Schattenblick → INFOPOOL → REDAKTION → WOCHENDRUCKAUSGABE


EDITORIAL/042: Zur sukzessiven Abschaffung der Schreibschrift (SB)


Wochendruckausgabe 42 der Elektronischen Zeitung Schattenblick zum 13.05.2017


Aufgeschlagene Schattenblick-Zeitung in den Händen eines Lesers - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Zur sukzessiven Abschaffung der Schreibschrift

"Immer mehr Schulen in deutschen Bundesländern distanzieren sich von der Schreibschrift und nehmen eine neue Grundschrift, die der Druckschrift ähnelt, in ihre Lehrpläne auf. Das Konzept dieser Basisschrift stellt es den Kindern frei, wie sie die Buchstaben verbinden. Die Kultusministerkonferenz macht bei Handschriften keine Vorgaben und lässt es offen. Die Handschrift müsse nur gut lesbar sein und flüssig zu schreiben.
Die Tendenz zur Grundschrift liegt darin begründet, dass Kinder neben der Druckschrift noch eine der drei verbundenen Schreibschriften lernen. Die Lateinische, die Vereinfachte Ausgangsschrift oder die Schulausgangsschrift als Relikt der ehemaligen DDR. Politiker möchten durch die generelle Einführung der Grundschrift dem Durcheinander ein Ende bereiten."
(19. Februar 2016 - https://beamten-infoportal.de/magazin/beruf/lehrer/kontroverse-um-die-abschaffung-der-schreibschrift/)  

Für die Abschaffung der Schreibschrift spricht zusammengefaßt:

1. Diese motorisch und handwerklich gestützte Fähigkeit sei von vielen Kindern nur schwer und mit großem Energieaufwand zu erlernen.

2. Mit computergenerierten Texten wird hinsichtlich möglicher Schreibblockaden flüssiger gearbeitet.

3. Die computer- und programmgestützte Schreibweise ist immer gut zu lesen und dank integrierter Korrekturprogramme sind die Texte rechtschreibtechnisch fehlerfrei zu bewerkstelligen.

Die Gegner der Abschaffung der Schreibschrift argumentieren:

1. Kontrollierte feinmotorische und handwerkliche Fähigkeiten werden durch einen flüssigen Schreibablauf besonders gefördert.

2. Die Merkfähigkeit von Texten wächst beim flüssigen Schreiben an.

3. Die integrierten Schrift- und Ausführungsregeln fördern das logische Denken und das Synapsentraining im Gehirn inklusive der Gedächtnisleistung.

4. Abgelesene Beiträge werden von Kindern, die die Schreibschrift bevorzugt benutzen, in der Regel besser vorgetragen.

Keine Kulturfertigkeit in der Geschichte der Menschheit läßt sich herauslösen aus dem allgemeinen Prozeß der Aneignung und der Verwertung unserer Umwelt ebensowenig wie von dem Verbrauch menschlicher Potenziale trennen, auf andere möglicherweise lebenswertere, ergiebigere und gesündere Entwicklungen und Verfahren zurückgreifen zu können.

Dabei ist das Sammeln, das Verwalten und das Reflektieren vermeintlicher oder tatsächlicher Überlieferungswerte mit der Hilfe handschriftlicher Methoden bereits sehr alt und der Prozeß allgemeingesellschaftlicher Verfügbarkeit noch nicht einmal abgeschlossen. Wenn allerdings andere Mittel und Techniken die Fortsetzung dieses Prozesses ohne handschriftliche Bemittelung und seiner Werkzeuge auf den Plan rufen, so ist dieser Prozeß, wie sinnvoll oder fragwürdig auch immer, für sich genommen weder gefährdet noch aus der Welt geschafft.

Sollte es jedoch um den Nutzen oder die Zweifelhaftigkeit einer Kulturfertigkeit für das Wohl und Wehe menschlicher Fortentwicklung besonders mit dem Blick auf Existenzsicherung, Lebenswert und Emanzipation von allen erdenklichen Zwängen gehen, so muß doch die verlustbetonte und furchtbesetzte Frage, sollte sie dann zu Ergebnissen führen wollen, viel fundamentaler gestellt werden, als ob es nur um den Erhalt eben jener Kulturfertigkeit handschriftlicher Spracharchivierung und Textreflexion gehen würde.

Redaktion Schattenblick


12. Mai 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang