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KIRCHE/1867: Kardinal Marx zur heutigen Verleihung des Internationalen Karlspreises an Papst Franziskus (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 06.05.2016

"Papst Franziskus ist uns einen Schritt voraus"

Kardinal Marx zur heutigen Verleihung des Internationalen Karlspreises an Papst Franziskus


Anlässlich der Verleihung des Internationalen Karlspreises an Papst Franziskus für Verdienste um die europäische Einigung erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx:

"Papst Franziskus ermahnt und ermutigt uns zugleich in einer großen Gedankentiefe. Seine Ansprache ist ein starker Appell voll politischer Kraft an uns alle, die europäische Idee zu verlebendigen. Zur Seele Europas gehörten, betont Franziskus, die Kreativität, der Geist und die Fähigkeit, sich wieder aufzurichten und die eigenen Grenzen zu überschreiten. Ich bin dankbar, dass der Papst uns daran erinnert, Mauern einzureißen anstatt sie zu bauen: 'Die Pläne der Gründerväter, jener Herolde des Friedens und Propheten der Zukunft, sind nicht überholt: Heute mehr denn je regen sie an, Brücken zu bauen und Mauern einzureißen. Sie scheinen einen eindringlichen Aufruf auszusprechen, sich nicht mit kosmetischen Überarbeitungen oder gewundenen Kompromissen zur Verbesserung mancher Verträge zufrieden zu geben, sondern mutig neue, tief verwurzelte Fundamente zu legen.' Sein Appell an die humanistischen Ideale der Gründerväter Europas nimmt uns alle in die Pflicht, daran zu arbeiten, dass Europa sich neu entfalten kann. 'Am Wiederaufblühen eines zwar müden, aber immer noch an Energien und Kapazitäten reichen Europas kann und soll die Kirche mitwirken. Ihre Aufgabe fällt mit ihrer Mission zusammen, der Verkündigung des Evangeliums', unterstreicht Papst Franziskus.

Schlüsselbegriffe seiner Ansprache sind die 'Fähigkeit zur Integration, Fähigkeit zum Dialog und Fähigkeit, etwas hervorzubringen'. Sie gelten der Politik, der Gesellschaft und der Kirche. Papst Franziskus ruft uns ins Gedächtnis, dass die europäische Identität immer eine 'dynamische und multikulturelle Identität' ist und war. Während wir immer noch diskutieren, was Europa ist und nicht ist, ist Papst Franziskus uns schon einen Schritt voraus. Wir müssen uns anstrengen, Lösungen zu finden, innovative Konzepte zu entwickeln, und vor allem unserer persönlichen und sozialen Verantwortung gerecht werden. Es reicht nicht, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben - wir müssen sie in unserer Mitte, in unseren Herzen aufnehmen.

Das Schlüsselelement von Integration ist der Dialog, unterstreicht Papst Franziskus: 'Wenn es ein Wort gibt, das wir bis zur Erschöpfung wiederholen müssen, dann lautet es Dialog ... Die Kultur des Dialogs impliziert einen echten Lernprozess sowie eine Askese, die uns hilft, den Anderen als ebenbürtigen Gesprächspartner anzuerkennen, und die uns erlaubt, den Fremden, den Migranten, den Angehörigen einer anderen Kultur als Subjekt zu betrachten, dem man als anerkanntem und geschätztem Gegenüber zuhört.' Franziskus appelliert an uns, dass die gegenwärtige Situation 'keine bloßen Zaungäste der Kämpfe anderer' zulasse. Ich bin dankbar, dass Franziskus diese deutlichen Worte findet, die auch wehtun. Doch wir dürfen uns vor dieser Kritik nicht verstecken, sondern müssen sie annehmen und die Probleme angehen. Nur so kann Europa wieder aufblühen. Nur so können wir gemeinsam an einer Gesellschaft arbeiten, die niemanden ausschließt, die menschlich und menschenwürdig ist. Die Poesie und der Optimismus, mit denen Franziskus uns Mut macht, Europa, ja, die Welt zu verändern, soll uns allen ein Ansporn sein!

Explizit richtet Papst Franziskus seinen Blick auch auf die Wirtschaft und fordert ein Modell, das Chancen für alle eröffnet: 'Wenn wir unsere Gesellschaft anders konzipieren wollen, müssen wir würdige und lukrative Arbeitsplätze schaffen, besonders für unsere jungen Menschen.' Und das erfordere auch die Suche nach neuen Wirtschaftsmodellen, die in höherem Maße inklusiv und gerecht sind. 'Sie sollen nicht darauf ausgerichtet sein, nur einigen wenigen zu dienen, sondern vielmehr dem Wohl jedes Menschen und der Gesellschaft. Und das verlangt den Übergang von einer 'verflüssigten' Wirtschaft zu einer sozialen Wirtschaft', so Franziskus. Ich freue mich, dass der Papst in diesem Zusammenhang die Soziale Marktwirtschaft als Beispiel erwähnt, zu der auch seine Vorgänger immer wieder ermutigt haben.

Zum Ende seiner Ansprache gibt Papst Franziskus uns seine Visionen eines 'neuen europäischen Humanismus' mit auf den Weg: 'Ich träume von einem jungen Europa, das fähig ist, noch Mutter zu sein ... Ich träume von einem Europa, das sich um das Kind kümmert, das dem Armen brüderlich beisteht und ebenso dem, der Aufnahme suchend kommt ... Ich träume von einem Europa, das die Kranken und die alten Menschen anhört und ihnen Wertschätzung entgegenbringt ... Ich träume von einem Europa, in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist ... Ich träume von einem Europa, wo die jungen Menschen die reine Luft der Ehrlichkeit atmen, ... wo das Heiraten und der Kinderwunsch eine Verantwortung wie eine große Freude sind und kein Problem darstellen, weil es an einer hinreichend stabilen Arbeit fehlt. Ich träume von einem Europa der Familien mit einer echt wirksamen Politik, die mehr in die Gesichter als auf die Zahlen blickt und mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet. Ich träume von einem Europa, das die Rechte des Einzelnen fördert und schützt, ohne die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft außer Acht zu lassen. Ich träume von einem Europa, von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand.'"


Hinweis:
Die Ansprache von Papst Franziskus ist in deutscher Sprache auf der Internetseite des Vatikans unter www.vatican.va in der Rubrik "Ansprachen" verfügbar.

Die Deutsche Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller Diözesen in Deutschland. Derzeit gehören ihr 67 Mitglieder (Stand: Mai 2016) aus den 27 deutschen Diözesen an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 078 vom 6. Mai 2016
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2016

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