Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

MELDUNG/151: Internationaler Strafgerichtshof braucht mehr Geld - Geber leisten Widerstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2011

Menschenrechte: Strafgerichtshof braucht mehr Geld - Doch Geber leisten Widerstand

Von Robbie Corey-Boulet


Monrovia, 4. Oktober (IPS) - Internationale Rechtsexperten warnen davor, dass Geberländer den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) im nächsten Jahr möglicherweise nicht mehr ausreichend unterstützen werden. Damit könnte das Tribunal sein Mandat nicht wie geplant von Kenia bis Libyen und eventuell Côte d'Ivoire ausweiten.

Ende Juli hatte der ICC ein Budget von rund 159 Millionen US-Dollar für 2012 veranschlagt - 13,6 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Der Mehrbedarf wurde von Maria Kamara, einer Mitarbeiterin des Gerichts, unter anderem mit den Kosten für eine vom UN-Sicherheitsrat im Februar geforderten Untersuchung der Lage in Libyen erklärt.

Zuvor hatten jedoch wichtige Geber verlangt, das Budget auf dem derzeitigen Stand einzufrieren. Dagegen protestierte die unabhängige Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof (CICC), der mehr als 2.500 zivilgesellschaftliche Organisationen angehören. Sollte das Gericht keine höheren Mittel erhalten, würde dies die Effizienz seiner Arbeit unterhöhlen und und prompte Reaktionen auf Verbrechen erschweren.


Bisher sechs Ermittlungsverfahren

Der Strafgerichtshof hat seit der Aufnahme der Arbeit 2002 bislang sechs Ermittlungsverfahren über mutmaßliche Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozide in Uganda, der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik sowie in Kenia und Libyen durchgeführt.

Im August hatte der ICC-Budget- und Finanzausschuss, der die Mitgliedsstaaten berät, eine geringere Aufstockung der Gelder um 8,1 Prozent vorgeschlagen. Die Versammlung der 118 Mitgliedsländer, die das Gründungsabkommen unterzeichnet haben, will im Dezember dazu Position beziehen.

Der Leiter der ICC-Rechtsabteilung, Suni Pal, sagte IPS, dass vor allem die größten Geber Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien eine Aufstockung des Budgets ablehnten.

CICC-Vertreter William Pace rechnet nach eigenen Angaben damit, dass sich vier oder fünf weitere Länder dieser Linie anschließen werden. Zehn bis 20 Staaten würden sich voraussichtlich dagegen aussprechen, die meisten Mitglieder sich wahrscheinlich nicht festlegen. Unter den afrikanischen Staaten verteidige insbesondere Südafrika ein Null-Wachstum des Budgets.

Pace warf vor allem Großbritannien und Frankreich "politische Scheinheiligkeit" vor. Beide Länder setzten sich hartnäckig dafür ein, dass der ICC in Libyen tätig werde und seien damit mitverantwortlich für die erwarteten höheren Kosten. Zudem hätten sich die Regierungen in London und Paris bereit erklärt, die Einrichtung einer Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land mitzufinanzieren, erklärte der CICC-Vertreter. Diese Kosten stellten die mögliche Steigerung der Beiträge für den Gerichtshof weit in den Schatten.

Der UN-Sicherheitsrat hat zudem einstimmig beschlossen, den Gerichtshof mit Ermittlungen zu Libyen zu beauftragen. Es war das erste Mal, dass das Gremium in Bezug auf die ICC-Arbeit geschlossen auftrat.

"Der Grundsatz, dass der Sicherheitsrat internationale Organisationen mit teuren Friedens- und Sicherheitsmissionen beauftragen kann und erwartet, dass sie diese selbst finanzieren, ist überheblich und nicht praktikabel", kritisierte Pace. Regierungen, die militärische Interventionen befürworteten, seien nicht bereit, für Friedensmaßnahmen und die Strategien zur Vermeidung von Verbrechen zu zahlen.

Ein Sprecher des britischen Ministeriums für Außenpolitik und die Beziehung zu den Commonwealth-Staaten (FCO) betonte dagegen, dass das Land einer der größten Unterstützer des ICC in politischer und finanzieller Hinsicht sei. Dass der ICC nicht mehr Geld erhalten soll, erklärte er als Teil einer Entwicklung, von der auch andere internationale Einrichtungen betroffen seien.


Experten: Zuschüsse nicht nach Effizienzsteigerung bemessen

Die Befürworter einer Budget-Erhöhung warnen indes davor, dass ansonsten negative Folgen drohten. "Das Gericht könnte sicherlich effizienter arbeiten. Die Richter haben jedoch darüber zu entscheiden, wie Prozesse geführt werden müssen", sagte Carla Ferstman, die Direktorin der in London ansässigen Organisation 'Redress', die sich für die rechtlichen Belange von Folteropfern einsetzt. Die Zuschüsse für das Gericht an dessen Effizienzsteigerung zu knüpfen, sei nicht der richtige Weg.

Im Juli hatte die Organisation mitgeteilt, dass 470 Opfer nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könnten, bei der über die Anklagepunkte gegen den ruandischen Rebellenführer Calixte Mbarushimana entschieden wird. Ihm werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo vorgeworfen.

Ähnliche Probleme ergaben sich laut Redress auch im Zusammenhang mit zwei Ermittlungsverfahren in Kenia. Davon seien etwa 2.000 Opfer betroffen, erklärte Ferstman. "Wenn die finanziellen Fragen nicht geklärt werden, wird die Partizipation der Opfer nur noch auf dem Papier bestehen." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.icc-cpi.int/Menus/ICC
http://www.un.org/Docs/sc/
http://www.iccnow.org/
http://www.fco.gov.uk/en/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105279

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011