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INTERNATIONAL/089: Gambia - Abschaffung der Todesstrafe ein Fall für ECOWAS-Justiz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2012

Gambia: Abschaffung der Todesstrafe ein Fall für ECOWAS-Justiz - Erfolgserwartungen niedrig

von Saikou Jammeh


Auch Ex-Stabschef Lang Tombong Tamba sitzt im Todestrakt - Bild: © Mit der freundlichen Genehmigung von Saikou Jammeh

Auch Ex-Stabschef Lang Tombong Tamba sitzt im Todestrakt
Bild: © Mit der freundlichen Genehmigung von Saikou Jammeh

Banjul, 14. Dezember (IPS) - Noch in diesem Monat wird sich der Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) mit einer Petition pro-demokratischer Nichtregierungsorganisationen zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe in Gambia befassen. Der zivilgesellschaftliche Vorstoß ist der Versuch, das Leben von 38 zum Tode verurteilten Menschen zu retten, nachdem im August nach einem fast 30-jährigen Vollstreckungsmoratorium acht Männer und eine Frau hingerichtet worden waren.

Die 'Civil Society Associations Gambia' (CSAG) hat vor dem ECOWAS-Strafgerichtshof, der für Menschenrechtsverbrechen zuständig ist, Klage erhoben. Das Tribunal steht allen Bürgern der 15 ECOWAS-Mitgliedstaaten offen, zu denen auch Gambia zählt. Doch der Erfolg der CSAG-Initiative wird von Menschenrechtsaktivisten bezweifelt. Zwar geht man davon aus, dass das Tribunal die Abschaffung der Todesstrafe empfehlen, nicht aber, dass Gambia dem Urteil Folge leisten wird.

Nach Ansicht des prominenten gambischen Menschenrechtsanwalts Ousainou Darboe ist es an der Zeit, dass die Regierung Schritte in Richtung Abschaffung der Todesstrafe unternimmt. Auch müsse ein solches Urteil rückwirkend gelten, damit die bereits verhängten Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt werden könnten, sagte er. In den Todeszellen sitzen derzeit ehemalige Vertreter des Verteidigungsministeriums, des Geheimdienstes und Militärs sowie ein Großunternehmer ein.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis hat den regionalen Gerichtshof ferner dazu aufgerufen, die gambische Regierung zur Herausgabe der Leichen der neun Hinrichtungsopfer zu bewegen. Die Angehörigen hätten ein Recht darauf, ihre Toten angemessen und den jeweiligen religiösen Traditionen gemäß beizusetzen. Ebenso verlangt es Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt einer Million US-Dollar für die Opferfamilien.


Zuspruch von Familien der Todeskandidaten

Das Engagement der CSAG stößt bei den Angehörigen der Todeskandidaten auf Zuspruch. "Über die Hinrichtung ist so viel geredet worden, doch keiner hat etwas unternommen", sagte Amadou Bah. "Wir werden für die Aktivisten beten, die die Regierung verklagt haben. Sie verdienen unsere Unterstützung."

Bis zu den Exekutionen vom 23. August hatten 47 Gefangene in den Todeszellen der hoffnungslos überfüllten gambischen Gefängnisse gesessen. Dass die Todesstrafe fast 30 Jahre lang nicht zur Anwendung kam, hatte 'Amnesty International' zu der Aussage veranlasst, dass Gambia die Todesstrafe in der Praxis abgeschafft habe. Dieser Status wurde Gambia nach den in aller Heimlichkeit durchgeführten Hinrichtungen wieder entzogen.

Die Regierung von Präsident Yahya Jammeh rechtfertigte ihre Entscheidung mit dem Anstieg der Kriminalität. "Und wenn ich 10.000 Anträge unterschreiben müsste, um das Leben von 1,6 Millionen Gambiern zu schützen, würde ich dies mit größtem Vergnügen tun", sagte er im Anschluss an die Hinrichtungen.

Später gab die gambische Regierung dem lokalen und internationalen Druck nach und verhängte ein Moratorium gegen die Todesstrafe. Doch viele Gambier misstrauen dem Präsidenten. Er habe schon oft sein Wort gebrochen, hieß es. Zeitungsberichten zufolge leben die verbliebenen 38 Todeskandidaten in der ständigen Angst, jeden Augenblick hingerichtet zu werden.

Oftmals wissen die Familien nicht, in welchen Gefängnissen ihre Angehörigen einsitzen. Zudem wird jede Kommunikation mit den Häftlingen unterbunden. Wie die Frau eines zum Tode verurteilten Gefangenen gegenüber Amnesty International erklärte, "wissen wir nicht, was los ist, wer tot ist und wer noch lebt. Und wir wissen auch nicht, wer als Nächster (mit Sterben) dran ist."

"Als der Präsident bekannt gab, er werde die Hinrichtungen stoppen, mochten wir seinen Worten nicht so recht Glauben schenken. Schließlich ist es nicht sehr gut darin, seine Versprechen zu halten", meinte der Vater eines Todeskandidaten, der sich Anonymität ausbat. Der 64-Jährige, dessen Sohn wegen Volksverrats zum Tode verurteilt wurde, setzt keine großen Hoffnungen darauf, dass das ECOWAS-Gericht das Leben seines Sohnes retten kann - zu oft schon wurden Urteile des Tribunals von Gambia ignoriert.

In den letzten sechs Jahren hat der westafrikanische Strafgerichtshof Gambia im Folterfall von Musa Saidykhan und im Zusammenhang mit der illegalen Festnahme von Ebrima Manneh, beides Journalisten, verurteilt. Da Manneh seit seiner Festnahme vor sechs Jahren verschwunden ist, wird er inzwischen für tot gehalten.

Saidykhan war 2006 von Sicherheitskräften unter dem Vorwurf, er sei an Umsturzplänen beteiligt, festgenommen und gefoltert worden. Nach seiner Freilassung verklagte er den gambischen Staat und erstritt sich vor Gericht eine Entschädigung von 200.000 US-Dollar, die ihm der gambische Staat bis heute schuldig geblieben ist.


ECOWAS-Strafgerichtshof verliert die Geduld

Doch scheint das ECOWAS-Tribunal langsam an sicher die Geduld mit denjenigen Staaten zu verlieren, die sich nicht an seine Urteile halten. "Dieses Verhalten ist ein Affront gegen alle anderen Mitgliedstaaten", warnte die vorsitzende Richterin Nana Daboya im Juli. Sie forderte ECOWAS auf, die schwarzen Schafe endlich finanziell abzustrafen.

Nach Ansicht von Menschenrechtsanwalt Darboe handelt Gambia illegal, indem es die Entscheidungen des Gerichts ignoriere. "Als Nächstes sollten die ECOWAS-Staatschefs Strafmaßnahmen gegen Regierungen ergreifen, die den Entscheidungen des Gerichts nicht den nötigen Respekt zollen", meinte er. "Der Gerichtshof ist kein Dekor, sondern verfolgt einen bestimmten Zweck."

"Wir hoffen, dass sich die Regierung in diesem Fall an das Urteil des ECOWAS-Gerichts hält", meinte der CSAG-Vorsitzende Banka Manneh. "Schließlich geht es um Leben und Tod. Ich gebrauche das Wort 'hoffen', weil Jammeh keinen Respekt vor der Rechtstaatlichkeit und internationalen Verpflichtungen hat."

Die CSAG wirft dem Staat vor, gegen internationale Menschenrechtsabkommen wie die Afrikanische Menschen- und Völkerrechtscharta der Afrikanischen Union zu verstoßen. Die auch als Charta von Banjul bekannte Übereinkunft verlangt die Einhaltung des Rechts auf Leben. Sie wurde von allen AU-Mitgliedstaaten einschließlich Gambia ratifiziert. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://civilsociety-gambia.org/
http://www.ecowas.int/
http://www.ipsnews.net/2012/12/case-to-abolish-gambian-death-penalty-falls-on-toothless-court/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2012