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STANDPUNKT/032: Polizeibeamte sprechen Gerichtsaussagen untereinander ab (G20ApUA)


Außerparlamentarischer Untersuchungsausschuss G20 (G20ApUA)
Pressemitteilung vom 19.12.2017

G20ApUA: Polizeibeamte sprechen Gerichtsaussagen untereinander ab


Der Außerparlamentarische Untersuchungsausschuss G20 (G20ApUA) bringt der Öffentlichkeit Folgendes zur Kenntnis: Beim G20-Gipfel in Hamburg eingesetzte Polizeibeamt*innen werden von ihren Dienststellen dabei unterstützt, ihre Aussagen vor Gericht untereinander abzugleichen. In zumindest einer Dienststelle einer Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE-Einheit) existieren Aktenordner, in denen die Vernehmungsprotokolle von vor Gericht geladenen Beamten gesammelt und anderen vorgeladenen Beamten zugänglich gemacht werden. Das bedeutet: Ein Beamter, der zu einer Aussage vor Gericht geladen wird, weiß um die vorhergehenden Aussagen seiner Kollegen - eine unabhängige, der Wahrheitsfindung dienende Befragung ist also nicht möglich und wird aktiv verhindert. In einem Fall hat ein Beamter sogar privat einen Ordner mit Aussagen angelegt. Das LKA Hamburg hat den Beamten sogar deren Vernehmungsprotokolle ausgehändigt. All dies ist im höchsten Maße rechtswidrig. "Diese Praxis kollidiert fundamental mit dem Ziel des Strafverfahrens, mittels zulässiger und tauglicher Beweismittel den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Es findet der Versuch einer verdeckten Beeinflussung der gerichtlichen Wahrheitsfindung durch die Polizei zu Lasten der Beschuldigten statt", sagt Rechtsanwalt Alexander Kienzle. Paragraph 58 der Strafprozessordnung gebietet, dass "Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen" sind. Bei der BFE-Einheit handelt es sich um die Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit 38 der Hessischen Bereitschaftspolizei in Mühlheim am Main. Die Angaben wurden als Beweis öffentlich in dem Verfahren gegen Konstantin P. am Amtsgericht Hamburg.

Zum G20ApUA: Der Außerparlamentarische Untersuchungsausschuss G20 hat sich im November 2017 konstituiert. Wir sind ein Zusammenschluss aus Einzelpersonen und Gruppen unter anderem aus dem Recht-auf-Stadt-Netzwerk, dem Archiv der Sozialen Bewegungen, dem Ermittlungsausschuss (EA), dem Gängeviertel, St. Pauli selber machen, dem Flüchtlingsrat Hamburg und dem FC/MC mit dem Interesse, die Vorgänge rund um den G20-Gipfel aufzuarbeiten. Da sich jeden Tag erneut zeigt, dass von offizieller Seite keine Aufklärung zu erwarten ist - und schlimmer noch: dass diese aktiv behindert wird -, werden wir das nun selbst in die Hand nehmen. Viele Fragen sind offen: zur Eskalationsstrategie der Polizei, zur Gewalt gegen friedliche Demonstrant*innen, zur Verantwortung von Politiker*innen und Beamt*innen. Stattdessen will die Stadt verdunkeln, vertuschen, vergessen machen. "Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise": Dieses Zitat des Bürgermeisters eine Woche nach dem Gipfel gibt die Linie vor, der Politik und Justiz folgen: Wer nachfragt, ist eine Querulant*in, wer Fragen stellt, eine Störer*in. Mit allen Mitteln wollen Scholz und Grote ihr Narrativ der "guten, heldenhaften Polizei" und der "gewalttätigen Demonstrant*innen" durchdrücken, was ihrer Geschichtsschreibung entgegensteht, wird kriminalisiert und bedroht.

Die Personen und Gruppen im G20ApUA eint ihr Erkenntnisinteresse. Wir sitzen in den Prozessen und werden Zeugen von mehr als zweifelhaften Aussagen der beim G20 eingesetzten Beamt*innen. Wir möchten wissen, was war. Wir möchten wissen, wer die Befehle gab und wie sie lauteten, wer sie befolgte und wer sich widersetzte. Wer danach die Spuren verwischte und wer die Hülsen einsammelte.

Der G20ApUA ist auf Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen, auf die Hilfe von Personen, die geschädigt wurden, und auf Hinweise von Polizist*innen, denen Ereignisse der Gipfelwoche nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Der G20ApUA ist erreichbar unter g20apua@riseup.net
https://g20apua.blackblogs.org

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Quelle:
Außerparlamentarischer Untersuchungsausschuss G20 (G20ApUA)
E-Mail: g20apua@riseup.net
Internet: https://g20apua.blackblogs.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2017

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