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INTERNATIONAL/022: Kuba - Hohe Haftstrafen für Korruption in Fluggesellschaft und Tourismusfirma (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juni 2011

Kuba: Hohe Haftstrafen für Korruption in Fluggesellschaft und Tourismusunternehmen

Von Patricia Grogg


Havanna, 9. Juni (IPS) - In der kubanischen Hauptstadt Havanna hat ein Gericht Regierungsvertreter und führende Mitarbeiter der nationalen Fluggesellschaft 'Cubana de Aviacion' und der kubanisch-chilenischen Tourismusfirma 'Sol y Son' zu Haftstrafen in Höhe von drei bis 15 Jahren verurteilt.

Die Richter belegten den chilenischen Geschäftsmann und Chef von Sol y Son, Marcel Marambio, in Abwesenheit mit der Höchststrafe. Er war des Betrugs, der Bestechung und Unterlagenfälschung für schuldig befunden worden. Marambio habe seine Stellung bei Sol y Son missbraucht, um sich auf Kosten des kubanischen Staates zu bereichern, die Behörden und Staatsbedienstete des karibischen Inselstaates zu korrumpieren sowie Papiere zu fälschen und Informationen zu unterschlagen, heißt es in einer Mitteilung der offiziellen Zeitung 'Granma'.

Cubana de Aviación, das Flaggschiff der zivilen Luftfahrt Kubas, war im März 2010 im Zusammenhang mit der Entlassung des prominenten Leiters des kubanischen Instituts für zivile Luftfahrt, Rogelio Acevedo, in die negativen Schlagzeilen geraten. Acevedo hatte mit Fidel Castro von der unwegsamen Sierra Maestra im Osten des Landes aus den erfolgreichen Guerillakrieg gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista geführt und eine besondere Rolle im angolanischen Bürgerkrieg von 1975 bis 2002 gespielt.

Der Regierungsbericht über das Gerichtsverfahren nennt die Namen und die Haftstrafen der Verurteilten. Allerdings wird Acevedo auf der Liste nicht geführt, obwohl ihm zur Last gelegt wird, als Chef der zivilen Luftfahrt Flugzeuge illegal vermietet und das Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben.


Schweigen über Acevedo-Fall

Doch der Acevedo-Fall wird in der kubanischen Presse totgeschwiegen und lediglich in Blogs oder in Beiträgen des kubanischen Politologen Esteban Morales aufgegriffen. Morales zufolge ist Korruption ein politisches Problem, das sich mit seinem "Erosionseffekt" auch als Gefahr der nationalen Sicherheit erweisen könnte. "Sind Moral und Ethik erst angegriffen, verliert unser politisches System an Ansehen und alles geht den Bach runter", sagte er unlängst im IPS-Gespräch. "Deshalb stimme ich denjenigen zu, die Korruption für ein nationales Sicherheitsproblem halten."

Staatspräsident Raúl Castro hat seinerseits Korruption als "Gefahr für die Essenz des Sozialismus" bezeichnet. 2009 richtete er eine Sonderstelle zur Kontrolle staatlicher Betriebe ein. Der Behörde unter Leitung von Gladys Bejerano, der Vizepräsidentin des Staatsrats, fällt die Aufgabe zu, beim kleinsten Korruptionsverdacht aktiv zu werden. Castro ließ in diesem Zusammenhang verlauten, dass jede kriminelle Handlung, unabhängig von der Stellung des Täters, kompromisslos geahndet wird.

Der Granma-Bericht nennt weder den Termin des Gerichtsverfahrens, noch äußert er sich zu der Stellung der 15 Personen, die im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen verurteilt wurden. Vier der verurteilten Personen sind Frauen, unter ihnen Lucy Hortensia Leal, Buchhalterin von Sol y Son und Finanzdirektorin der von Marcel Marambios Bruder Max gegründeten und geführten 'International Network Group' (ING).

Max Marambio, der zusammen mit dem kubanischen Staat das Nahrungsmittelunternehmen 'Rio Zaza' besitzt, war vor dem Hintergrund eines Korruptionsskandals im Mai in Abwesenheit zu einer 20-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Auch der ehemalige Minister für Nahrungsmittelindustrie Alejandro Roca wurde in diesem Zusammenhang schuldig gesprochen.


Aus Freund wird Feind

Seit der Urteilsverkündung hat sich Max Marambio zu einem vehementen Kritiker der kubanischen Regierung entwickelt. Der wohlhabende aber umstrittene Geschäftsmann war einst ein militanter chilenischer Linker und Bodyguard des ehemaligen sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende, der am 11. September 1973 bei einem Putsch ums Leben kam.

2008 hatte das kubanische Verlagshaus José Martí seine Memoiren veröffentlicht. 'Las armas de ayer' ('Die Waffen von gestern') konnte bis Anfang des Jahres im Buchhandel erworben werden. In dem Buch schildert Marambio unter anderem, wie er auf Einladung von Fidel Castro als junger Mann zum Studium nach Kuba kam. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2011