsituation der Haushalte ermittelt. Auch Vermieter und Verwalter von Wohnräumen werden daher von den Ämtern kontaktiert und sind dazu verpflichtet, Auskunft über bestimmte Angaben zu den von ihnen vermieteten Wohnungen zu geben. Nach § 10 Abs 2 Nr. 3 ZensG [11] sind für jede Wohnung im Gebäude die Vor- und Nachnamen von bis zu zwei Personen, die am 15. Mai 2022 in der Wohnung wohnen, anzugeben. Dabei müssen die Vermieter und Verwalter auch ihren Pflichten nach der DSGVO nachkommen und die Mieter nach Art. 13 DSGVO [12] über die Weitergabe an die Ämter informieren.

Passt das alles mit dem Datenschutz?

Klammert man die beschriebenen Bedenken aus, so kann man davon ausgehen, dass das Vorgehen verfassungskonform ist. Hinsichtlich der Vorgehensweise und der Erhebungsmethode hat dies das BVerfG bereits im September 2018 zum Zensusgesetz 2011 [13] bestätigt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass äußerst umfassend personenbezogene Daten verarbeitet werden. Insofern ist der transparente Umgang durch die Behörden von besonderer Bedeutung. Auch, wenn sich im Verlauf gezeigt hat, dass die Transparenz beim Bundesamt für Statistik ausbaufähig ist, so liefern einem zumindest die Datenschutzaufsichtsbehörden wie Berlin [14] und Hamburg [15] viele Informationen zu dem Thema auf ihren Webseiten.

Update 19.05.2022: Aufgrund der Berichterstattung der Presse hat der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit eine Prüfung eingeleitet. In einer Pressemitteilung [16] bestätigte er heute, dass "keine Gefahr für die auf der Zensus-Webseite eingegebenen Daten bestanden hat." Die Prüfung der Seite zensus2022.de sei aber noch nicht abgeschlossen. Unklarheit bestünde noch bei den Metadaten wie Datum und Uhrzeit des Abrufs, übertragene Datenmenge, Herkunftsverweise und IP-Adresse.


Über den Autor

Fokko Oldewurtel: Die immer größeren Datenmengen bergen sowohl Gefahr als auch Nutzen für die Gesellschaft. Hier den bestmöglichen Ausgleich zwischen dem Risiko für den Einzelnen und dem gesellschaftlichen Interesse zu finden, motiviert mich.

Fokko Oldewurtel ist Jurist und Consultant für Datenschutz. Sein Studium der Rechtswissenschaften absolvierte er an der Universität zu Münster. Neben seinem Referendariat arbeitete er als Mitarbeiter am Landgericht Hamburg. Bereits während seines Referendariats konnte er bei seiner Tätigkeit im IT-Recht und Datenschutz die Digitalisierung von verschiedensten Seiten betrachten. Sein Interesse gilt insbesondere den Bereichen IT und Recht. Die hohe Affinität zu diesen Bereichen kommt ihm bei der Bearbeitung datenschutzrechtlicher Fragestellungen zu Gute.


Fußnoten:

[1] https://openjur.de/u/268440.html

[2] https://www.dr-datenschutz.de/informationelle-selbstbestimmung-was-ist-das-eigentlich/

[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html

[4] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_1.html

[5] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:218:0014:0020:DE:PDF

[6] https://www.dr-datenschutz.de/zensus-2021-erste-volkszaehlung-unter-der-dsgvo/

[7] https://www.zensus2022.de/

[8] https://www.zensus2022.de/DE/Service/Datenschutz/_inhalt.html

[9] https://www.gesetze-im-internet.de/zensg_2021/__23.html

[10] https://www.gesetze-im-internet.de/bstatg_1987/__23.html

[11] https://www.gesetze-im-internet.de/zensg_2021/__10.html

[12] https://www.zensus2022.de/DE/Wer-wird-befragt/GWZ/dsgvo-gwz.html?nn=11706178

[13] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/09/fs20180919_2bvf000115.html

[14] https://www.datenschutz-berlin.de/infothek-und-service/themen-a-bis-z/zensus-2022

[15] https://datenschutz-hamburg.de/pages/zensus2022/

[16] https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2022/05_Zensus-2022-Cloudflare.html


URL des Originalartikels:
https://www.dr-datenschutz.de/zensus-2022-datenschutz-probleme-und-pflicht-zur-teilnahme/

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Quelle:
"Dr. Datenschutz"-Fachbeitrag vom 17. Mai 2022
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E-Mail: info@intersoft-consulting.de
Internet: https://www.dr-datenschutz.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 21. Mai 2022

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