Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

MELDUNG/236: Freispruch für die angeklagten Antifaschisten von Remagen (Rote Hilfe Bonn)


Rote Hilfe Bonn

Pressemitteilung der Solidaritätsgruppe für die kriminalisierten Antifaschist_inn_en von Remagen
6. März 2013

Freispruch 1. Klasse für die angeklagten Antifaschisten von Remagen!



Am 5. März endete der Prozess gegen die angeklagten Antifaschisten von Remagen vor dem Koblenzer Landgericht mit Freispruch!
Ihnen war vorgeworfen worden, beteiligt gewesen zu sein, als ein Polizist am Rande eines Naziaufmarschs und der Gegenproteste in Remagen im November 2010 verletzt wurde.

Damit endete der Berufungsprozess am Landgericht nach drei Verhandlungstagen, einen Tag früher als vom Gericht geplant. In erster Instanz hatte der Prozess gegen die Angeklagten vor dem Amtsgericht Sinzig nach sechs Verhandlungstagen mit Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs geendet.
Die Richterin in Koblenz revidierte das erstinstanzliche Urteil, mit dem die Angeklagten jeweils zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden waren.
Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Koblenz Rechtsmittel eingelegt. Während die Angeklagten einen Freispruch forderten, wollte die Staatsanwaltschaft ein Urteil von mindestens 90 Tagessätzen. Dies hätte für die Angeklagten eine Vorstrafe bedeutet. Die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft lautete auf gemeinschaftlich begangene Körperverletzung; im Zuge des Prozesses zielte die Staatsanwaltschaft dann aber auf eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs ab.

Die Richterin am Koblenzer Landgericht folgte nicht der Beweisführung der Koblenzer Staatsanwaltschaft: Der Polizist konnte direkt nach dem Vorfall bei einer Gegenüberstellung niemanden identifizieren. Zwei Monate später jedoch gelang ihm dies bei seiner Vernehmung beim Koblenzer Staatsschutz. Auf Bildern konnte er sechs Menschen erkennen, die bei dem Vorfall zweifelsfrei beteiligt gewesen sein sollen. Diese sechs wurden dann auch angeklagt.
Es drängt sich das Bild auf, dass es den Ermittlungsbehörden um eine Verurteilung um jeden Preis ging, um jeglichen antifaschistischen Protest zu kriminalisieren.
Die Richterin spielte dieses Spielchen jedoch nicht mit. Den Angeklagten konnte lediglich nachgewiesen werden, in Remagen gewesen zu sein. Deshalb urteilte das Gericht nach dem Grundsatz "im Zweifel für die Angeklagten" und sprach alle frei; die Kosten für das gesamte Verfahren bleiben somit beim Staat.

Das Urteil aus einem anderen Verfahren im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Naziaufmarsch 2010 in Remagen besteht leider nach wie vor: Der angebliche Haupttäter, der den Polizisten damals verletzt haben soll, war zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden - trotz fehlender Beweise und nur aufgrund der Aussage eines einzigen Polizisten. Zu dem inakzeptablen Urteil gegen den Antifaschisten kamen darüberhinaus noch die immensen entstandenen Prozesskosten zu Lasten des Verurteilten.

"Natürlich freuen wir uns über den Freispruch im aktuellen Prozess", betont Alexandra Reinhardt, Pressesprecherin der Solidaritätsgruppe für die Betroffenen. Trotzdem ist es bezeichnend für die hiesigen Zustände, dass erst in zweiter Instanz die Einsicht siegt, dass der bloße Wille der Staatsanwaltschaft nicht ausreicht, um Menschen aufgrund ihres politischen Engagements zu verurteilen".

Als weiteres Beispiel für die politischen Skandalprozesse gegen antifaschistisch engagierte Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz, kann der Fall Wolfgang Huste aus Ahrweiler dienen.

Huste, bekennender Linker und Gewerkschafter, wurde 2012 ein Strafbefehl über 3000 Euro zugestellt. Der Grund: Der Beschuldigte hatte auf seiner Homepage einen Aufruf zur friedlichen Blockade gegen einen Naziaufmarsch in Dortmund veröffentlicht. Auch hier konnte erst durch Einspruch des Beschuldigten und dem damit erzwungenen Gerichtsverfahren ein Freispruch erwirkt werden.

"Es kann nicht sein, dass von staatlicher Repression Betroffene erst durch mehrere gerichtliche Instanzen gehen müssen um ihr Recht durchzusetzen. Wir hoffen, dass dieser juristische Teilerfolg ein Schritt in die Zukunft ist" so Alexandra Reinhardt über das Ergebnis des Prozesses gegen die sechs Antifaschisten.

Ausführliche Informationen zu den Hintergründen:
http://remagensoli.blogsport.de

Solidaritätsgruppe für die kriminalisierten Antifaschist_inn_en von Remagen
c/o Buchladen Le Sabot
Breite Str. 76, 53111 Bonn
Kontakt über: bonn@rote-hilfe.de

*

Quelle:
Rote Hilfe Bonn
c/o Buchladen Le Sabot
Breite Str. 76, 53111 Bonn
E-Mail: bonn@rote-hilfe.de
Internet: www.rote-hilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013