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KIRCHE/1278: Kirchenvertreter - Wut und Trauer über Schlecker-Pläne (KDA)


Evangelische Akademie Bad Boll - 5. März 2012

Kirchenvertreter: Wut und Trauer über Schlecker-Pläne

Katholische Betriebsseelsorge, Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und evangelischer Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) fordern Unterstützung von der Politik


Bad Boll/Stuttgart - Ihre Solidarität mit den Mitarbeitenden der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker erklären die katholische Betriebsseelsorge, die katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der evangelische Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in einer gemeinsamen Erklärung. Neben Wut und Trauer über das Ausmaß der angekündigten Entlassungen machen die Vertreter der Kirchen der Konzernleitung schwere Vorwürfe und sichern den Betroffenen ihre Unterstützung zu. Außerdem rufen sie Verbraucher auf, als Zeichen der Solidarität weiter bei Schlecker einzukaufen. Die Erklärung finden Sie im Wortlaut im Anhang und unter:
http://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/kda/Schlecker_Erklaerung.pdf

Die Drogeriemarktkette Schlecker hatte im Januar Insolvenz angemeldet. In der vergangenen Woche kündigte der Insolvenzverwalter die Entlassung von 12.000 der rund 33.000 Beschäftigten an.

"Diese desaströse Lage ist unserer Meinung nach Folge einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Unternehmenspolitik mit schwerwiegenden Fehlern, verbunden mit der Weigerung, die wirkliche Lage wahrzunehmen und rechtzeitig entsprechende Änderungen vorzunehmen. Zu dieser Verweigerung gehörte auch die grundsätzliche Missachtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Recht auf einen menschenwürdigen Umgang und auf Anerkennung", heißt es in der von Pfarrer Wolfgang Herrmann, Leiter Fachbereich Betriebsseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart, KAB-Verbandssekretär der Diözese Rottenburg-Stuttgart Peter Niedergesäss und Pfarrerin Esther Kuhn-Luz, Vorsitzende des KDA unterzeichneten Erklärung.

Weiter fordern die Kirchenvertreter die Gründung einer Transfergesellschaft, die gekündigten Mitarbeitenden die Chance zu Qualifizierung und Neuorientierung gibt. "Wir fordern die Landes- wie Kommunalpolitik auf, finanzielle Mittel zur Förderung von Ladengeschäften in der Fläche zur Verfügung zu stellen, um die Grundversorgung der Menschen in den ländlichen Regionen sicherzustellen", heißt es weiter.

Großes Gewicht hat für Betriebsseelsorge, KAB und KDA, dass die notwendige Beteiligung von Investoren nur erfolgt, wenn diese Mitbestimmungsrechte und den Tarifvertrag einhalten. "Der mühsame Kampf und damit verbunden die großen Opfer vieler Beschäftigter dürfen nicht umsonst gewesen sein, Beschäftigte dürfen nicht erneut unter die Räder der Gier und der Arbeitsausbeutung fallen", so die Betriebsseelsorger mit Blick auf den jahrelangen Kampf um Arbeitnehmerrechte bei Schlecker.

Die Kirchenvertreter unterstützen den Vorschlag der Gewerkschaft ver.di, ein Mitarbeiterbeteiligungs-Modell zu schaffen. Die Beschäftigten könnten sich dort nach ihren finanziellen Möglichkeiten engagieren und ihre Verbundenheit zu einem "Schlecker der Zukunft" zum Ausdruck bringen.

"Die Familie Schlecker fordern wir auf, das ihr Mögliche zu tun, damit dieses Beteiligungskonzept für die Beschäftigten finanziell ermöglicht wird. Das muss Anton Schlecker und seiner Familie die bisherige und künftige Belegschaft wert sein", appellieren die Unterzeichner.


Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA)
Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gehört als Fachdienst der Evangelischen Landeskirche Württemberg zur Evangelischen Akademie Bad Boll. In den vier Prälaturstandorten Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart und Ulm sind die Wirtschafts- und Sozialpfarrer des KDA mit jeweils eigenen Schwerpunkten tätig. Sie setzten sich vor allem mit Fragen und Problemen aus der Arbeitswelt auseinander, organisieren Veranstaltungen und Tagungen, besuchen und begleiten Unternehmen und Betriebe, halten Kontakt mit Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Verbänden.


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ERKLÄRUNG der Betriebsseelsorge, KDA und KAB zum Schleckertag am 8.3.2012

Hoffnung, das ist zweierlei:
Wut und Mut.
Wut, über die Dinge, wie sie sind,
und Mut, sie zu ändern!
(E. Fried)

Solidarität mit Schlecker-Beschäftigten

Mitten in einen wunderschönen Frühlingstag hinein platzte am Mittwoch die erschütternde Nachricht einer bevorstehenden beispiellosen Entlass- und Schließungswelle bei der Fa. Anton Schlecker. Auch wir - Betriebsseelsorge, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt und Katholische Arbeitnehmer-Bewegung - haben mit vielem gerechnet - aber nicht in diesem Ausmaß!
Die Nachricht hat viele Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren ausradiert - wir empfinden selber und mit den Beschäftigten Wut, Empörung und tiefe Trauer!

Als kirchliche Beauftragte der ev. Landeskirche und der Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Seelsorge in der Arbeitswelt und als katholischer Arbeitnehmerverband stellen wir uns an die Seite der betroffenen Kolleginnen und Kollegen! Ihnen gilt unsere erste Sorge, und wir tun das uns Mögliche, ihre berechtigten Forderungen zu unterstützen - sowohl bei den Verhandlungen um die Kündigung wie auch bei den Forderungen für die Weiterführung eines "Schlecker der Zukunft".

Diese desaströse Lage ist unserer Meinung nach Folge einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Unternehmenspolitik mit schwerwiegenden Fehlern, verbunden mit der Weigerung, die wirkliche Lage wahrzunehmen und rechtzeitig entsprechende Änderungen vorzunehmen. Zu dieser Verweigerung gehörte auch die grundsätzliche Missachtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Recht auf einen menschenwürdigen Umgang und auf Anerkennung!

Umso mehr haben wir Respekt davor, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen, den Lagern und in der Verwaltung ihre Arbeit bisher geleistet haben und weiterhin leisten, auch unter diesen Vorzeichen! Wir haben Respekt dafür, wie sie sich mit hohem persönlichem Einsatz, mit oftmals nötiger Kreativität und gegen viele Hindernisse für ihre Filiale eingesetzt haben. Und wir sind sehr dankbar dafür, dass viele in den vergangenen Jahren den Mut und die Courage gezeigt haben, ihre Mitbestimmungsrechte einzufordern und einzulösen. Nur mit Hilfe von immer mehr Betriebratsgremien und damit auch mit Hilfe der Gewerkschaft Ver.di war es möglich, einen im Vergleich guten Tarifvertrag mit einer ordentlichen Gehaltsstruktur abzuschließen.

Im Moment ringen Insolvenzverwalter einerseits und Ver.di mit Gesamtbetriebsrat andererseits unter Hochdruck und unter ungemein großer zeitlicher wie persönlicher Belastung um die Zukunft aller - der zu Kündigenden wie der Bleibenden. In dieser großen Verantwortung stärken wir den Arbeitnehmervertretern ausdrücklich den Rücken und erklären unsere Solidarität mit allen Beschäftigten!

• Wir sagen zu und rufen Kunden und Verbraucher dazu auf, weiter bei Schlecker einzukaufen.

• Wir fordern, den von einer Kündigung Betroffenen im Rahmen einer Transfergesellschaft die Möglichkeit von Qualifizierung und Neuorientierung zu geben. Das gehört für uns zu einer sozialpolitischen Verantwortung ebenso wie die Forderung an Politik und Gesellschaft, über finanzielle Mittel die Verhandlungen zeitlich zu entzerren und dadurch gerechtere wie tragfähigere Lösungen zu finden - für die Beschäftigten wie für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens Schlecker.

• Wir fordern die Landes- wie Kommunalpolitik auf, finanzielle Mittel zur Förderung von Ladengeschäften in der Fläche zur Verfügung zu stellen, um die Grundversorgung der Menschen in den ländlichen Regionen sicherzustellen.

• Wir fordern zudem eindringlich, dass die notwendige Beteiligung von Investoren nur unter Beibehaltung von Mitbestimmung und Tarifvertrag erfolgen darf! Der mühsame Kampf und damit verbunden die großen Opfer vieler Beschäftigter dürfen nicht umsonst gewesen sein, Beschäftigte dürfen nicht erneut unter die Räder der Gier und der Arbeitsausbeutung fallen!

• Wir unterstützen den Vorschlag von Ver.di nach Schaffung eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells. Die Beschäftigten könnten sich dort nach ihren finanziellen Möglichkeiten engagieren und ihre Verbundenheit zu einem "Schlecker der Zukunft" zum Ausdruck bringen. Die Familie Schlecker fordern wir auf, das ihr Mögliche zu tun, damit dieses Beteiligungskonzept für die Beschäftigten finanziell ermöglicht wird. Das muss Anton Schlecker und seiner Familie die bisherige und künftige Belegschaft wert sein.

Gute, nachhaltige Arbeit - gute Arbeitsbedingungen für Menschen: Dafür stehen wir ein - vor Ort im Kontakt mit Beschäftigten ebenso wie bei öffentlichen Kundgebungen! Wir bieten ebenfalls unsere Möglichkeiten der Beratung und Unterstützung an in konkreten persönlichen Belangen, die jetzt oder mit der Zeit auftauchen. Die Beratungsangebote erfahren Sie über die u.a. Kontaktdaten. Wir wollen dazu beitragen, dass aus Wut und Schmerz wieder Mut und Zuversicht wachsen - allen Hindernissen zum Trotz!

Stuttgart - Ulm, den 5.3.2012



Pfr. Wolfgang Herrmann
Leiter Fachbereich Kirche und Arbeitswelt
Betriebsseelsorge, Diözese Rottenburg-Stuttgart
Jahnstr. 30, 70597 Stuttgart
0711 - 9791 - 116
betriebsseelsorge@bo.drs.de

Peter Niedergesäss
KAB-Verbandssekretär
Kath. Arbeitnehmer-Bewegung, Diözese Rottenburg-Stuttgart
Jahnstr. 30, 70597 Stuttgart
0711 - 9791 - 135
kab@blh.drs.de

Pfarrerin Esther Kuhn-Luz
Vorsitzende Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA)
Ev. Landeskirche Württemberg
Büchsenstr. 37/1, 70174 Stuttgart
0711 2068 - 261


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Quelle:
Pressemitteilung vom 5. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012