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KIRCHE/909: Warnung vor frühzeitiger Abschiebung von Roma und anderen Minderheiten in den Kosovo (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 22.04.2010

"Menschen dürfen nicht in unsichere oder unwürdige Verhältnisse abgeschoben werden"

Bischöfe warnen vor frühzeitiger Abschiebung von Roma und anderen Minderheiten in den Kosovo.


Die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz hat erneut ihre Sorge über die Situation der in Deutschland lebenden und von der Abschiebung bedrohten Roma und anderer Minderheiten aus dem Kosovo zum Ausdruck gebracht. Viele internationale Institutionen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Europarat sowie eigene kirchliche Quellen berichten glaubwürdig von der weiterhin prekären sozioökonomischen Lage sowie andauernder, teilweise massiver Diskriminierung von Minderheiten im Kosovo und warnen vor einer zwangsweisen Rückführung dieser Menschen.

Trotz einer im Wesentlichen europäischen Standards entsprechenden Gesetzgebung sind die örtlichen Behörden im Kosovo bisher offenbar häufig nicht in der Lage, einen angemessenen Schutz von Minderheiten zu gewährleisten. "Für viele Betroffene fehlen die Voraussetzungen für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde, sodass eine besonders sorgfältige Einzelfallprüfung unerlässlich ist", mahnte Bischof Norbert Trelle, Vorsitzender der Migrationskommission. "Menschen dürfen nicht in unsichere oder unwürdige Verhältnisse zurückgeschickt werden." Viele Betroffene hätten erfahrungsgemäß im Vergleich zu anderen Gruppen noch größere Schwierigkeiten, einen Aufenthaltstitel im Rahmen der Altfallregelung zu erhalten, sodass sie trotz eines langen Aufenthalts in Deutschland nun besonders von Abschiebungen bedroht seien.

Trelle forderte auch, dass besonders verletzliche Gruppen wie chronisch kranke und traumatisierte Menschen und alleinerziehende Mütter aufgrund ihrer Situation nicht in den Kosovo abgeschoben werden sollten. Trotz der allgemein verbesserten Sicherheitslage müssten in jedem Einzelfall auch individuelle objektive Gefährdungen geprüft und gegebenenfalls berücksichtigt werden. Auch subjektive Ängste der Betroffenen sollten Bischof Trelle zufolge dabei ernst genommen werden.

Der Hildesheimer Bischof drückte darüber hinaus seine Sorge über die Situation von Familien mit Kindern aus, die in unserem Land geboren oder aufgewachsen, hier integriert sind und eine Zukunftsperspektive in Deutschland haben: "Sie haben kaum einen Bezug zum Kosovo und müssen in eine ihnen unbekannte, fremde 'Heimat' zurückkehren, deren Sprache sie häufig nicht oder nur sehr mangelhaft beherrschen. Ihnen eine Zukunftsperspektive in Deutschland zu eröffnen, ist ein Gebot der Menschlichkeit."

Die bestehenden Unterstützungsprogramme für diejenigen, die auch nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände nicht in Deutschland bleiben können, sind nach Ansicht des Bischofs ein wichtiges Signal für die Betroffenen. Dennoch reichten sie oftmals nicht aus, um dauerhaft eine Perspektive im Kosovo zu eröffnen. Hier seien weitere Verbesserungen notwendig.


Hintergrund

Im Laufe der gewalttätigen Konflikte im Zusammenhang mit dem Zerfall Jugoslawiens hatte während der 1990er Jahre eine große Zahl von Flüchtlingen in Deutschland Zuflucht gefunden. Vor allem Roma und Angehörige von Minderheiten aus dem Kosovo konnten wegen der unsicheren politischen Lage bisher nicht in ihre Herkunftsregion zurückkehren und wurden geduldet. Nach der Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage hat der Bundesinnenminister in der vergangenen Woche ein Rückübernahmeabkommen mit der Regierung des Kosovo unterzeichnet, nach dem in jedem Jahr bis zu 2.500 Menschen zurückgeführt werden können. In Deutschland leben nach Angaben der Bundesregierung derzeit ca. 14.000 ausreisepflichtige Menschen aus dem Kosovo, darunter fast 10.000 Roma.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 070 vom 22. April 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2010